von gru 17.07.2015 21:27 Uhr

Toblach im Ersten Weltkrieg

Der höchstgelegene Ort im Pustertal mit seiner strategischen Lage als Tor zu den Dolomiten lag von 1915 bis 1918 im Brennpunkt vieler heute vergessener Ereignisse. Toblach zu erreichen war eines der primären Ziele des italienischen Heeres. Teil 1 eines historischen Rundganges entlang der wichtigsten Schauplätze.
Granatvolltreffer in die Villa "Waldhof". Toblach 20. Juni 1916. Bild: H. v. Lichem, Gebirgskrieg Bd.2 S.305

Der Krieg würde irgendwann nach Toblach kommen. Soviel stand für die Verantwortlichen der Österreichisch-Ungarischen Armee schon lange fest. Es galt, sich vorzubereiten.

Warum war Toblach für die Strategen in Wien und Rom so interessant?

Die Südbahn

Seit 1871 bestand die Südbahnlinie durch das Pustertal und machte es möglich, in einer Tagesreise von weither in die Dolomiten zu kommen. Natürlich funktionierte die Reise auch in die andere Richtung. Truppen könnten durch einen schnellen Vorstoß tief nach Süddeutschland oder bis nach Wien gelangen. Der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 war durch den Einsatz der Eisenbahn für Preußen und seine Verbündeten entschieden worden. Das war den hiesigen Militärs nicht verborgen geblieben.

Schon am Beginn der 1880er Jahre begann man mit dem Bau der “Sperre Landro”. Sie bestand aus den Werken Landro und Plätzwiese und sollte einen italienischen Einbruch über das Becken von Anpezo/Hayden und über Misurina stoppen.

Die Gebirgstruppen

Auch bei den Truppen wurde aufgerüstet. Um den italienischen Expansionsgelüsten zu begegnen, stellte man 1906 zwei Regimenter von spezialisierten Gebirgstruppen auf: Die Landesschützen.

Vorbild dafür waren die schon 1872 formierten Alpini. 1909 wurde in Innichen ein drittes Regiment aufgestellt. Das Regimentskommando residierte in der heute noch erhaltenen Kaserne am Bahnübergang beim Außerkirchl. Die Kaserne war übrigens eines der ersten erfolgreichen Beispiele von Public-privatePartnership: Die Gemeinde Innichen hatte das Gebäude erbaut und an das Militär vermietet. Ein einträgliches Geschäft für die Bürger der Marktgemeinde.

Das k.k. Landesschützen-Regiment „Innichen“ Nr. III hatte den Raum von der Kärntner Grenze bis in die Dolomiten zu verteidigen, ein Battallion stand in Anpezo/Hayden.

Damit waren die Schachfiguren auf Tiroler Seite zur alles entscheidenden Partie aufgestellt.

Zufälle

Wie sich der Frontverlauf auf Toblacher Gebiet ab 1915 schließlich entwickelte und wo wir deshalb heute noch Zeugnisse finden könnten, war im Grunde einer Reihe von Zufällen geschuldet:

Bis zum Vorabend des Krieges hatte man größere Kampfhandlungen im Hochgebirge für technisch und logistisch unmöglich gehalten, deshalb zog man eine Sperrlinie vom Fuße der Hohen Gaisl über die Plätzwiese und Geierwand hinunter nach Landro und von dort wieder hinauf zum Schwalbenkofel. Bis zum Innergsell in Sexten existierten nur optische Verbindungsmittel.

Die völlige materielle Unterlegenheit der Tiroler Landesverteidiger im Mai 1915 führte dazu, dass man sich zuerst auf defensive und teilweise sehr ungünstige Positionen zurückzog. Um die noch laufenden diplomatischen Verhandlungen nicht zu gefährden, überließ man den Alpini am 11. Mai die Besetzung des Monte Piano und der Linie von Rimbianco bis zum Paternsattel. Keiner konnte wissen, dass der Krieg zu diesem Zeitpunkt für Italien längst beschlossene Sache war.

Hoteldorf Landro gesprengt

Nach der vorsorglichen Sprengung des Hoteldorfes Landro, von der heute noch Ruinen zeugen, musste der Monte Piano am 7. Juni mühsam von freiwilligen Standschützen aus Toblach und Imst zurückerobert werden. Die Nordkuppe blieb von da an fest in österreichischer Hand, die Südkuppe italienisch besetzt. Der Rest ist Geschichte.

Die Stellungen auf der Nordkuppe und zu beiden Seiten des Monte Piano prägen noch heute das Bild der Landschaft: Die Rienztalsperre kann man nur mehr mit geübtem Auge finden: Sie quert das Tal ungefähr auf der Höhe des Klettergartens und setzt sich dann über einzelne, schüttere Positionen bis zum Wildgrabenjoch fort.

Der Frontverlauf

Über den Piano-Westhang ziehen sich die österreichischen Stellungen hart an der Gemeinde- und Landesgrenze entlang bis vor die Grenzbrücke herunter, um dann über die Ebene des Tiefentals / Val Fonda bis an den Fuß des Rauchkofels zu verlaufen.

Es lohnt sich die Mühe, die endlosen Schützengräben zwischen den Latschen zu erkunden: Hier hat sich ein Verteidigungssystem erhalten, das vom seinem Typ den Anlagen an der Westfront, in Frankreich und Belgien entspricht.

Über den Rauchkofelrücken geht es wieder ins Hochgebirge zurück: Die Front verlief über die Schönleitenschneid und die Forame-Spitzen wieder hinunter ins Gemärk. Hier war das Reich des Standschützenbatallions Welsberg, dem nach einer Umgruppierung auch die Toblacher Standschützen angehörten. Die Stellungen der Tiroler Landesverteidiger verließen hier das Toblacher Gebiet und zogen ca. beim Lago Negro in Richtung Gòtres nach Westen davon.


Lesen Sie im zweiten Teil dieser Serie, wie es um das Sanitätswesen in Toblach stand, wieviel Liter Wein in den Militärmagazinen lagerten, oder wann der Bau der Bahnlinie nach Anpezo in Angriff genommen wurde.


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