von gk 06.04.2023 14:00 Uhr

Die hübsche Welschtiroler Frau des Duce

Ida Irene Dalser war die erste standesamtlich eingetragene Ehefrau von Benito Mussolini. Mit ihr hatte er einen gemeinsamen Sohn. Später wurde sie in ein Irrenhaus abgeschoben. Wusste sie zuviel?

Ida Irene Dalser verh. Mussolini mit ihrem Kind Benito Albino (Bild: Effekt Verlag).

„In Berichten von allerlei Zeitzeugen erfährt man von vielen geheimen Treffen zwischen Mussolini und anderen. Unter anderem aber auch durch einen Notariatsakt der vom Duce betrogenen und später in ein „Irrenhaus“ abgeschobenen Welschtirolerin Ida Irene Dalser (1880–1937). Sie war die erste standesamtlich eingetragene Ehefrau Mussolinis und Mutter des am 11. November 1915 geborenen Benito Albino Mussolini (1915–1942). Nachdem Mussolini seine Ehefrau Ida Dalser und seinen Sohn Benito Albino im Stich gelassen hatte, suchte diese alte Gefährten ihres Mannes auf, „um ihnen Briefe des Duce zu zeigen, die für ihr sehr komprimittierend waren“. Darüber berichtete glaubhaft in einer Stellungnahme im Nordtiroler Tiroler Anzeiger am 15. Juni 1928 die national gesinnte Anarchosozialistin Maria Rygier, die mit Ida Dalser befreundet war.

  • Die anarcho-sozialistische und später liberalmonarchistisch gesinnte Gewerkschafterin Maria Rygier war Mitbegründerin des Mussolini-Blattes "Il Popolo d'Italia" (Bild: Effekt Verlag).

Beide waren ab November 1914 etliche Jahre im Verlagshaus des Popolo d’Italia in Mailand tätig gewesen: Maria als Redakteurin und Ida als Aushilfe in der Verwaltung. Das lässt sich auch anhand des famosen Gasti-Reports („rapporto Gasti“) des Polizeiinspektors Giovanni Gasti über die Gründung der Squadristenbewegung Fasci di combattimento von 1919 belegen. Darin wird auch die Affäre Dalser behandelt. Der Mailänder Polizeichef hatte aufgrund eines Ermittlungsverfahrens die Aussagen der Welschtirolerin bestätigt. Der Bericht (1919) wurde auch dem damaligen Regierungschef Vittorio Emanuele Orlando (1860–1952) und dessen Nachfolger Ministerpräsident Francesco Saverio Nitti (1869–1953) übermittelt.

Die aus dem unweit von Trient gelegenen Dorf Sopramonte stammende und nach 1919 immer mehr in Geldnöte geratene Frau wandte sich an den befreundeten Anarchokommunisten und Sekretär der Gewerkschaft Unione sindacale italiana (USI) Armando Borghi (1882–1968). Sie bat ihn innigst, ihr eine Kopie des beim Notar Camillo Tappati in Turin hinterlegten notariellen Beurkundung Nr. 41.431 zu besorgen – was dieser auch tat. In diesem Notariatsakt stand klar und deutlich: „Ich erkläre hiermit, ungefähr zwei Jahre, von 1914 ab, mit Herrn Benito Mussolini ehelich gelebt zu haben, von dem ich einen Sohn besitze, der durch seinen Vater rechtlich anerkannt wurde und als solcher im Standesamt zu Mailand eingetragen ist. […]“

„Ich bin verloren, weil sie etwas bemerkt haben...“

Weiter steht in dieser in italienischer Schrift verfassten Notariatserklärung: „[…] Mussolini hat mir gesagt, dass er viel Geld hat. Ich erinnere mich, wie er damit umgegangen ist. Bevor er im November 1914 nach Genf gefahren ist, erzählte mir Mussolini von dem Angebot einer Million Francs, die ihm eine französische Persönlichkeit angedient hatte, deren Namen ich jedoch vergessen habe, unter der Bedingung, dass die Zeitung Il Popolo d’Italia energisch für den Eintritt Italiens in den Krieg und gegen die Feinde dieser Intervention kämpfe. Nach seiner Rückkehr fragte ich ihn, ob das Geld, das er mir vorwies aus dem Angebot stammte, von dem er mir erzählt hatte. Er antwortete, dass es aus Frankreich sei. Er wollte mir einen Brillanten spendieren, den ich abgelehnt habe. Ich erinnere mich, dass die Reise Mussolinis nach Genf in den sozialistischen Kreisen Mailands Anlass zu vielen Kommentaren gab. Er zeigte sich besorgt und sagte mir: Ich bin verloren, weil sie etwas bemerkt haben. Aus diesem Grund beschloss Mussolini nicht ins Ausland zu fahren, da seine Reisen ins Auge fielen. Dazu beschäftigte er Udo Clerici und Manlio Morgagni, um das Geld zu wechseln und andere Geschäftshandlungen zu erledigen. Ich erinnere mich, dass die Lebensverhältnisse von Clerici und Morgagni, bevor sie Mussolini kennengelernt hatten, nicht gut waren. Nach ihrer Rückkehr aus dem Ausland lebten sie in Luxus. Laut dem, was mir Mussolini gesagt hat, hat Ugo Clerici in Varese auch eine Villa erworben. Er wiederholte mir mehrmals die französische Herkunft des Geldes. Ich bin bereit, diese Erklärung wann auch immer und vor jedermann, auch unter Eid, zu wiederholen. […]“

 

  • Anthropometrische Signalelementskarte, angefertigt anlässlich der Verhaftung Benito Mussolinis durch die Genfer Polizei am 11. April 1904 (Schweizerisches Bundesarchiv Bern) Bild: Effekt Verlag.

Die schöne Welschtirolerin Ida Irene Dalser wusste zu viel. Darum hat man sie 1926 in die Nervenheilanstalt von Pergine gesteckt und von dort in eine solche Anstalt auf der Insel San Clemente bei Venedig eingewiesen. Es war nicht der einzige Fall von Zwangseinweisung in die Psychiatrie unangenehmer Personen. Laut der Zeitung L’Adige vom 2. November 2019 und italienischen Forschungsstudien zufolge sollen in jener Zeit mindestens 375 Antifaschisten in psychiatrische Kliniken überstellt worden sein. Von diesen, im Eilverfahren in die Nervenheilanstalten abgeschobenen Regimekritikern, fielen 122 der „Euthanasie“ zum Opfer.

Gegen die schöne Frau intrigierten von allem Anfang zwei wegen ihrem ungezügelten Hass gegen alles Deutsche in Südtirol bekannte Oberfaschisten der ersten Stunde: der in Bozen niedergelassene ehemalige Radikalsozialist und nachmalige Sozi-Vertilger und Regionalsekretär der faschistischen Gewerkschaften Cesare Augusto Berti aus Potenza und der Südtirolhasser und Präfekt der Venezia Tridentina Giuseppe Guadagnini (1876–1966) aus Brescia.

  • Giulio Bernardi, Fondazione Museo storico del Trentino (Bild: Effekt Verlag).

Ida Dalser starb im Alter von 57 Jahren in Venedig am 3. Dezember 1937. Das Sorgerecht für ihren Sohn Benito Albino wurde ihr bereits am 1. März 1927 durch einen Erlass des Gerichtsvorstehers von Vezzano Norbert Gilli – bekannt seit dem Bozner Blutsonntag 1921 – wegen verschlimmerter psychischer Erkrankung entzogen. Als Beistand des Kindes hatte der Richter den Faschisten und ehemaligen Polizeichef von Sopramonte (TN) Giulio Bernardi eingesetzt. Benito Albino starb 1942 im jungen Alter von 26 Jahren in der Heilanstalt Mombello bei Limbate (Mailand) an den absichtlich verabreichten Unmengen an Insulinspritzen.“

Der obige Auszug stammt aus dem 1. Teil, Kapitel 10 „Geld wie Heu, das nur abzuholen war“ des Buches „Der Marsch auf Bozen“ des Bozner Publizisten Günther Rauch, der sich seit Jahren mit der Erforschung der vergessenen oder vertuschten faschistischen Verbrechen in Südtirol beschäftigt.

Rauch, Günther: Der Marsch auf Bozen. Wie der Fall Südtirol Mussolini und Hitler Lust auf mehr machte. Neumarkt, Südtirol: Effekt! Verlag. 2022.
ISBN: 978-8-89-705398-9

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