Florian Stumfall

09.03.2023

Begriffsverwirrung

Mit der Verwahrlosung der Politik geht notgedrungen eine Zerstörung der Sprache einher: Begriffe werden unscharf, ihre Inhalte sind nicht mehr unmissverständlich, Schlagwörter nehmen überhand, und Modefloskeln ersetzen die analytische Schärfe. Diese Entwicklung geht umso rascher voran, je mehr in der politischen Öffentlichkeit, das heißt: bei Regierungsmitgliedern, Abgeordneten und Journalisten, die Propaganda Tatsachen überlagert. Der Schwund an semantischer Deutlichkeit führt dazu, dass mit der Gefahr von Verwechslungen die noch viel größere Gefahr entsteht, dass solche Verwechslungen von Demagogen bewusst herbeigeführt und benutzt werden.

Vorstandsvorsitzender der Atlantik-Brücke von 2000 bis 2005: Arend Oetker (.(Bild: Screenshot YouTube).

Dass dies am hartnäckigsten und erfolgreichsten im Bereich der Ordnungspolitik geschieht, ist ebenso naheliegend wie fatal. Hier wird meist in völlig unkritischer Art und Weise mit den Bezeichnungen von politischen und wirtschaftlichen Systemen eine Unordnung herbeigeführt, welche die Möglichkeit zu verschiedensten propagandistischen Einflüssen öffnet. Es geht hauptsächlich um Begriffe wie Sozialismus, Kapitalismus und Marktwirtschaft, die fast durchgehend gebraucht werden, ohne dass sich jemand die Mühe machte, zu erklären, was jeweils darunter zu verstehen sei.

Sozialismus – Diktatur

Insbesondere fällt hier die völlig ungerechtfertigte Gleichstellung von Marktwirtschaft und Kapitalismus auf. Sie geht auf Karl Marx zurück, wurde deshalb im Kalten Krieg gepflegt und dient heute noch der Linken als Kampfbegriff. Dabei eint den Kapitalismus und den Sozialismus mehr, als sie voneinander trennt. Beide sind wettbewerbsfeindliche Ordnungen, beide bekämpfen den Mittelstand und beide arbeiten an der Akkumulation des Kapitals. Allein die Marktwirtschaft ist Garant des Wettbewerbs, der Hüter des Mittelstandes und einer Vermögensbildung in möglichst vielen Händen.
Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden anderen aber ist, dass die Sozialisten Geld und Macht in den Händen des Staates sammeln und die Kapitalisten in der Verfügung von Oligarchen. Dem entsprechen die jeweils dazugehörigen politischen Systeme: hier der Sozialismus, in dem der Staat alles bestimmt, vor allem die Wirtschaft, dort die Plutokratie, in der eine kleine Handvoll von Kapitalisten die Macht im Staate gekauft hat.

Kapitalismus – Plutokratie

Doch so deutlich der Sozialismus in all seinen Ausformungen in Erinnerung ist, so sehr versteckt sich die Plutokratie vor den Augen der Öffentlichkeit. Denn das Referenzmodell, die Vereinigten Staaten von Amerika, stellt sich als der Hort der Demokratie dar und leitet davon Eingriffsrechte in aller Welt ab, obwohl die USA das Muster einer Plutokratie darstellen. Es beginnt damit, dass ein Politiker, welcher das Amt des Präsidenten anstrebt, mindestens eine Milliarde US-Dollar für einen Erfolg aufbringen muss. Hat er sie nicht selbst, muss er sich das Kapital leihen, und die es ihm zur Verfügung stellen, warten nach einem Sieg mit ihrer Rechnung auf. Wie frei ist ein Präsident in seinen Entscheidungen gegenüber Leuten, denen er Hunderte von Millionen schuldet?
Arend Oetker, einst langjähriger Vorsitzender der Atlantik-Brücke, bekannte einmal: „Die USA werden von 200 Familien regiert, und mit denen wollen wir uns gutstellen.“ Nun – er muss es wissen, und doch täuscht er sich in der Anzahl jener Familien. Tatsächlich sind es die Besitzer der sechs oder acht Großbanken, welche die Federal Reserve bilden, die als Nationalbank missverstandene FED. Die beauftragten Vertreter dieser Banker-Familien sind geborene Mitglieder im Aufsichtsrat der FED, müssen also nicht in dieses Gremium gewählt werden.
Zum anderen: Die US-Regierung zahlt jährlich zumindest 300 Milliarden Dollar an Zinsen für die Staatsschulden. Dieses Geld geht an die FED, das heißt, jene Handvoll Banken, die sich den jährlichen Segen untereinander aufteilen. Mit jedem Dollar vor allem an Militärausgaben wird das Geschäft lukrativer, und wer einen Zusammenhang zwischen dem US-Militärbudget und dem Interesse der FED-Besitzer vermutet, dürfte nicht so ganz falsch liegen. So viel zur Plutokratie.
Zurück zur Marktwirtschaft und dies am deutschen Beispiel. Sie besteht spätestens seit den Merkelschen Regierungsjahren nur noch aus Resten, und diese werden von beiden feindlichen Seiten angegriffen. Die Rolle der Sozialisten spielt dabei die EU, die mit immer mehr Auflagen, Kontrollen und Verboten die Freiheit von Entscheidungen in personengeführten Unternehmen immer mehr einschränkt, in diesem Bemühen leidenschaftlich unterstützt von einem großen Teil der politischen Öffentlichkeit: den Grünen, den Roten und einem allzu großen Teil ehemals bürgerlicher Kräfte. Bürokratische Zwangsjacken, Anweisungen, respektive Verbote hinsichtlich Art und Umfang der Produktion, Eingriffe in die Preisbildung und Handelsbeschränkungen sind die klassischen Folterinstrumente des Sozialismus, die hier Anwendung finden. Langfristig führt das zum Untergang des Mittelstandes und zur Verarmung weiter Teile der Bevölkerung.

Marktwirtschaft – Rechtstaat

Die zweite Front gegen die Marktwirtschaft setzt bei den Großen an, den Kapitalgesellschaften. Zwar ist das eherne Grundgesetz der Marktwirtschaft die Garantie des Wettbewerbs, doch gerade deswegen wird dieser immer mehr ausgehöhlt. Übernahmen und Fusionen großer Gesellschaften sind längst kein Problem mehr. Und wenn einmal im Kartellamt, dem Gralshüter des Wettbewerbs, jemand aufwachen sollte, dann gibt es eine Ministererlaubnis, und alles ist wieder gut.
Es bleiben eine Frage und eine Sicherheit: Sicher ist, dass jeder wirtschaftlichen Ordnung eine politische Ordnung entspricht. So, wie zum Sozialismus die Diktatur und zum Kapitalismus die Plutokratie gehören, entspricht der Marktwirtschaft der freiheitliche Rechtstaat. Unklar ist, wer nach einer endgültigen Zerstörung der Marktwirtschaft das Erbe an sich reißt, Sozialisten oder Kapitalisten, das heißt dementsprechend, in welcher politischen Welt man aus seinen Träumen erwachen wird. Sicher ist nur eines: Sie wird sich schmerzlich von der unterscheiden, die einmal die ganze Welt bewundert hat.

Kolumne von Dr. Florian Stumfall
Erstveröffentlichung PAZ (redaktion@preussische-allgemeine.de)

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