von apa 04.12.2018 11:30 Uhr

Kurz und Strache loben erstes Regierungsjahr

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) haben am Dienstag eine zufriedene Bilanz über ihr erstes Regierungsjahr gezogen. Für 2019 angekündigt wurden unter anderem die Pflege- und Steuerreform, allerdings ohne Details. In der Affäre um das Asylquartier Drasenhofen waren beide unterschiedlicher Meinung, allzu deutliche Kritik an der FPÖ vermied Kurz aber.

APA

Mit ihrer bisherigen Politik zeigten sich Strache und Kurz erwartungsgemäß zufrieden. Er sei angetreten, um Österreich an die Spitze zu führen und die Regierung habe im letzten Jahr hart dafür gearbeitet, sagte Kurz und lobte eine “Trendwende” in der Budgetpolitik, “Ordnung statt Chaos” in der Migration und “Familienbonus”.

Strache fügte noch die Sozialversicherungs-Fusion und die ab 2020 geplante höhere Mindestpension hinzu. Im Vergleich zur Vorgängerregierung habe man sehr viel weitergebracht und begehe nun die “papierene Hochzeit”. “Da ist alles noch frisch, wir sind beide in dem Jahr sichtbar jünger geworden und es macht uns Spaß.”

Wirklich Neues gab es von der Regierungsspitze nur in Spurenelementen zu hören: So wurde eine Regierungsklausur für 10./11. Jänner angekündigt, bei der die Steuerreform besprochen werden soll. Konzentrieren soll sie sich laut Kurz auf kleine und mittlere Einkommen, das Volumen ist aber offen. Beschlossen werden soll die Reform im Herbst mit einem (eigentlich nur nach Wahljahren üblichen) Doppelbudget.

Zweiter Schwerpunkt für 2019 soll die Digitalisierung sein und der dritte das Pflegesystem. Wobei die Regierung ihren “Masterplan Pflege” zwar am Mittwoch im Ministerrat besprechen, ihn aber erst im Herbst 2019 beschließen wird – nach Verhandlungen mit den Ländern. Wie die Regierung das Pflegesystem künftig zu finanzieren gedenkt, bleibt damit weiter offen. Laut Kurz gibt es nach wie vor die zwei Varianten einer Pflegeversicherung oder der Steuerfinanzierung, allenfalls auch durch zweckgewidmete Steuern.

Überschattet wurde die Bilanz-Pressekonferenz der Regierung durch die Affäre um das vom niederösterreichischen FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl eingerichtete Flüchtlingsquartier in Drasenhofen, wo Jugendliche Asylwerber in einer Art Hausarrest gehalten wurden. Die niederösterreichische Jugendanwaltschaft sprach von einem “Anschein eines Freiheitsentzuges” – und zwar ohne Verurteilung und ohne erkennbare Rechtsgrundlage.

Strache verteidigte die Vorgehensweise seines Parteikollegen mehrmals wortreich. Er kritisierte, dass Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in der Causa “auf Zuruf” reagiert habe und wies auch den Vorwurf des Freiheitsentzuges zurück. “Dass Jugendliche in ihrer Freiheit beeinträchtigt sein sollen, was der Landesrat vehement zurückweist, das ist einfach unrichtig”, behauptete Strache. Im Übrigen meinte er noch, dass nicht alle Jugendlichen in Drasenhofen “unbedingt so anständig gewesen sein sollen”.

Kurz verteidigte dagegen Mikl-Leitner, die die Absiedelung der Jugendlichen aus Drasenhofen verlangt hatte. Natürlich könne es unterschiedliche Betreuungsmodelle geben, “aber immer alles im Einklang mit unseren Grundwerten, unserem Recht, unseren Gesetzen”, deponierte Kurz. Allzu deutliche Kritik an der FPÖ vermied er aber. So ließ Kurz die Frage unbeantwortet, was er denn davon halte, dass Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) das Vorgehen Waldhäusls verteidigt hatte.

Gelassen kommentierte Kurz internationale Medienstimmen, wonach er den Rechtsextremismus in Europa salonfähig mache. Er verstehe natürlich, dass der Blick der Welt auf Österreich immer noch stark von der Geschichte geprägt sei. Aber die Regierung setze das um, was sie im Regierungsprogramm vereinbart habe. “Wir haben starke Unterstützung in der Bevölkerung, wir werden uns von diesem Weg nicht abbringen lassen”, so Kurz. Und: “Ich bin es gewohnt, mit einer nicht so positiven Kommentieren zu leben, genauso wie mit einer positiven.”

Strache meinte, er nehme Magazine wie “Time” und “Newsweek” nicht weiter ernst, weil da ja auch über US-Präsident Donald Trump nicht nur positiv berichtet werde. Und, so Strache: “Nicht links, nicht rechts, sondern vorne sind wir.”

Ganz anders sieht die SPÖ das erste Jahr Türkis-Blau. Zum ersten Mal werde das Leben vieler in der Phase einer Hochkonjunktur schwerer statt leichter, erklärte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda. “Für mich gibt es eine klare Messlatte für die Politik: Wurde den Menschen das Leben leichter gemacht oder nicht”, sagte Drozda. “Die Maßnahmen der Bundesregierung haben Folgen: Für 81.000 Kinder, die Mindestsicherung beziehen. Für ältere Arbeitslose, die auf die Aktion 20.000 angewiesen waren. Und für die Jugendlichen, die in den überbetrieblichen Lehrwerkstätten arbeiten. Ihnen und sehr vielen mehr hat die Bundesregierung das Leben schwerer gemacht”.

Zum ersten Mal in der Zweiten Republik würden während einer Hochkonjunkturphase nicht alle vom gemeinsam geschaffenen Erfolg profitieren. “Das ist das Muster dieser Regierung: Die FPÖ verrät die Menschen, damit das Geld zu den Wahlkampfspendern der ÖVP geschaufelt wird und der Sozialstaat scheibchenweise abgebaut wird. Und die ÖVP schweigt, wenn die FPÖ die liberale Demokratie attackiert und Jugendliche hinter Stacheldraht gesperrt werden.” Die Bundesregierung tue nichts, um Österreich gerechter und zu einem besseren Ort zu machen, stattdessen gebe es Belastungen und Missgunst.

“Viel Lärm um nichts”, bilanzierte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Die Regierung setze statt auf Reformen auf Spaltung. “Statt echten Reformen gab es vor allem Show Politik”, so die NEOS-Klubobfrau.

Für Bruno Rossmann von Jetzt (vormals “Liste Pilz”) hat das erste Jahr der neuen Regierung gezeigt, dass es ÖVP und FPÖ vor allem um das Umfärben der Republik, Postenschacher und Klientelpolitik geht. “Dazu kommen ein Totalversagen im Klimaschutz und eine systematische Benachteiligung des unteren Einkommensdrittels”, kritisierte Rossmann: “Die Reförmchen der Regierung sind alles andere als die versprochenen Leuchttürme – sie drohen eher, solche einzureißen.”

Kritik an der bisherigen Regierungsarbeit kam auch von der Österreichischen Krebshilfe sowie von verschiedenen Umweltorganisationen. Krebshilfe-Präsident Paul Sevelda forderte einmal mehr ein Rauchverbot in der Gastronomie. Ein bereits beschlossenes Gesetz dazu wurde ja auf Wunsch der FPÖ wieder aufgehoben. “Diese ‘Morgengabe’ kostete im ersten Jahr der Regierung bereits 1.000 Menschenleben durch Passivrauch”, so Sevelda. Die Bundesregierung müsse ihrer gesundheitspolitischen Verantwortung nachkommen.

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  1. swiss-austrianer
    06.12.2018

    Die neuen Brüder Grimm! Und fast die Hälfte der österreichischen Wahlberechtigten glauben das auch noch!

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