von gk 24.01.2023 16:55 Uhr

„Je weiter ein Ereignis zurückrückt, desto klarer steht es da.“

„Nun bin ich müde, ich geh’ schlafen. Noch ein Kindergebet im Bett, dann schlafe ich ein. Zu mir selber sag’ ich: Gute Nacht, Rosa!“

Um 1937, Rosa (hintere Reihe in der Mitte) mit ihren Eltern und Geschwistern; vordere Reihe: v.l. Karl, Alfred, Hanna, Mutter Filomena, Hans, Vater Johann, Thresa und Luis; hintere Reihe: Balbina, Mena, Rosa, Moida und Anna.

Mit diesem Satz endet eine von den Aufzeichnungen von Rosa Pöll. Darin kommen ihre Grundhaltung und ihr unerschütterliches Selbstbewusstsein zum Ausdruck. In mehreren Heften hält sie ihre Erinnerungen fest und ihrem Vermächtnis und ihrer Hoffnung entsprechend, jemand nach ihr möge es ihr gleichtun, schrieb ihre Tochter Eva Klotz eine Biografie über ihre Mutter und gab deren Aufzeichnungen wörtlich wieder.

Rosas Kindheit

„Rosa wird am 30. November 1920 als erstes Kind der zweiten Ehefrau des Hofa-Bauern Johann Pöll in Ulfas, Gemeinde Moos in Passeier, geboren. Seine erste Frau war 25-jährig im Jänner 1919 gestorben, drei ihrer Kinder, darunter Zwillinge, kurz nach der Geburt ebenso. Er stand nun mit zwei kleinen Mädchen, Maria und Anna, alleine da. Bald nach dem Tod ehelichte er die um Jahre jüngere Filomena Haller vom Kehlerhof in Walten. Wie damals üblich, brachten Geistliche die beiden zusammen. Die Kinder brauchten eine Mutter und der Bauer eine tüchtige Frau. In jedem kleinen Dorf, auch in der Kuratie Walten, gab es damals noch Priester. Sie kannten ihre Pfarrkinder und wussten um das Wohl und Weh jedes einzelnen. Dies nicht zuletzt aus der Beichte, die jeder gewissenhaft wenigstens einmal im Jahr, meist vor Ostern, ablegte.

Die fleißige und geschätzte Stalldirn

Filomena war eine der fünf Töchter beim Kehler. Das Wohnhaus war eng an die Kirche gebaut. Vater und Großvater, später auch einer der beiden Söhne, versahen den Messnerdienst. Entsprechend tugendhaft hatten sich die Jungen zu benehmen. Filomena war nicht nur die Kräftigste, sondern auch die Lebhafteste und Lustigste. Sie tanzte und sang gern. Wohl auch deshalb musste sie bereits mit 12 Jahren ihren Dienst als Stalldirn bei einem Großbauern antreten. Sie war gern beim Vieh und erwarb sich sehr schnell Kenntnisse im Umgang mit Tieren. Bevor sie nach Ulfas ging, war sie Stalldirn in Wans, einem der schönsten und größten Waltner Bauernhöfe. Dort galt sie so viel wie ein Viehdoktor. Man schätzte sie sehr und ließ sie nur ungern gehen. Auch das Vieh hing an ihr. Es wird erzählt, dass Filomena immer laut und freudig „begrüßt“ wurde, wenn sie in den Stall kam. Sie ging zu jeder einzelnen Kuh und legte vor dem Melken den Kopf an den jeweiligen Hals. Jede habe auf dieses „Zeremoniell“ gewartet, erst dann richtete sie sich auf und ließ sich geduldig melken. […]

Filomena als Bäuerin und Mutter

Der Bauer zu Hofa in Ulfas bekam nicht nur eine gute Mutter für seine beiden Kinder, sondern auch eine tüchtige Bäuerin. Sie packte in Hof und Feld an und wurde immer öfter auch zu den Nachbarn gerufen, wenn das Vieh krank war. Sie behandelte schwierigste Fälle, kannte sich bestens aus und kurierte mit den ihr bekannten Mitteln. Sie war allerorts geschätzt und beliebt. Vom Haushalt hatte sie aber nicht viel mitbekommen, vom Nähen wenig Ahnung, das musste sie erst lernen. Sie fragte ihre Nachbarin Regina, die Much-Bäuerin, oft, wie das und jenes zu kochen sei. Zu ihr pflegte sie von Anfang an ein freundschaftliches Verhältnis.

„Singen konnte ich vor dem Reden“

Der Vater war ein Hausmann, schreibt Rosa in ihren Aufzeichnungen, er kochte Mus und Brennsuppe. Auch verstand er sich besser auf die Kindererziehung. Die Mutter hatte mit uns wenig Geduld. Besser verstanden es der Vater und meine beiden älteren Halbschwestern, mir etwas beizubringen. Singen konnte ich vor dem Reden, ich tat mich aber schwer mit dem Sprechen. Das hatte ich von meinem Vater. Er redete nicht viel, dafür bereitete ihm Musik, vor allem der Gesang, größte Freude… Welche Mühe gab sich die Mutter, mir die „Sechs Grundwahrheiten“ einzulernen. Überall, im Garten, im Stall und wo sie sonst gerade arbeitete, versuchte sie es. Immer musste ich aufsagen und lernen. Anstatt „Buße“ sagte ich „Buben“, „Letzte Ölung“ sagte ich „die Steelen“. Die 7 Sakramente konnte mir die Mutter nicht beibringen. Was sollte man denn verstehen ohne Bilder oder sonstige Aufklärung. Es war unmöglich, ohne Anschauungsmittel und mehr Geduld.

Und Rosa berichtet weiter:

Die Mutter machte mir immer 2 Zöpfe übereinander. Klippler (Haarspangen) und Schieberler (Haarklammern) gab es nicht, und so flogen die Haare um den Kopf. Ich war wahrscheinlich immer „zottelt“. Wenn ich mit der Much-Rosa (Nachbarskind und Freundin) spielte, sagte der alte Luis, ihr Onkel, immer: Zottelt ist der Pudel, zottelt ist der Bär, und weil sie Gott erschaffen hat, so zottelt sie daher! […]

  • Rosa Pöll. Die Frau des Freiheitskämpfers

Der obige Auszug stammt aus dem ersten Kapitel „Kindheit“ des Buches „Rosa Pöll – Die Frau des Freiheitskämpfers“, der Biografie von Dr. Eva Klotz über ihre Mutter Rosa.

Klotz, Eva: Rosa Pöll. Die Frau des Freiheitskämpfers. Eine Biografie. Neumarkt a.d. Etsch: Effekt! Buch. 2022.

ISBN: 978-88-97053-96-5

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