von apa 10.12.2017 05:26 Uhr

Netanyahu wirft Europäern “Scheinheiligkeit” vor

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat den Europäern “Scheinheiligkeit” im Streit um den Status Jerusalems vorgeworfen. Während die Europäer US-Präsident Donald Trump kritisierten, weil er Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt habe, seien ihm keine “Verurteilungen” aus Europa von palästinensischen Raketenabschüssen auf israelisches Gebiet bekannt geworden, so Netanyahu am Sonntag.

APA (AFP)

“Obwohl ich Europa respektiere, bin ich nicht bereit, von dieser Seite Doppelmoral hinzunehmen”, sagte Netanyahu. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hatte die Entscheidung Trumps, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen und die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, am Donnerstag kritisiert. Trumps neuer Kurs könne “uns in noch dunklere Zeiten zurückschicken als die, in denen wir bereits leben”, sagte Mogherini. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ ihren Sprecher Steffen Seibert bereits am Mittwochabend erklären, die Bundesregierung unterstütze Trumps Entscheidung nicht.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich unterdessen für eine Zwei-Staaten-Lösung zur Beilegung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern ausgesprochen. Er habe Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu gesagt, dass er die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt durch US-Präsident Donald Trump missbillige, sagte Macron am Sonntag nach einem Treffen mit Netanyahu in Paris.

Zugleich verurteilte Macron jegliche Bedrohung der Sicherheit Israels. Der jüdische Staat hatte Ost-Jerusalem 1967 erobert und später annektiert. Dies wird von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt. Die Palästinenser beanspruchen Ost-Jerusalem als Hauptstadt ihres künftigen Staates. Der Status der Stadt soll daher in einem Friedensvertrag geregelt werden.

Netanyahu zeigte sich von der Kritik an der Jerusalem-Entscheidung der USA unbeeindruckt. Je früher die Palästinenser sich mit der Realität abfänden, dass Jerusalem die Hauptstadt Israels sei, desto eher sei Frieden möglich, sagte er auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Macron. Netanyahu warf dem Iran vor, das Land wolle in Syrien Militärstützpunkte für Heer, Marine und Luftwaffe errichten, um Israel zu bekämpfen und zu zerstören. “Das werden wir nicht hinnehmen”, sagte der Regierungschef.

Netanyahu sieht derzeit eine “ernsthafte Anstrengung” der USA für Frieden im Nahen Osten. “Wir sollten dem Frieden eine Chance geben”, sagte Netanyahu bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem französischen Präsidenten Macron. “Indem wir Dinge zur historischen Wahrheit bringen, indem wir die Möglichkeit für neue Verhandlungen öffnen, für neue Initiativen.”

Jerusalem sei die Hauptstadt Israels, betonte Netanyahu: “Je eher die Palästinenser diese Realität anerkennen, je eher werden wir uns in Richtung Frieden bewegen.” Netanyahu sagte, er habe Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas Abbas immer angeboten, sich an den Verhandlungstisch zu setzen. “Wenn er Frieden will, soll er herkommen und verhandeln.”

Der israelische Regierungschef antwortete auch scharf auf Äußerungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der Israel als “Terrorstaat” und Land der “Kindermörder” bezeichnet hatte. “Ich bin es nicht gewohnt Morallektionen von einem Anführer zu erhalten, der kurdische Dörfer in seinem Land bombardiert, der Journalisten einsperrt, der den Terroristen hilft, vor allem in Gaza”, so Netanyahu. Die Türkei wies Netanyahus Kritik zurück.

Der israelische Ministerpräsident wurde am Montag bei einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel erwartet. Netanyahu sagte, das für Montag in Brüssel geplante Treffen mit den EU-Außenministern sei das erste derartige Treffen zwischen der EU und einem israelischen Regierungschef seit 22 Jahren. Die Verabredung des Treffens erfolgte vor Trumps Jerusalem-Entscheidung. Netanyahu hatte Trumps Äußerungen vom Mittwoch als “historische Erklärung” begrüßt.

Die internationale Gemeinschaft favorisiert eine Einigung zwischen Israel und den Palästinensern auf eine Zwei-Staaten-Lösung, bei der Israel Jerusalem als seine Hauptstadt beanspruchen könnte, die Palästinenser aber zugleich das Recht erhielten, den von Israel besetzten Ostteil der Stadt zu ihrer Hauptstadt zu erklären.

In Jerusalem wurde unterdessen ein israelischer Wachmann bei einer Messerattacke durch einen offenbar palästinensischen Attentäter schwer verletzt. Ein Polizeisprecher teilte mit, es handle sich um einen Anschlag am zentralen Busbahnhof. Der Attentäter sei außer Gefecht gesetzt worden. Nach israelischen Medienberichten handelte es sich bei dem Opfer um einen Wachmann. Er habe eine Stichverletzung am Oberkörper erlitten, teilte der Rettungsdienst Magen David Adom mit.

In den vergangenen Tagen war es in den Palästinensergebieten wegen des Jerusalem-Streits zu Unruhen und gewaltsamen Protesten gekommen. Bei den Protesten sowie israelischen Luftangriffen im Gazastreifen wurden bisher vier Palästinenser getötet und Hunderte verletzt. Auch am Sonntag kam es im Westjordanland wieder vereinzelt zu Protesten, unter anderem im Bereich von Hebron und Tulkarem.

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