Rupert Gietl

13.09.2016

Ein Schuster als Kriegsheld

Heute vor 100 Jahren erstürmte Johann Forcher aus Sexten die Schimpke-Kuppe in der Cristallo-Gruppe. Als er den Gipfel erreichte, traute er seinen Augen nicht…

Johann "Schanni" Forcher und der Forame. Bild: UT24 / Anton v. Mörl

47 Jahre ist er alt, der Sextner Schuster und Bergführer Johann Forcher, als er am 13. September 1916 im Morgengrauen mit seinem Leben abgeschlossen hat.

Für seine Zeit ist er schon ein alter Mann.

Er wurde 1869 in der Gebärklinik Alle Laste bei Trient geboren, seine Mutter hatte sich dorthin begeben, nachdem sie unverheiratet schwanger geworden war. Johann wird dort als “Giovanni” getauft, was ihm auch gleich seinen Spitznamen einbringt: Die Sextner kürzen später seinen italienischen Vornamen einfach auf “Schanni” ab.

Er wächst in eine Zeit des Aufbruchs hinein: Der Tourismus beginnt gerade seine Heimat in die Moderne zu katapultieren. Schanni lernt das Schusterhandwerk und steht damit schon mit einem Bein am Berg, denn die Schuster verdienen gutes Geld damit, die Schuhe der Gäste zu flicken. Sie auf die Gipfel zu begleiten, ist da kein weiter Sprung mehr.

Forcher ist ein Unikum und bald sehr bekannt, doch fehlt ihm der unternehmerische Antrieb, den sein Nachbar Sepp Innerkofler an den Tag legt.

Als Italien im Mai 1915 den Krieg erklärt, rückt er zu den Standschützen ein und gehört zur berühmten “Fliegenden Patrouille”. Als Sepp Innerkofler am Paternkofel fällt, ist auch Forcher mit dabei.

Mit dem Standschützenbataillon Sillian, zu dem auch die Sextner gehören, wird er Anfang September 1916 nach Schluderbach verlegt. Die Schimpkekuppe und der Gipfel des Forame sind von italienischen Truppen erobert worden.

Am 5. September gelingt den Sillianern unter dem Kommando des Kirchenmusik-Professors Vinzenz Goller aus St. Andrä bei Brixen die Rückeroberung des Forame. Man versucht sofort nachzusetzen und die nur 300 Meter entfernte Schimpkekuppe ebenfalls zu besetzen. Der Versuch scheitert.

Acht Tage bereitet man den erneuten Angriff vor, eine Gruppe von 84 Mann, darunter Kaiserjäger, Landesschützen, Standschützen und Soldaten des 59. Infanterieregiments “Erzherzog Rainer” aus Salzburg, führt die Aktion durch und wird von Westen aus die Kuppe angreifen.

Auf der Ostseite sollen zwei Gruppen mit je sechs Mann den Rückzug der italienischen Soldaten abschneiden: Geführt werden sie von den Sextner Bergführern im Range von Oberjägern, Johann Forcher und Andreas Piller.

Die Nacht von Dienstag auf Mittwoch, den 13. September 1916, wird durch den Vollmond erleuchtet und der Gegner ist wachsam. Trotz heftigstem Artilleriefeuer gelingt es der Hauptgruppe nicht, an den Gipfel des Schimpkekuppe heranzukommen. Rasendes Maschinengewehrfeuer und Granaten halten sie auf, sie muss den Rückzug antreten. Davon erfahren die Standschützen auf der anderen Seite des Berges jedoch nichts und geraten ebenfalls in mörderischen Beschuss, aus dem sie sich nicht mehr zurückziehen können. Die Gruppe um Andreas Piller erwidert das Feuer, fast sämtliche Männer werden verwundet.

Schanni Forcher sieht sich zu einer Verzweiflungstat gezwungen: Während die italienischen Soldaten sich auf Piller konzentrieren, stürmt er mit seinen Männern geradewegs auf den Gipfel zu.

Dabei fällt der erst 19-jährige Standschütze Bartlmä Aßmayr.

Es gelingt, die Männer am Maschinengewehr zu töten, die Hauptgruppe der Verteidiger leistet jedoch in einer Kaverne Widerstand und will sich nicht ergeben. Forchers Männer werfen eine Handgranate hinein, die jedoch vor der Explosion wieder herausfliegt. Nun strecken die italienischen Soldaten die Waffen.

Schanni Forcher staunt nicht schlecht, als sich ihm 42 Soldaten und zwei Offiziere ergeben.

Am 19. November 1916 erhält er in Niederdorf von den Erzherzögen Eugen und Friedrich die Goldene Tapferkeitsmedaille, auch alle anderen Teilnehmer werden hoch dekoriert.

Schanni Forcher kämpft den Ersten Weltkrieg bis zum Ende mit, im Frühsommer 1918 gelingt es ihm, am Paternkofel das Grab Sepp Innerkoflers ausfindig zu machen.

Nach dem Krieg kehrt er nach Sexten zurück und stirbt 1948, im Alter von 79 Jahren.


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