Kollmanns Blog

Cristian Kollmann

13.03.2023

Vor 100 Jahren: Assimilierung im „Hochetsch“ beschlossen. Ziel erreicht?

„Provvedimenti per l’Alto Adige, intesi ad una azione ordinata, pronta ed efficace di assimilazione italiana.“ Ins Deutsche übersetzt: „Maßnahmen für das Hochetsch zum Zwecke einer geordneten, schnellen und wirksamen italienischen Assimilierung“. Mit diesen Worten kündigte der Großrat des Faschismus am 12. März 1923, also genau vor 100 Jahren, offiziell an, wie es mit dem deutschen und ladinischen Teil Tirols, der nach dem 1. Weltkrieg von Italien annektiert worden war, weitergehen soll.

Bild: Cristian Kollmann

Alles Deutsche und Ladinische musste verschwinden. Von Anfang an im Visier standen dabei die Orts- und Flurnamen, angefangen beim Namen Tirol. So wurden in Durchführung der vom Großrat des Faschismus beschlossenen Maßnahmen u.a. drei Dekrete (1923, 1940 und 1942) verabschiedet, mit denen ausschließlich so genannte „italienische“ Orts- und Flurnamen für amtlich gültig erklärt wurden. Dies kam faktisch einem Verbot der deutschen und ladinischen Namen gleich. Bei den so genannten „italienischen“ Namen hingegen handelte es sich größtenteils um Konstruktionen, deren Anzahl bis zum Jahr 1942 auf über 10.000 angestiegen war. Die meisten stammten aus der Feder eines einzigen Mannes: Ettore Tolomei, ein Welschtiroler Irredentist und späterer Faschist der ersten Stunde, der 1919 in Bozen als erstes Mitglied der faschistischen Partei beitrat.

Was Viele immer noch nicht wissen: Die faschistischen Ortsnamendekrete sind – trotz Pariser Vertrags und Autonomiestatuts – bis heute in Kraft. Immer wieder gab es Anläufe im Südtiroler Landtag, sie abzuschaffen, doch sämtliche Anläufe scheiterten jedes Mal an der fehlenden Zustimmung durch die Südtiroler Volkspartei – von den italienischen Parteien und den Grünen ganz zu schweigen. Besonders erschreckend ist hierbei, dass heutzutage mehr denn je so getan wird, als seien die konstruierten italienischen Namen, angefangen bei „Alto Adige“, das Selbstverständlichste der Welt. In Wahrheit erfüllen sie bis heute einen manipulativen Zweck: Wie vielen Bürgern, denen diese Namen tagtäglich vorgesetzt werden und welche sie, auf Grund von Ahnungslosigkeit oder Sorglosigkeit, selbst verwenden, ist eigentlich bewusst, dass es sich de facto um Fake-Namen handelt? Wie vielen Bürgern ist bewusst, dass die deutschen und ladinischen Namen gesetzlich immer noch nicht wiederhergestellt wurden? Wie vielen Bürgern ist bewusst, dass das Festhalten an den faschistischen Dekreten immer noch der wichtigste Punkt der italienischen Assimilierungspolitik im „Alto Adige“ ist?

Wohl ist es wahr, dass die vom Großrat des Faschismus beschlossene Assimilierung im „Alto Adige“ nicht so schnell vorangeschritten ist wie ursprünglich gewünscht. Aber: Gut Ding braucht Weile! 100 Jahre, nachdem sie eingeleitet wurde, ist die Assimilierung immer noch nicht vollzogen. Sie wurde aber auch nicht gestoppt. Unaufhaltsam, so scheint es, schreitet sie voran – langsam, aber sicher!

Das beste Beispiel hierfür ist der Südtiroler Landeshauptmann, oder, treffender bezeichnet, der Präsident der Provinz „Alto Adige“, denn ein „Land Südtirol“ gibt es offiziell gar nicht. Dieser „Präsident“ steht sinnbildlich für das mangelnde Verständnis für eine wissenschaftliche und ideologiefreie Herangehensweise, für das mangelnde Gespür für die Wichtigkeit der Authentizität und historischen Fundiertheit unserer Namenlandschaft, für das mangelnde Wissen darüber, was mit der Etikette „Alto Adige“ bis heute bezweckt werden soll. Seine römischen „Freunde“ hingegen wissen es sehr genau. Sie sind schlauer und listiger. Um ihrem politischen Ziel einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben, spannen sie auch noch die „Accademia della Crusca“ ein. Am liebsten würden diese Tolomei-nostalgischen Politiker und Pseudowissenschaftler die so genannte „italienische“ Toponomastik im „Alto Adige“ – unter dem Deckmantel der Mehrsprachigkeit und der kulturellen Vielfalt – ins UNESCO-Welterbe aufnehmen lassen. Für die Römer ist der Präsident des „Alto Adige“ sicher ein Erfüllungsgehilfe, ein „bravo ragazzo“, leistet er doch willfährig einer Assimilierungspolitik Vorschub, die bis heute auf der römischen Agenda steht. Ettore Tolomei, der Erfinder des „Alto Adige“, hätte sicher auch seine Freude an diesem altoatesinischen Gehorcher. Tatsächlich scheint das „Alto Adige“ in seinem Kopf bereits einen festen Platz eingenommen und sich wohl auch in seinem Herzen tief eingenistet zu haben. Anders ist es nicht zu erklären, dass dieser „Präsident“ im Jahr 2021 einen Antrag der Süd-Tiroler Freiheit ablehnte, der die offizielle Einführung von „Sudtirolo“ – und sei es zumindest als Bezeichnung alternativ zu „Alto Adige“ – vorsah und sich faktisch für ein Verbot von „Sudtirolo“ aussprach! Gab es so etwas Ähnliches nicht schon 1923?

Das Nein des Südtiroler Landtages zu „Sudtirolo“, das mit großer Mehrheit beschlossen wurde, zeigt vor allem eines: Die Assimilierungspolitik im „Alto Adige“ wird mittlerweile besonders hierzulande von den eigenen politischen Vertretern eifrig vorangetrieben. Sie tun dies teils aus Ahnungslosigkeit und Sorglosigkeit, teils unter dem Deckmantel des friedlichen Zusammenlebens, teils aber auch aus Überzeugung von einer Faschismus-light-Ideologie (ein bisschen Faschismus tut ja nicht weh). Doch was für eine Autonomie hat Südtirol eigentlich, wenn diesem Tiroler Landesteil bis heute nicht einmal seine eigenen Namen zugestanden werden? Wer sind die Bremser? Sie sitzen nicht nur in Rom, sondern auch in Bozen. Die Mehrheit der Südtiroler Vertreter ist im Landtag zu „Altoatesinen“ mutiert, zu einem Kleinrat von Faschismusverstehern und Faschismusversteherinnen, Mitgehorchern und Mitgehorcherinnen, angeführt von einem Ober-Gehorcher, einem „altoatesinissimo“!

Hat der Großrat des Faschismus also sein 1923 gestecktes Ziel erreicht? Noch nicht ganz, aber: Gut Ding braucht Weile.

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  1. MartinB
    23.03.2023

    Zustimmung in der Sache und Analyse. Es ist aber auch festzustellen dass sowohl Magnago in der 80ern als dann später Durnwalder und die zeitgleichen Parlamentarier diesbezüglich leider auch keine ernsthaften Vorstöße gemacht haben. Die “geduldete Wieder-Einführung” der historisch gewachsenen deutschen und ladinischen Ortsnamen ist wahrlich unwürdig eines demokratischen Rechtsstaates. Von den konformistischen Tourismus- und Marketing-Strategen reden wir lieber auch nicht.

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