Siegfried Unterkircher

17.02.2018

Der Fall Deniz Yücel

Die Freude über seine Freilassung steht über Allem. Wir wären auch dann solidarisch, wenn es sich nicht zufällig um einen Kollegen der Nachrichtenzunft im weitesten Sinne handeln würde. Wohlgefallen und Glücksgefühl sollten aber nicht sich auftuende Fragen zudecken.

By blu-news.org - Deniz Yücel, CC BY-SA 2.0

Wie sooft braucht es gerade in der Politik gleich mehrere Umstände, welche sich im opportunistischem Geist begegnen müssen, um außerordentliche Entwicklungen in Gang zu setzen. Zunächst gibt es da einen deutschen Aussenminister, der in diesen Tagen um sein politisches Überleben kämpft. Auf der anderen Seite die türkische Regierung, welche sich bisher nicht zu einer Freilassung, des seit über einem Jahr inhaftierten Deniz Yücel bewegen ließ, weil die Politik im türkischen Rechtsstaat offensichtlich keine Macht über die türkische Justiz hätte, was allgemeinhin als Farce zu bezeichnen ist. Wenn dem nämlich so wäre, dann dürften nicht zwei Umstände eingetreten sein, welche geradezu das Gegenteil vermuten lassen.

Türkische Justiz und deutsche Diplomatie

Wäre die türkische Justiz so unabdingbar eigenständig, dann hätte der türkische Ministerpräsident Yildirim die Freilassung von Deniz Yücel nicht bereits einen Tag vorher in Erwägung ziehen können. Ebenso hätte auch der jetzt von Sigmar Gabriel kolportierte „“Grosseinsatz deutscher Diplomatie“ keinen Einfluss nehmen dürfen.

Das Regime knechtet weiterhin Demokratie und Rechtsstaat

Deniz Yücel ist frei, darüber freut sich die ganze Welt – trägt aber wahrscheinlich dazu bei, dass die westliche Öffentlichkeit sehr schnell vergisst, dass am gleichen Tag sechs türkische Journalisten zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt wurden, weil sie angeblich den Putsch im Juli 2016 unterstützt hätten. Zudem befinden sich weiterhin über hundert Journalisten in türkischer Haft, darunter sechs Ausländer.

Deutschlands Diplomatie der Zugeständnisse

Aus politischen Kreisen rund um das Aussenministerium und vom Minister selbst wird bei der festlich begangenen Darstellung dieses Erfolges immer wieder darauf verwiesen, dass es keine Zugeständnisse, welcher Art auch immer, seitens Deutschlands gegeben habe. Das ließe sich allemal für ein wertvolles Zeichen dafür deuten, dass sich auch ein Regime Erdogan auf konventionellen Wege und den Instrumentarien der Politik zu Entscheidungen von weitreichender Tragweite bewegen lässt. Alles andere wäre aber die Belohnung einer türkischen Strategie, welche den Austausch von Geiseln mit politischen Zugeständnissen zum Gegenstand hätte.

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