Ein Blog von

Georg Dekas

12.02.2018

Siegfried der Mutige

Eine Geschichte um Milch und Macht und das Bröckeln gläserner Grenzen.

 

Bild: Facebook

Erzählen tut es Erwin Bernhart vom Talschaftsblatt „Vinschgerwind“ auf „salto.bz“: Der Nauderer Biomilch-Bauer Siegfried Spöttl kündigt im Herbst 2017 seinem Zustellbetrieb Tirolmilch. Grund sind die mickrigen Auszahlungspreise für Kuhmilch (45 Cent, jetzt noch drei Cent weniger). Der „Ausreißer“ will auf Geißen umstellen. Er und ein finanziell potenter Fachmann aus dem Molkereigeschäft übernehmen jetzt die stillgelegte Dorfsennerei Prad, um Milch aus dem Vinschger Oberland zu veredeln, hauptsächlich zu Bio-Ziegenkäse. In Nauders selbst soll eine niegelnagelneue Sennerei entstehen, wo die beiden 5 Millionen Kilo Milch verarbeiten wollen. Der Investor sei Jos Peters „aus Belgien“, der Millionen mit der industriellen Herstellung von Mozzarella gemacht habe, berichtet Bernhart. Na, na, es ist wohl eher ein Flame, der da in Nauders zweitansässig ist und der nach dem Verkauf seiner Firma offensichtlich Lust auf weitere Milchabenteuer hat.

Die Geschichte ist aufschlussreich unter dem Gesichtspunkt der innertirolischen Kräfteverhältnisse und Spannungen. Weil der Weg von Nauders bis Wörgl zur Tirolmilch so weit sei und so überaus karg belohnt werde, suchten sich Pioniere aus Nauders schon länger den Weg nach Süden, doch die mächtige Mila sagte Nein, berichtet Bernhart. Auch die Genossenschaftsbosse im nördlichen Teil unseres Landes würden die Extratouren eines „Privatunternehmens“, wie sie sagen, nicht gern sehen.

Diese Geschichte gibt zu denken. Wer, wenn nicht einzelne Mutige können die unsichtbaren Sperrmauern in den eingefahrenen Wirtschaftskreisläufen dies- und jenseits der Tiroler Wasserscheide durchbrechen? Die Wipptaler Bauern haben es schon geschafft: für ihre Milch ist der Brennerpass schon nicht mehr gläserne Grenze. Die Vinschger dies und jenseits des Passes werden es auch schaffen. Dass ihnen jede Menge Prügel in den Weg gelegt werden, ist vorauszusehen. Aber am Ende muss einfach zusammenwachsen, was seit immer zusammen gehört.

Bernhart tippt in seinem Beitrag mehrmals die Euregio an. Das wäre der von den drei Tiroler Landeshauptleuten gepflegte Ansatz einer Wiederannäherung ohne Berichtigung der Staatsgrenzen und der so unterschiedlichen Geltungsräume von Recht und Gesetz. So, als ob von daher mehr Schützenhilfe zu erwarten sei. Doch von oben, vom Kopf und von der Politik her, scheint Tirol nicht so recht zusammenwachsen zu wollen.

Da braucht es wohl einen Siegfried, der ein einfacher Geißenbauer und kein unverwundbarer Drachentöter ist. Und einen Flamen, der auch zu so einem Völklein wie dem unseren gehört, das ganz eigen ist und noch viel eigensinniger als andere.

 

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