Die Brüder Molden und der geheime Kurierdienst

Von Nordtiroler Seite aus organisierten vor allem die Brüder Molden den geheimen Nachrichten- und Kurierdienst der „Landesstelle für Südtirol“ (den UT24-Bericht finden Sie hier) und halfen persönlich bei der Durchführung. Der Innsbrucker Polizeidirekter Dr. Rudolf Junger nannte in seinem Bericht als Träger der „Propaganda für Südtirol“ die „Landesstelle für Südtirol“, den „Verband der Südtiroler“, den „Bund der Tiroler Freiheitskämpfer“ und einen „Peter-Mayr-Bund“. Bei den einzelnen Personen sprach er besonders von den Gebrüdern Molden, welche sich neben der nachrichtendienstlichen Tätigkeit auch federführend an der Organisation von Südtirol-Kundgebungen beteiligten.
„Diese Aktivisten verlassen den Boden der Demokratie in keinster Weise und die Kundgebungen erfolgten in engster Zusammenarbeit mit den Führern des Gewerkschaftsbundes, an der Spitze Obmann Wilberger, SPÖ, weshalb die Legalität ihrer Bestrebungen außer Zweifel steht.“
In den laufenden Berichten von Südtiroler Politikern und Vertrauensleuten und auch in den Stellungnahmen ihrer Partner nördlich des Brenners wurde auf die Verwendung von Decknamen geachtet. Mit solchen wurden wichtige Personen bezeichnet, welche auch mit diesen zeichneten, sowie Örtlichkeiten und Aktionen.
Die erfolgreiche Tätigkeit der Kuriere
In der Folge gelang es Steiner und seinen Mithelfern, den geheimen Kurierdienst von den einzelnen Ortsparteistellen der SVP zur Tiroler Landesregierung so hervorragend zu organisieren, dass alle wichtigen Nachrichten rasch verfügbar waren. Und deren gab es viele. In einem „Geheimen Bericht“ des Jahres 1945 aus den im Archiv des Karl von Vogelsang-Instituts in Wien aufliegenden Steiner-Akten heißt es in Bezug auf diese Informationen: „Die Rechtssicherheit in der Provinz ist von Woche zu Woche mehr gefährdet. Überfälle, Diebstähle, Raub, Plünderung und Mord häufen sich […] Die SVP erhält wöchentlich etwa 5 Tatberichte über solche Vorfälle.“ Die SVP sandte diese Tatberichte mithilfe geheimer Boten über die Berge nach Nordtirol. Ein Teil wurde auch über die offiziellen Grenzübergänge geschmuggelt.
Wie hervorragend der geheime Kurierdienst zwischen Bozen und Innsbruck funktionierte, darüber berichtet der britische und US-Geheimdienstmitarbeiter Edgeworth Murray Leslie. Der aus einer begüterten Familie stammende Leslie hatte bereits vor dem Krieg Tirol kennen und lieben gelernt. Er war mit seiner Frau nach Igls gezogen, hatte ein Haus gebaut und dort als Schriftsteller gelebt. Kurz vor Kriegsbeginn hatte Leslie sich in die Schweiz abgesetzt, wo er dann zunächst für den amerikanischen Geheimdienst „Office of Strategic Services“ (OSS) und dann auch für den britischen „Secret Intelligence Service“ (SIS) arbeitete. Unmittelbar nach Kriegsende war Leslie nach Igls zurückgekehrt. Der mittlerweile mit Diplomatenpapieren und einem CD-Schild für sein Auto ausgerüstete Geheimagent fungierte nun auch als alliierter Verbindungsmann zu Landeshauptmann Dr. Karl Gruber und war dessen inoffizieller Berater. Leslies Herz schlug, wie er in seinen Erinnerungen offen einbekennt, für die Tiroler Sache und nicht für jene Roms. In dem Manuskript eines später allerdings nicht veröffentlichten Buches – mit dem Titel „South Tyrol. The Paris Agreement and the Background to the Post-War-Problem“ – hält er über den damals von den Tirolern eingerichteten geheimen Nachrichtendienst fest:
Leslie verfasste nicht nur Berichte für seine vorgesetzte Dienststelle, sondern übersandte auch Informationsmaterial der „Landesstelle für Südtirol“ an die Außenministerien der Westmächte und versah sie mit begleitenden Berichten. Er leistete darüberhinaus auch selbst Kurierdienst zwischen Innsbruck und Bozen für die „Landesstelle für Südtirol“. Über das abenteuerlichste Unternehmen dieser Art wird in Zusammenhang mit der geheimen Unterschriftensammlung des Jahres 1946 in Südtirol noch näher zu berichten sein.
Der wagemutige Graf, Herr auf Churburg
Es gab viele mutige Tiroler Landsleute, die Nachrichten heimlich nach Österreich brachten. Ein solcher Wagemutiger war der in Amras geborene Graf Hans DDr. Trapp, Herr auf Churburg in Schluderns und Landmann in Tirol. Dieser war ein ehemaliger Leutnant der Kaiserjäger und ein ebenso bescheidener wie mutiger Patriot. Er war als Landesdenkmalkonservator in Innsbruck tätig und hatte sich zusammen mit Dr. Reut-Nicolussi bereits in der Zeit des Ständestaates für Südtirol eingesetzt. Seit dem Herbst 1944 hatte er zusammen mit Dr. Reut-Nicolussi, Fritz Molden und dem späteren Universitätsprofessor Dr. Helmut Heuberger der antinationalsozialistischen Widerstandsgruppe 05 angehört. Die beiden Letztgenannten sollten übrigens in den 1960er-Jahren noch als Mitglieder des BAS von sich reden machen. In Südtirol sah man Graf DDr. Trapp als engeren Landsmann an und er besaß auch das volle Vertrauen des unerschrockenen geistlichen Vorkämpfers für die Freiheit und Einheit Tirols, des Kanonikus Michael Gamper. Er war ein enger und engagierter Mitarbeiter von Dr. Reut-Nicolussi in der „Landesstelle für Südtirol“ und unterstützte nach Kräften die Nachrichtenbeschaffung. Da er als „Herr auf Churburg“ in Schluderns und somit als Liegenschaftsbesitzer in Südtirol sowie als ausgewiesenes Mitglied des NS-Widerstandes eine alliierte Reisegenehmigung erlangt hatte, konnte er wichtige, wenngleich nicht ungefährliche Dienste als Kurier leisten und vertrauliche Berichte und Dokumente nach Innsbruck schmuggeln.
Als Monteure getarnte Kuriere
Im Österreichischen Staatsarchiv liegt ein Bericht über eine Pressefahrt über den Brenner nach Südtirol, an der Berichterstatter der „New York Times“, des „Herald Tribune“, der sowjetischen Nachrichtenagentur „TASS“ und anderer Medien teilnahmen. Die Fahrt war von der Pressestelle der Tiroler Landesregierung in Innsbruck organisiert worden, damit sich diese internationalen Presseleute ein Bild von den wahren Verhältnissen in Südtirol machen konnten. Unter anderem fanden Gespräche mit Fürstbischof Dr. Johannes Geisler in Brixen und mit verschiedenen Vertretern der Südtiroler Volkspartei statt. Am Ende des Berichtes steht als Ergebnis vermerkt: „Die Journalisten dürften alle positiv schreiben. […]“.
Der ehemalige Widerstandskämpfer und nun als Redakteur der von seinem Vater gegründeten Tageszeitung „Die Presse“ tätige Fritz Molden war einer der insgesamt zehn Teilnehmer der Pressefahrt. Er hatte zusammen mit seinem Bruder Otto und mit Freunden aus Widerstandstagen wie Dr. Friedl Volgger und Dr. Ludwig Steiner den heimlichen Kurierdienst von Südtirol nach Nordtirol eingerichtet und setzte sich nach wie vor die Rückkehr Südtirols nach Österreich ein. Der namentlich ungezeichnete und für das österreichische Außenamt bestimmte Bericht mit ebenso interessanten wie vertraulichen Details stammt möglicherweise von ihm. Bereits an der streng kontrollierten Grenze, so schildert der Bericht, standen „Männer in Arbeitsanzügen (wie sich bei näherem Befragen herausstellt, unter ihnen verschiedene Kuriere, die als Monteure verkleidet, Post nach Österreich bringen). […] Ein „Monteur“ sagte mir, dass Arbeitskleidung das Sicherste wäre, um ungehindert passieren zu dürfen, Zivilkleidung liegt in Österreich für ihn bereit.“
Fortsetzung folgt…
Der obige Auszug stammt aus dem Buch „Repression. Band 1. Wie Südtirol 1945/46 wieder unter das Joch gezwungen wurde“ von Dr. Helmut Golowitsch.
Golowitsch, Helmut: Repression. Band 1. Wie Südtirol 1945/46 wieder unter das Joch gezwungen wurde: Neumarkt a.d. Etsch: Effekt!. 2020. ISBN: 978-88-97053-68-2






