von red 04.09.2015 18:30 Uhr

Königspitze: Zeitkapsel von vor 100 Jahren

Auf der Königspitze in der Ortlergruppe befindet sich die höchste archäologische Fundstelle Europas. Eine Baracke aus dem Ersten Weltkrieg steht unmittelbar unter dem Gipfel, unter ihr gähnt die 600 Meter tiefe Nordwand. Die Klimaerwärmung gefährdet das Gebäude, das nach diesem extrem heißen Sommer abzustürzen droht. Nun ist das Denkmalamt eingeschritten.
Die Baracke auf der Königspitze (3851m) im Spätsommer 2015. Photo: Hermann Taber - Schenna

Die Königspitze ist der zweithöchste Berg Süd-Tirols nach dem Ortler und war somit auch der zweithöchste Berg Österreich-Ungarns. Ihre Alpingeschichte begann schon 1854, als der bayerische Kapuzinerpater Stephan Steiberger im Alleingang erstmals den Gipfel erreichte.

Im Ersten Weltkrieg blieb die Königspitze lange unbeachtet, erst im Frühling 1917 beschloss die österreichisch-ungarische Heeresleitung die Besetzung des Gipfels. Kurz darauf besetzten italienische Truppen den nahen Suldengrat und alle südwestlich gelegenen Höhen.

Sommer 1918

Bis zum Sommer 1918 wurde der Weg zur Königspitze so ausgebaut, dass auch alpin nicht erfahrene Personen den Gipfel sicher erreichen konnten. Die Besatzung bestand aber aus jungen Standschützen und Bergführertruppen. Die Gipfelbaracke der Königspitze befand sich damals in einer Gletscherspalte, stand halb auf Fels und halb auf Eis, sie bot Platz für 30 Mann und 4 Offiziere. Die Stellung wurde damals über mehrere Seilbahnen vom Tal aus versorgt, auch ein kleines Geschütz war dort in Stellung.

Zeitkapsel

Der Zusammenbruch Österreich-Ungarns, Anfang November 1918, kam für die Soldaten in den Höhenstellungen völlig überraschend. Man hatte sich bereits auf einen weiteren Kriegswinter eingestellt. Nur unter Mitnahme ihrer persönlichen Habseligkeiten verließen die Verteidiger die Königspitze, kurz darauf wurde alles eingeschneit.

Während der schweren Jahre nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Königspitze nicht bestiegen, die Natur holte sich wieder, was der Mensch ihr in mühsamer Arbeit abgetrotzt hatte. Die Baracke auf dem Gipfel geriet in Vergessenheit und füllte sich im Laufe der Jahre bis unter die Decke mit Eis. Eingefroren, wie in einer Zeitkapsel, hat sich dort der Zustand vom 4. November 1918 erhalten.

Globale Erwärmung

Die Baracke befand sich im Inneren der sogenannten Schaumrolle, eines Hängegletschers, der vom Gipfel ausgehend, weit über die Nordwand hinausragte und zuletzt im Jahr 2001 abgebrochen ist. Auf Grund der gestiegenen Temperaturen bildet er sich nicht mehr nach. Seitdem steht die Königspitzenhütte an der Oberfläche, halb im Eis und halb auf Fels und ist mit dem Fernrohr an klaren Tagen vom Tal aus zu erkennen. Schreitet die Erwärmung fort, muss in absehbarer Zeit mit dem Absturz dieses Denkmals gerechnet werden.

Begehrlichkeiten

Militaria aus dem Ersten Weltkrieg erzielen auf dem Schwarzmarkt immer höhere Preise, in der Ortlergruppe spürt man besonders den Druck lombardischer Sammler und Händler, die an den sehr gut erhaltenen Funden interessiert sind. Das Landesdenkmalamt arbeitet deshalb schon seit einiger Zeit mit dem Ortler Sammlerverein 1. Weltkrieg zusammen, um den Raubbau an den Resten der Gebirgsfront zu verhindern.

Das Denkmalamt schreitet ein

Wie die RAI heute berichtete, hat das Amt für Bodendenkmäler nun angeordnet, im Zuge eines ersten Projektes die erhaltenen Kriegsreste auf der Königspitze zu bergen und die Baracke zu vermessen. In den kommenden Jahren soll sie geöffnet und deren Inhalt dokumentiert und abtransportiert werden.

Ab nun steht die Königspitze unter ständiger Beobachtung, damit die höchste Fundstelle Europas auch in Zukunft allen eine Mahnung bleiben kann.


 

 

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