von apa 02.12.2016 10:57 Uhr

“Mädl” in der Josefstadt: Schottenbergs gelungenes Comeback

Mit einer luftigen wie lustigen und jedenfalls soliden Inszenierung von Nestroys “Mädl aus der Vorstadt” kehrt der ehemalige Volkstheaterdirektor Michael Schottenberg am Theater in der Josefstadt aus der Pension zurück. Seine gestraffte Deutung der Posse verortet er weder krampfhaft im Heute noch im Gestern, sondern setzt auf die ungebrochene Kraft von Nestroys Sprache und grandiose Schauspieler.

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Die ersten Lacher hat die Inszenierung, die Donnerstagabend Premiere feierte, schon in der ersten Szene auf ihrer Seite, wenn Michou Friesz als 27-jährige Witwe Frau Erbsenstein auf einem Stuhl stehend ihr überlanges Hochzeitskleid anpassen lässt und sich der zunächst unsichtbare Gesprächspartner als sich unter dem Rock befindlicher Schneider Dragoljub entpuppt, den Schottenberg an die Stelle des Stubenmädchens Nanette gesetzt hat. Wie die 54-jährige Friesz in breitem Wienerisch da über Falten oder Nicht-Falten räsoniert, ist die erste von vielen Freuden an diesem knapp zweieinhalbstündigen Abend, der durchgehend davon lebt, dass Schottenberg niemandem krampfhaft etwas zu beweisen wollen scheint. Es ist eine liebevolle Fingerübung eines Nestroy-Experten, dem man die Freude an der Sache in jeder Szene ansieht.

Und so geht es Schlag auf Schlag weiter, wenn Martin Zauner als gönnerhafter und seinen Trieben verfallener Spekulant Kauz die Bühne betritt und die auf ihren sich verspätenden Verlobten wartende Erbsenstein zu kalmieren versucht. Da ist der wahre Star des Abends jedoch noch gar nicht aufgetreten: Thomas Kamper als Winkelagent Schnoferl bringt schließlich ordentlich Bewegung in die Szene, wenn er einerseits selbst schwer verliebt in die Witwe, aber auch als stets das Geschäft im Kopf habender Strippenzieher die losen Enden des Beziehungschaos’ in die Hand nimmt. Bei so vielen Charakterdarstellern hat es Matthias Franz Stein als untreuer Bräutigam Gigl dann sichtlich schwer, sich zu positionieren. Schottenberg lässt ihn als mehr als latent verhaltensauffälligen Jüngling durch die Szene poltern, was mitunter etwas aufgesetzt wirkt.

Bühnenbildner Hans Kudlich hat für die Szenen im wohlhabenden Wiener Haushalt Kauz einen großzügigen Salon mit zahllosen Türen geschaffen, durch die – nicht immer motiviert – freudig auf- und abgegangen wird. Die Türen tun ihren Dienst dann schließlich, wenn sich die Handlung in die Vorstadt mit ihren niedrigen Decken verlagert: Im Hause Knöpfel, dessen Hausherrn Schottenberg in Saftl (Siegfried Walther) umbenannt hat, gibt man sich hier gar nicht den Anschein, dass es sich bei den zahlreichen leicht bekleideten Damen, die hinter ihren jeweiligen Türen ihre kleinen Zimmer bewohnen, um Näherinnen handelt. Saftls Schwester Storch ist eine füllige, quirlige Puffmutter (Susanna Wiegand), die ihre Mädels (u.a. Danny Krausz als Rosel, Josephine Bloeb als Sabine oder Natalie Heilinger als Salome) fest im Griff hat.

Das schüchterne Mädl aus der Vorstadt, die heftig umworbene Thekla, gibt Daniela Golpashin sehr zurückgezogen und geheimnisvoll. Man mag ihr gar nicht glauben, dass sie Gefallen am hyperaktiven Lackaffen Gigl gefunden hat. Ihre Liebe ist in jeder Sekunde abhängig vom Wohlwollen der verschmähten Braut Erbsenstein und den gefinkelten Schachzügen Schnoferls. Zwischen den beiden wird auch der tollpatschige, kauzige Martin Zauner hin- und hergetrieben, der schließlich im letzten Akt zum großen Showdown in sein luftiges Sommerhaus lädt.

Spekulanten, Intrigen und Betrug – das sind zeitlose Motive, die man nicht extra in der Gegenwart spiegeln muss. Und so endet ein rasanter, luftiger Abend, dessen Bissigkeit auch fernab der bluesigen Couplets, die von einer vierköpfigen Band im Orchestergraben begleitet werden, über die Rampe kommt, turbulent. Die große Aufmerksamkeit auf Nestroys Wortwitz trägt maßgeblich zum Gelingen des Abends bei, die leidenschaftliche Interpretation des schrägen Personals durch Friesz, Zauner und Kamper ist eine Freude, die das Publikum in herzlichem Applaus zum Ausdruck brachte.

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