von ih 12.07.2017 15:59 Uhr

Erdogan schließt Ende von Ausnahmezustand derzeit aus

Ein Jahr nach dem Putschversuch in der Türkei schließt Präsident Recep Tayyip Erdogan eine Rückkehr zur Normalität bis auf weiteres aus. “Eine Aufhebung des Ausnahmezustands kommt angesichts all dessen, was passiert, nicht infrage”, sagte der Staatschef am Mittwoch in einer Rede vor Investoren in Ankara.

APA (AFP)

“Wir werden den Ausnahmezustand nur aufheben, wenn wir nicht mehr gegen Terrorismus kämpfen müssen.” Erdogan fügte aber hinzu: Eine Aufhebung “kann in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein”. Einen Termin nannte er nicht.

Die Verhaftungswelle gegen mutmaßliche Unterstützer des Umsturzversuchs ging unvermindert weiter. Der von Erdogan als Drahtzieher des gescheiterten Putsches ausgemachte Prediger Fethullah Gülen wies die gegen ihn gerichteten Vorwürfe erneut zurück. Auch bereite er keine Flucht aus seinem US-Exil nach Kanada vor, sagte er in einem Interview. Vielmehr würde er würde eine Auslieferung in die Türkei akzeptieren, sollten die USA dies anordnen.

Am Samstag jährt sich der Putschversuch des Militärs in der Türkei. Wegen mutmaßlicher Kontakte zur Gülen-Bewegung wurden bisher rund 50.000 Menschen festgenommen und rund 150.000 Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, der Justiz, der Polizei und des Militärs entlassen oder vom Dienst suspendiert.

Am Mittwoch seien Haftbefehle gegen 34 ehemalige Mitarbeiter des staatlichen Senders TRT erlassen, meldete die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu. Ihnen werde vorgeworfen, die verschlüsselte Messenger-App ByLock genutzt zu haben. Die Regierung in Ankara sieht darin ein Kommunikationsmittel der Gülen-Anhänger. Zudem nahm die Polizei 14 Unteroffiziere in sechs Provinzen fest, wie die Agentur Dogan meldete. Am Dienstag waren Haftbefehle gegen mehr als Hundert Mitarbeiter im Technologiesektor erlassen worden. Auch ihnen wird vorgeworfen, ByLock genutzt zu haben.

Die türkische Regierung hat in Washington die Auslieferung des seit 1999 im selbst gewählten Exil lebenden Gülen beantragt. US-Regierungsvertreter haben allerdings deutlich gemacht, dass die Türkei noch keine ausreichenden Beweise vorgelegt habe. “Wenn die Vereinigten Staaten es für richtig halten mich auszuliefern, würde ich gehen”, sagte Gülen.

Der 79-Jährige widersprach zugleich Vorwürfen der türkischen Regierung, eine Flucht nach Kanada vorzubereiten, um der von ihr geforderten Auslieferung zu entgegen. “Diese Gerüchte treffen überhaupt nicht zu.” Auch habe er “niemals einen Staatsstreich oder eine Amtsenthebung unterstützt”, sagte Gülen, der einst ein Verbündeter Erdogans war. Alle Versuche, den Präsidenten loszuwerden, müssten auf demokratischem Wege vorgenommen werden, durch friedliche Proteste und Wahlen. Gülen verurteilte die Machtanhäufung in den Händen Erdogans und verglich diesen mit einem Diktator. Die Regierungen der USA und der europäischen Länder müssten sich stärker für die Wiederherstellung politischer Freiheiten in der Türkei einsetzen.

Die Regierung in Ankara sieht sich wegen der Massenverhaftungen Vorwürfen ausgesetzt, Menschenrechte und Pressefreiheit zu missachten. Gleichzeitig haben sich die Beziehungen der Türkei zu vielen europäischen Staaten in den vergangenen Monaten massiv verschlechtert. Im Fokus stehen dabei neben der Festnahme von Journalisten wie dem deutsch-türkischen “Welt”-Reporter Deniz Yücel auch Verbote von Auftritten türkischer Politiker im Ausland.

Erst kürzlich etwa hatte die deutsche Bundesregierung Erdogans Wunsch abgelehnt, nach seinem Besuch beim G-20-Gipfel auf einer Veranstaltungen in Deutschland aufzutreten. Zuletzt wurde dem türkischen Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci Anfang der Woche die Einreise nach Österreich untersagt.

APA

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