Ein Blog von

Georg Dekas

10.04.2019

Wir im Vaccaland

Der Wandel vom Parlamentarismus zum Populismus hat in Italien den Chauvinismus entfesselt – und twitterfähig gemacht.

Symbolbild

Südtirol sei ein „Vaccaland“, twittert ein böser Mensch aus Mittelitalien. Nicht irgendein Prolet, sondern ein Arzt und angeblich Berater im Gesundheitsministerium der Maio-gelben und Lega-grünen Regierung in Rom.

Was bedeutet Vacca? Leider nicht nur Kuh. Vacca bedeutet auch Schlampe und ist Teil des ebenso populären wie vulgären Fluchwortes „Porca Vacca“, was man wahlweise als „saumäßig blöde Kuh“, „Saukuh“ oder am besten als „Dreckig wie eine Sau und blöd wie eine Kuh“ übersetzen müsste.

Es wird berichtet, dass der Mann in Südtirol berufstätig und mit einer Südtirolerin verheiratet gewesen sei. Es habe einen Scheidungskrieg gegeben, der Mann sei von der Kolonie wieder in sein Mutterland zurückgekehrt und von dort habe er mit Gerichtsbeschluss erwirken lassen, dass die Tochter in eine italienische Schule wechselte, damit der Herr Akademiker die Schulmitteilungen nicht mehr auf Deutsch lesen müsse. Wohl aus derlei oder ähnlichen Gründen muss aus dem schönen und einst so begehrten Heidiland ein verachtetes Vaccaland geworden sein.

Nicht genug damit. Für den Arzt Gallo sind die (deutschen) Südtiroler nicht nur säuische Rindviecher, sondern zudem inzuchtgeschädigt („geneticamente compromessi“). Scheint hoch frustriert zu sein, dieser medizinische Beamte im nationalen Gesundheitsdienst.

Jedenfalls soll der Dottore schon seit Jahren bei den Linkspopulisten Italiens mit von der Partie sein, der Fünf-Sterne-Bewegung des „Vaffan“-Komikers Grillo. Insofern passt es ja mit „Vacca“ und „Vaffanculo“. Grillo (Grille) und Gallo (Gockel), Kuh und Sau, leider keine märchenhaften Bremer Stadtmusikanten, sondern Kakophonie vom Gröbsten.

In Südtirol ist die Aufregung groß. Das vom Glück verwöhnte Landl beginnt zu verstehen, dass es nach Jahrzehnten der Freundschaft und Bruderschaft mit dem gebildeten, edlen und menschenfreundlichen Italien jetzt die schwarze Bestie am Hals hat. Im Stiefelland hat es die schwarze Bestie des Italo-Nationalsozialismus nahtlos von Mussolini weg gegeben. Bozen war eine Hochburg der Trikolore-Nazis. Bis vor kurzem war diese Bestie in einem Käfig gefangen, der abseits im rechtsnationalen Eck stand. Nur zu den Fußballweltmeisterschaften tauchte der (jugendliche) Bozner Mob auf und zeigte, dass Deutschenhass kein Privileg rechter Parteien, sondern eine breite Untergrundbewegung in der italian community an der Etsch ist.

Der Paradigmenwechsel vom Parlamentarismus zum Populismus hat nun in Italien den Chauvinismus entfesselt – und twitterfähig gemacht. Links wie rechts. Sich entrüsten ist eitle Liebesmüh. Nicht nur, weil wir die Pappenheimer kennen, sondern auch, weil aus der vulgären Bitternis des Dottor Gallo die Enttäuschung eines abgewiesenen Liebhabers spricht, was im Grunde leidtut.

Doch ist Gallo kein Einzelfall. Aus ihm spricht das altbekannte italienische Muster: Man bewundert alles Deutsche und hasst es zugleich. Man brüstet sich mit der eigenen Überlegenheit in Lebenskunst und fühlt sich doch vom Europa jenseits der Alpen missachtet. Es ist den Italienern zu wünschen, dass sie diese irrigen, seit dem Risorgimento schulisch eingeimpften Schablonen abstreifen und zu einem ausgeglichenen Weltbild kommen.

In der römischen Einheitsrepublik von heute stehen die Zeichen leider gerade andersherum. Wir werden also noch viel zum Beißen kriegen. Bis die Grillos und Gallos sich endlich um ihren eigenen Staat kümmern. Va, pensiero!

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