von hm 28.04.2021 20:56 Uhr

Wo Tiroler Geschichte in einer Sperrzone verfällt

Viel ist in unserem Land an geschichtsträchtigen Gebäuden und Stätten schon verloren gegangen. Wo heute nicht der Tourismus die Dörfer verunstaltet hat, bemächtigt sich falschverstandener Fortschritt der Ortsbilder unseres Heimatlandes. Ein besonderer Fall von Denkmalverlust spielt sich schon seit Jahren in Lueg, drei Kilometer vom Markt Brenner entfernt, ab.

Lueg im Unteren Wipptal. (Foto: UT24/privat)

Das idyllische Örtchen Lueg kennt wohl jeder, der einmal durch das Wipptal gefahren ist, wegen seines malerisch gelegen Kirchleins an der Sill, tief unterhalb des Autobahnviadukts. Nur einige hundert Meter vom ruhigen Brennersee entfernt tobt seit Jahren ein Streit um den Fortbestand des historischen Ensembles, das seit dem Mittelalter den Reisenden durchs Wipptal erfreut.

2016 erwarb der gebürtige Bozner Juri Vonmetz das Widum neben der Kapelle von Sankt Sigmund und Christof. Seine Motivation gründete im Denkmalschutz, erzählte er UT24. Das Widum war in einem tristen Zustand und dem Verfall preisgegeben. Vonmetz wollte das inzwischen denkmalgeschützte Kulturgut wieder authentisch herrichten. Worauf er sich eingelassen hatte, sollte sich jedoch erst in den kommenden Jahren herausstellen. Die Gemeinde Gries hatte das Gelände 2012 zum Sperrgebiet erklärt und das jahrhundertalte Widum zum Abriss freigegeben.

  • Das baufällige Widum in Lueg. (Foto: UT24/privat)

Die Geschichte

Die Urkunden berichten von einer Stiftung Kaiser Friedrichs III. im Jahre 1443 und Herzog Siegmunds von Tirol 1449 für die „Kapelle des Hl. Siegmund und Christof am Lueg“ an der Stelle, wo einst die Zollstätte „Am Lueg“ gestanden war. Bereits im Herbst 1449 trat der erste Kaplan dort seinen Dienst an, der auch einen Wohnsitz benötigte: das besagte Widum. Zum Vergleich: Brenner erhielt erst 1707 ein solches, der heutige Gemeindesitz Gries gar erst 1793.

Zum Ensemble von Lueg gehörte auch ein Gasthaus. Zu seinen Gästen gehörte seinerzeit auch Andreas Hofer und Maréchal Lefebvre, der die Zollstätte im Jahr des Volksaufstandes 1809 niederbrennen ließ. Noch in den 1960er Jahren speiste man in Erinnerung an die Jahrhunderte dort bestens. Heute steht an derselben Stelle ein Gewerbegebiet, wo Bagger und Lkw stauben. Das Gasthaus verschwand vor wenigen Jahren still und heimlich.

  • Das einstige Gasthaus von Lueg, im Hintergrund die Kapelle. (Sammlung Risch-Lau, Vorarlberger Landesbibliothek/CC-BY-4.0)

Die Zukunft

Nichts war in den Jahren seit Abrissbescheid geschehen. Das Bundesdenkmalschutz intervenierte. Die Anrainer feierten noch vor Corona Messen im Kirchlein, Wanderer kamen und fotografierten es, Kameraleute drehten für einen Spielfilm, Beamte und Ingenieure besuchten die vermeintliche Steinschlagzone. Lediglich Besitzer Juri Vonmetz durfte nicht mehr zum Widum. „Seit Jahren liegt hier das Holz für die Sanierung des Dachstuhls herum, aber ich darf das Grundstück nach wie vor nicht betreten. Die Gemeinde verbietet es mir“, erklärte er gegenüber UT24.

Inzwischen gab es im Zuge der Luegbrücken-Sanierung (UT24 berichtete) Angebote vonseiten der Asfinag, den Hang zu sichern. Auch das Bundesdenkmalamt, das eine Unterschutzstellung eingeleitet hat, glaubt an eine Lösung, das gotische Ensemble wieder zugänglich zu machen. Dennoch befürchtet die Gemeinde für Hauseinsturz und Steinschlag haftbar gemacht zu werden.

Eine Petition fordert nun die Anbringung eines Steinschlagschutzes und eine Ausnahmegenehmigung, um die einst bedeutsame Zollstätte an der Brennerstraße zur Sanierung zugänglich zu machen.

Falls der Streit sich fortsetzen sollte, so empfiehlt sich jedenfalls, bei der nächsten Fahrt über den Brenner einen Blick auf den Ortsteil zu werfen. Vielleicht werden vom Widum und seiner Geschichte nur mehr Trümmer übrig sein. Dann wird auch die hübsche Kapelle irgendwann für immer vom wuchernden Bergwald verschlungen und in Vergessenheit geraten.

  • Das gotische Kirchlein von Lueg. (Archiv/pixabay)
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  1. karo6
    29.04.2021

    Ein sehr idyllisches Plätzchen 🏕

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