Rupert Gietl

08.03.2015

Überwachung bekämpfen!

Teil 4 der UT24-Serie über illegale Datensammlung, Überwachung und Einschränkung der Bürgerrechte. Die gegenwärtige Sicherheitslage darf kein Vorwand dafür sein, Überwachung mit technischen Mitteln hochzuschrauben: Irgendwann wird sie gegen jeden Bürger verwendet werden. Ein neues Buch hilft, NSA & Co. zu ärgern.

Videoüberwachung zwischen Nutzen und Gefahr. Bild: UT24 / Gabi Eder / pixelio.de

Von Rupert Gietl.

Die sich gegenwärtig verschlechternde Sicherheitslage in unserem Land hat bereits einige Blüten getrieben:

Während die Ordnungskräfte mit Maßnahmen zur Prävention und Aufklärung von Straftaten weit hinterherhinken, haben Lokalverwaltungen erste Maßnahmen zur verstärkten Videoüberwachung getroffen, wie erst heute berichtet wurde.

Die Sicherheitslage

Auch der Einsatz von Prognosesoftware wurde bereits vorgeschlagen.

In beiden Fällen sollen technische Mittel fehlende Ressourchen oder Fähigkeiten der Ermittlungsbehörden ergänzen oder ersetzen.

Auf den ersten Blick klingt das sehr positiv.

Doch sollte man die Lehren aus den globalen Datenskandalen der letzten beiden Jahre nicht vergessen und auch die zukünftige Dimension dieser Entwicklung im Auge behalten:

Überwachung von Seiten des Staates ist omnipräsent und leider bei weitem intensiver, als von Experten bis zu den Enthüllungen von Edward Snowden befürchtet.

Der Staat überwacht alle Bürger

Dazu kommen immer häufiger auch private Akteure, wie z.B. große Konzerne, deren Daten ebenfalls (direkt oder über Umwege) zu den Behörden gelangen.

Ein Ansteigen der Verbrechensrate hängt oftmals auch mit der geopolitischen Lage zusammen: So hatte diese nach dem Zusammenbruch des Kommunismus Anfang der 1990er Jahre einen historischen Höchststand erreicht.

Auch in der gegenwärtigen Situation werden wirtschaftliche Notlagen und Migrationsströme, sowie die damit verbundenen Umschichtungen, eine Rolle spielen.

Wenn die Kurve in der Kriminal-Statistik dann aber wieder zurückgeht, bleiben die Infrastrukturen der Überwachung unbeschäftigt und müssen auf neue Ziele ausgerichtet werden:

Engagement im Fadenkreuz

Immer mehr Bürger in Europa sind bereit, sich bei politischen oder gesellschaftlichen Themen zu engagieren und geraten dabei leicht ins Fadenkreuz staatlicher Organe. Der Protest gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 sei hier nur ein Beispiel, Unabhängigkeitsbewegungen in ganz Europa, ein anderes.

Deshalb sollte jeder Bürger ein Bewußtsein dafür entwickeln, dass er ständiger Überwachung ausgesetzt ist und sich auch einige Kenntnisse in deren Bekämpfung aneignen.

Der Sicherheitsforscher Bruce Schneier liefert in seinem neuen Buch “Data and Goliath” einige Tipps, wie man Ãœberwachung erschweren oder umgehen kann.

1. Ausweichen: Bargeld, kein Smartphone

Wie überwachen Unternehmen oder Behörden? Den Fluss von Geldströmen digital zu verfolgen, ist ein mächtiges Werkzeug, aus diesem Grund hat man bereits 2013 in Italien versucht, Bargeldtransaktionen über 50€ zu verbieten.

Ebenso problematisch könnten z.B. so erfolgreiche Einrichtungen wie der „Süd-Tirol Pass“ sein, der eine vollständige Nachvollziehbarkeit der Bewegungen des Benutzers ermöglicht, wenn dieser öffentliche Verkehrsmittel benutzt.

Videokameras sind ein weiterer Schwerpunkt digitaler Ãœberwachung.

Das Erkennen der Ãœberwachung ist hier der entscheidende Punkt:

Die meisten Späher kann man leicht umgehen, wenn man sich erst ihrer Präsenz bewusst ist:

Zahlen sie mit Bargeld, geben Sie möglichst wenige private Informationen in den sozialen Netzwerken preis oder benutzen Sie nicht immer dieselben Wege.

So wird Ãœberwachung zumindest erschwert

Ebenso benötigt man ein Grundwissen darüber, wie die Beobachtung technisch funktioniert: Nichts ist leichter für eine Software, als Texte nach bestimmten Schlagworten zu durchsuchen und diese herauszufiltern. Emails, Chats oder Profile sind so flächendeckend überwachbar.

Dagegen empfiehlt sich der gute alte Postweg oder das digitale Verschicken von handgeschriebenen Texten, die vorher abfotographiert oder eingescannt wurden.

Auf diese Weise kann man zwar automatische Flächenüberwachung (noch) austricksen, gezielte Überwachung wird man damit nicht überlisten können.

Hier tritt aber die Kostenfrage an die Späher heran: Bei Millionen von Menschen, die es im Auge zu behalten gilt, bedeutet es ein Vielfaches an Spesen, sich jemanden speziell vorzunehmen, d.h. eine oder mehrere Personen für eine Überwachung abzustellen.

2. Blocken: Keine Fremden zur digitalen Türe hereinlassen

Software auf Ihrem Rechner ermöglicht das Blockieren von Überwachungsmethoden. Das Programm Ghostery, verhindert z.B. die Sammlung von Cookies.

Der wichtigste Punkt ist hier die Verschlüsselung: Datenträger und Kommunikation im Internet sollten unbedingt geschützt werden. Im Netz finden sich zahlreiche Anleitungen.

Wer verschlüsselt, schützt nicht nur sich selbst, sondern hilft auch jenen, die tatsächlich gezielt überwacht werden: Solange nur wenige verschlüsseln, könnten diese automatisch zu Verdächtigen werden. Je mehr Menschen ihre Daten verschlüsseln, unverdächtiger sind jene, die brisanten Dokumente schützen.

3. Verschleierung: Wechseln Sie das Geschlecht, um die Späher zu verwirren

Schneiers dritter Rat ist die sogenannte “obfuscation” (Verschleierung): Erzeugen Sie, absichtlich falsche Daten, um Spione zu verwirren. Programme zur Analyse von Videoüberwachung werden immer ausgefeilter, wenn Sie aber z.B. bewusst die vordefinierten Geschlechterunterschiede (Hüte, Schals,…) verwässern, fällte es einem Programm gleich viel schwerer, Sie einzuordnen.

Leichter ist es schon, bei Fragebögen falsche Antworten einzustreuen. Schneier nennt als seine Postleitzahl etwa immer die der National Security Agency (NSA).

Suchen Sie bei Amazon oder Google nach seltsamen Dingen, die Sie eigentlich gar nicht interessieren, verzerrt sich Ihr Kundenprofil. So entsteht “Lärm” rund um das “Signal”, wie es in der Geheimdienstsprache heißt.

4. Zerstören: Nicht mehr legal

Als letzten Punkt schlägt Schneier in Extremfällen die physische Bekämpfung der Überwachungsinfrastruktur von, auch wenn man sich hier bereits auf dem Gebiet der Illegalität befindet.

An diesem Punkt werden wir in unserem Land hoffentlich noch lange nicht ankommen.

Bruce Schneier, Data and Goliath, 320 Seiten (2015) (Englisch) ISBN: 978-0393244816. Rezension auf: Der Standard.

 

Lesen Sie außerdem aus der UT24-Serie:

Teil 1: Wir lieben Ãœberwachung

Teil 2: Die NSA in Österreich

Teil 3: Du bist Terrorist

 

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