von ih 19.02.2017 11:07 Uhr

“Das goldene Vlies” als düsteres Beziehungsdrama in Linz

Bauliche Probleme bei der Renovierung des Linzer Schauspielhauses führen dazu, dass die ausgediente Bruckner-Uni vor ihrem Abriss noch einmal zum Schauplatz großer Gefühle wird. Susanne Lietzow inszenierte Franz Grillparzers mythologische Geschichte “Das goldene Vlies” mit stark psychologischem Akzent. Vor allem nach der Pause überzeugte am Samstag die umjubelte Premiere des Landestheaters.

APA (rubra)

Die zweifache Nestroy-Preisträgerin dampft die dreiteilige Schicksalstragödie – “Der Gastfreund”, “Die Argonauten”, “Medea” – um das wundertätige Widderfell nicht ein. Zu elementar sieht sie die beiden Erzählstränge von Grillparzers 1821 am Wiener Burgtheater uraufgeführten Stück: zum einen die gesellschaftlich-politische Seite mit dem Themenkomplex Gastfreundschaft, Fremdenrecht und Asyl, zum anderen die privat-psychoanalytische von Medea.

Als der König von Kolchis wegen des Vlies im ersten Teil den griechischen Gast ermordet, entspinnt sich im weiteren Verlauf die menschliche Tragödie um dessen Tochter Medea und Jason, der das Geraubte zurückholen will. Es geht dabei vor allem um “eine große Liebe und einen großen Verrat”. Medea wird von ihrem Mann nach Jahren auf der gemeinsamem Flucht fallen gelassen. Der Versuch, “diese Liebe zu retten, scheitert an einer gesellschaftlichen Mauer”, erklärte die Regisseurin vor der Premiere die Vernetzung der beiden “Lesarten des Stückes”.

Auf die Bühne gebracht hat sie ein düsteres, aus dem zeithistorischen Kontext herausgehobenes Beziehungsdrama, in dem es um den machtvollen Zweikampf der Geschlechter geht. Dramaturg Andreas Erdmann bezeichnet diese Herangehensweise an die Vorlage als die “weibliche Perspektive”. Lietzow präsentiert dem Publikum in den ersten beiden Teilen Medea als eine Amazone die “Ich will nicht” brüllt, wenn es darum geht, ihrem Vater zu gehorchen oder ihre Gefühle gegenüber Jason zu artikulieren. Die Zerrissenheit dieser Figur verkörpert Ines Schiller mit stakkatoartigem Wechsel zwischen ein bisschen zu viel wildem Geschrei und einem stummen In-sich-Zusammenfallen.

Vor der Pause sind es aber vor allem die Videoeinspielungen, gepaart mit der akustischen Lautmalerei, die der Handlung Dichte geben. Die Ermordung des Gastes wird so zu einem blutigen Gemetzel, das erste Aufeinandertreffen der Liebenden durch die Großaufnahme der Gesichter als Spiel der Begierde entlarvt. Als Projektionsfläche dient ein hohes, eisernes Gitter, das die Bühne in zwei Hälften teilt. In der vorderen befindet sich das Reich der Barbaren von Kolchis, dahinter jenes der Hochkultur der Griechen.

Die Umsetzung von Lietzows “gesellschaftlicher Mauer” im ehemaligen Konzertsaal der Uni war für Bühnenbildner Aurel Lenfert ein “ganz schöner Ritt”. Er wählte ein minimalistisches Bühnenbild, das im wesentlichen aus dem Trenngitter besteht. Im dritten Teil des Grillparzer Triptychons öffnet sich nur für Jason – Sven Mattke mutiert überzeugend vom Liebenden zum Hassenden – darin eine Tür. Zuvor spielen sich Szenen einer Ehe ab, die zu einem dramatischen Ende heranwachsen. Leise entscheidet die verratene Medea, ihre Kinder zu töten. Dies wird bedrückend in Szene gesetzt durch das nun ineinander aufgehende Zusammenspiel von Darstellung, Videoprojektion und einer Koloratur, die Gilbert Handler komponiert hat und von Schauspielerin und Opernsägerin Marie Smolka gesungen wird. Ein starker Schluss, der von dem auffällig jungen Publikum mit Bravos bedacht wurde.

apa

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