von apa 17.05.2017 01:00 Uhr

Brandstetter von Van der Bellen als Vizekanzler angelobt

Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) ist am Mittwoch in der Früh von Bundespräsident Alexander Van der Bellen als neuer Vizekanzler angelobt worden. Zudem wurde Harald Mahrer als neuer Wirtschafts- und Wissenschaftsminister vereidigt. Die Regierungsumbildung war nach dem Rücktritt Reinhold Mitterlehners notwendig geworden. Van der Bellen appellierte an die staatspolitische Verantwortung.

APA

Der Bundespräsident räumte am Tag nach der Einigung der Parteien auf einen Termin für die vorgezogene Nationalratswahl ein, dass er zu einem “gewissen Grad” nachvollziehen könne, dass es für die beiden Koalitionspartner “nicht einfach ist, bis zum Wahltag weiterzuarbeiten, als wäre nichts geschehen”. Die Bevölkerung erwarte sich aber zu Recht, dass die amtierende Regierung bis zum Wahltermin ihre Aufgaben wahrnimmt. Es brauche somit von allen Parteien “ein gerüttelt Maß an staatspolitischer Verantwortung”, der “September 2008” solle sich “budgetär nicht wiederholen”, betonte Van der Bellen bei der Angelobung in der Hofburg. Auch müsse man das Ansehen Österreichs in Europa und der Welt im Auge behalten.

Aufgabe des Bundespräsidenten sei es, gerade in turbulenten, schwierigen Zeiten darauf zu achten, dass die Stabilität und die Gesamtinteressen des Landes nicht aus dem Auge verloren werden. Van der Bellen bekräftigte weiters, dass er sich Respekt und Wertschätzung im Wahlkampf erwartet.

Als erster traf Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) in der Präsidentschaftskanzlei ein, bevor Brandstetter und Mahrer Punkt 9 Uhr in Begleitung des neuen designierten ÖVP-Obmanns Sebastian Kurz und ihren Mitarbeitern kamen. Auch die Eltern des neuen Wirtschafts- und Wissenschaftsministers waren dabei. Van der Bellen wünschte beiden für ihre Aufgaben “Alles Gute”, bevor Brandstetter und Mahrer ihre Bestellung mit der Gelöbnisformel “Ich gelobe”, Handschlag und Unterschrift bekräftigten. Neben zahlreichen Handyfotos und einem Gruppenbild in neuer Konstellation ging es dann für alle hinter die berühmte Tapetentür.

Der neue Vizekanzler Wolfgang Brandstetter rechnet damit, dass die Koalition “noch einiges” umsetzen wird. Der von Bundespräsident Van der Bellen eingemahnten staatspolitischen Verantwortung sei man sich jedenfalls bewusst, erklärte er gegenüber Journalisten nach dem Termin.

Dass sich die SPÖ ursprünglich gegen seine Bestellung zum Vizekanzler gewehrt hat, irritiere Brandstetter “überhaupt nicht”. Es sei schließlich verständlich , dass das Ende der Regierungsarbeit nicht ganz friktionsfrei ablaufe.

Brandstetter traf sich bereits Dienstagabend mit dem Bundespräsidenten zu einem Gespräch. Dass seine neue Rolle als Vizekanzler “nicht einfach” wird, räumte der Justizminister im Ö1-“Morgenjournal” am Mittwoch ein: “Ich bin so eine Art Vermittler zwischen den Fronten. Das wird eine Pendelmission und kein Spaziergang.”

Dass sich die Parlamentsnacht vom 24. September 2008 knapp vor der damaligen Nationalratswahl nicht wiederholen soll, sei klar. Nun will der neue Vizekanzler sachlich besprechen, welche Projekte noch umgesetzt werden können. Er sei “nicht euphorisch”: “Aber sicher werden wir noch einiges zustande bekommen. Lassen Sie sich überraschen.” Primär sollen jene Themen angegangen werden, die auch realisierbar erscheinen. Welche das sein könnten, ließ der Justizminister offen und verwies auf Gespräche in den nächsten Tagen.

Brandstetter will einen “Kassasturz” für die noch ausstehenden Regierungsprojekte. Offen ließ er ein Antreten bei der vorgezogenen Nationalratswahl, mit dieser Frage habe er sich noch nicht beschäftigt, so der parteifreie Justizminister.

Brandstetter führte am Mittwoch im Parlament ein “sehr konstruktives” Gespräch mit Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ). Erfreut zeigte sich der Vizekanzler außerdem über die vier gemeinsamen Anträge im Nationalrat, darunter die Forschungsquote und die Staatszielbestimmung für den Wirtschaftsstandort. Die Frauenquote in den Aufsichtsräten hingegen sei zurückgestellt worden, da noch legistische Details zu klären seien, so der Justizminister. Offen sei etwa, ob die Vorgabe auch für die Arbeitnehmervertreter gelten soll.

Nun soll mit der SPÖ geklärt werden, welche Projekte noch gemeinsam umgesetzt werden können, bekräftigte Brandstetter. Auf konkrete Themen wollte er dabei nicht eingehen, auch nicht auf Zahlenspiele, wie viele es noch seien. Nicht abschreiben wollte er daher auch die Bildungsreform. Er räumte aber ein, dass es sich hierbei um ein wesentlich komplexeres Thema als etwa die Erhöhung der Studienbeihilfe handelt. Auch bei der vorerst gescheiterten Gewerbeordnung soll nun besprochen werden, was noch möglich ist, betonte der Vizekanzler.

Aus seinem Justizressort befinde sich das Paket zur Strafprozessordnung (StPO) mit einer Nachfolgeregelung zur früheren Vorratsdatenspeicherung in Abstimmung mit dem Koalitionspartner. Mit der Möglichkeit zur Überwachung von Whatsapp und Skype soll eine “Lücke” bei der Telefonüberwachung geschlossen werden. Fertig wäre aus seiner Sicht auch eine Reform des Privatstiftungsrechts. Unerledigt sei noch etwa das Fremdenrecht oder das Sicherheitspolizeigesetz.

Jetzt gebe es jedenfalls eine neue Situation, in der die Regierungsarbeit “abgewickelt” werden soll, eine Art “Kassasturz”, in der es ausschließlich um die sachpolitische Umsetzung gehe, so Brandstetter. Daran sei auch Bundeskanzler Kern gelegen, berichtete der Vizekanzler und sieht gute Chancen zur Umsetzung. Nächste Woche soll ein weiteres Gespräch der beiden stattfinden, zumal noch nicht alle Themen besprochen wurden, so etwa der Mindestlohn und die Arbeitszeitflexibilisierung. Brandstetter ist generell der Meinung, das Potenzial der Regierung sei nicht voll ausgeschöpft worden und vieles im Streit untergegangen: “Es war wirklich oft zum Mäusemelken.”

Jetzt soll jedenfalls Chaos verhindert werden und dieser Aufgabe sieht er sich gewachsen. “Das ist kein Neustart, sondern eine Erledigung”, stellte Brandstetter fest. Die Koordinierung werde es weiterhin geben, auch wurden laufende Gespräche mit Kern vereinbart. In Abstimmung sei er natürlich auch mit dem neuen ÖVP-Obmann und Außenminister Sebastian Kurz. Der neue designierte ÖVP-Chef hatte erklärt, er wolle die SPÖ im Nationalrat nicht überstimmen. Was passiert wenn die SPÖ dies tut, ließ Brandstetter offen und verwies auf Kurz. Überhaupt hält er diese Überlegungen für überschätzt, zumal es nun ohnehin schon die Neuwahl gebe: “Was soll passieren?”

Von der Frage nach einer etwaigen Kandidatur bei der Nationalratswahl zeigte sich der parteifreie Minister “überrascht”: “Mit der Frage habe ich mich noch nicht beschäftigt.” Dass er den Posten des Vizekanzlers übernimmt, dazu habe er sich nach einem längeren Telefongespräch mit Kurz entschieden. Für die Aufgabe werde er nun ein, zwei zusätzliche Mitarbeiter brauchen. Er selbst betonte: “Sie haben einen Vizekanzler vor sich ohne politische Ambitionen.” Warum er sich diesen Job nun überhaupt antut, wurde er auch gefragt und erklärte: “Besonders schwierige Aufgaben haben mich immer ganz besonders gereizt.”

Jetzt
,
oder
oder mit versenden.

Es gibt neue Nachrichten auf der Startseite