von apa 30.11.2015 11:04 Uhr

Zielpunkt-Konkurs als drittgrößte Handelspleite seit 1992

Der Konkurs der Lebensmittelkette Zielpunkt wird nach Konsum und Libro - gemessen an den Insolvenzschulden von mehr als 210 Millionen Euro - wohl die drittgrößte Handelspleite in Österreich seit 1992. Sie trifft rund 2.700 Mitarbeiter. Mehrere Zielpunkt-Eigentümer waren immer wieder ohne großen Erfolg am Werk, nun scheiterte die Handelsgruppe Pfeiffer nach zwei Jahren mit ihrem Sanierungskonzept.
APA

Die betroffenen Mitarbeiter zeigten sich am Montag bei einer Betriebsversammlung über das überraschende Ende entsetzt. “Wir waren alle komplett geschockt. Das ist eine Sauerei jetzt vor Weihnachten”, sagte Zielpunkt-Betriebsratschefin Snjezana Brajinovic. Zielpunkt zahlte die November-Gehälter sowie das Weihnachtsgeld nicht mehr aus. Das übernimmt nun der Insolvenzentgeltfonds (IEF).

“Wir tun derzeit alles, um die harte Situation der Betroffenen abzufedern und arbeiten intensiv an Maßnahmen, um unseren Mitarbeitern zu helfen”, beteuerte Georg Pfeiffer, Eigentümer der oberösterreichischen Handelsgruppe Pfeiffer, am Montag. “Mit Zielpunkt ist ein Herzensprojekt von mir gescheitert. Wir haben alles getan, um Zielpunkt zu sanieren.”

Ohne weitere Finanzspritze des Eigentümers und weil interessierte Investoren doch nicht einsteigen wollten, musste die Lebensmittelkette am Montag am Wiener Handelsgericht Konkurs anmelden. Zielpunkt hätte nach eigenen Angaben mindestens bis zum Geschäftsjahr 2020/21 noch Verluste geschrieben. Im ursprünglichen Sanierungskonzept wollte Zielpunkt im Jahr 2018/19 wieder einen Gewinn erzielen.

Am 25. November hat es laut Insolvenzantrag “eine überarbeitete Planung der Geschäftsführung” gegeben, nachdem potenzielle Investoren abgesprungen sind. Zwei Interessenten hätten nach einer eingehenden Prüfung “von einer Investition Abstand genommen”, schreibt Zielpunkt im Insolvenzantrag. Im Oktober und November seien die Umsätze und das Betriebsergebnis bei Zielpunkt merklich eingebrochen, ohne Aussicht auf Besserung.

Der Konkurs der Lebensmittelkette Zielpunkt ist laut Creditreform unter anderem auf “die mangelnde Bereitschaft der Muttergesellschaft zur weiteren Betriebsmittelfinanzierung” zurückzuführen. Die für den Insolvenzantrag zuständige Zielpunkt-Anwältin dementierte umgehend die Creditreform-Aussage. “Fakt ist, dass es der Pfeiffer Handelsgruppe rein rechtlich gar nicht mehr möglich war, weiteres Geld zu investieren. Das war keine Frage der Bereitschaft”, die Anwältin.

Als weitere Insolvenzursachen ortet Creditreform “massive Umsatzeinbrüche” und “die gescheiterte Investorensuche”. Für den Leiter der Insolvenzabteilung im KSV 1870, Hans-Georg Kantner, kam der Zielpunkt-Konkurs nicht aus “heiterem Himmel”. Die Handelskette sei “seit vielen Jahren” ein Sanierungsfall” gewesen, sagte Kantner zur APA. Der kürzlich erfolgte umstrittene Zielpunkt-Immobilienkauf durch Pfeiffer werde durch den Masseverwalter “objektiviert”.

Die Kreditschützer vom KSV setzen die vorläufigen Insolvenzschulden (Passiva) mit 237 Mio. Euro, Creditreform mit 214 Mio. Euro an. Laut Insolvenzantrag setzen sich die Zielpunkt-Verbindlichkeiten in Höhe von 83,9 Mio. Euro ohne Berücksichtigung von Aus- oder Absonderungsrechten folgend zusammen: Lieferungen und Leistungen 38,3 Mio. Euro, offene Löhne/Gehälter inkl. Lohnnebenkosten 9,7 Mio. Euro, sonstige Verbindlichkeiten/Gutscheine 1,9 Mio. Euro, gegen verbundene Unternehmen 33,9 Mio. Euro.

Der AKV zitiert aus dem Insolvenzantrag, dass mit weiteren Verbindlichkeiten aus dem Abbau des Personals von 56 Mio. Euro sowie der Auflösung von langfristigen Verträgen von 96 Mio. Euro zu rechnen ist. Das freie Vermögen von Zielpunkt beläuft sich auf 11,3 Mio. Euro. Zum Vergleich: Inflationsbereinigt beliefen sich die Passiva bei der Konsum-Pleite auf 2,7 Mrd. Euro und bei Libro auf 455 Mio. Euro.

Mit dem Konkurs von Zielpunkt wird die Konzentration am österreichischen Lebensmitteleinzelhandel weiter zunehmen. Der Marktanteil der Kette beträgt österreichweit zwar nur 2,5 Prozent, doch war Zielpunkt in Wien nach der Filialanzahl die Nummer zwei hinter Billa. Rewe mit Billa, Merkur, Penny und Adeg hat in Österreich laut RegioData einen Marktanteil von 33,7 Prozent, gefolgt von Spar mit 30,4 Prozent, Hofer (19,2 Prozent), Lidl (5,8 Prozent) und M-Preis (5,8 Prozent).

Die Mitbewerber haben ihr Interesse bereits an gut gelegenen Zielpunkt-Filialen angemeldet. In Wien verfügt Zielpunkt über 126 Filialen, in Niederösterreich 53, Steiermark 27 und Burgenland 23. Zielpunkte machte im Geschäftsjahr 2014/15 mit einen Umsatz von 438,5 Mio. Euro rund 12 Mio. Euro Verlust. Das negative Eigenkapital belief sich auf 36,69 Mio. Euro.

Die Zielpunkt-Pleite könnte unterdessen auch Konsequenzen für den oststeirischen Fleisch- und Wursthersteller Schirnhofer haben: Am Montag soll es Banken-Gespräche geben, von der Firma gab es keine Auskünfte. Der Landesekretär der Gewerkschaft Pro-GE, Hubert Holzapfel, sagte zur APA: “Im Fall einer Insolvenz hoffen wir natürlich, dass es ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung gibt”.

Seiten des Produzenten im oststeirischen Kaindorf (Bezirk Hartberg-Fürstenfeld), der die Fleischtheken von Zielpunkt beliefert, gab man sich bedeckt: Man gebe gerne Auskunft, aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht, vielleicht morgen, hieß es auf APA-Anfrage. Schirnhofer beschäftigt nach eigenen Angaben knapp 300 Mitarbeiter und betreibt auch einen Schlachthof.

Gewerkschafter Holzapfel sagte, bei einem Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung drehe es sich im Wesentlichen um eine Entschuldung, die Jobs könnten großteils erhalten bleiben. Er sei in Kontakt mit der Betriebsrätin, für die Mitarbeiter gehe es vor allem um die November-Gehälter und das Weihnachtsgeld, die im Falle des Falles vom Insolvenzfonds gedeckt wären.

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