Rupert Gietl

04.12.2015

TTIP & Tirol – Teil 2

Nachdem wir unsere EU-Abgeordneten Graswander-Hainz und Dorfmann im ersten Teil zum Investorenschutz, den Geheimverhandlungen und zur nötigen Transparenz befragt haben, geht es nun um mögliche positive und negative Auswirkungen des Abkommens, sowie um die Gretchenfrage, ob sich die beiden Mandatare zum heutigen Zeitpunkt eine Zustimmung zu TTIP vorstellen könnten.

Teil 2 von 2 über eine der wichtigsten Zukunftsfragen der Europapolitik.

Karoline Graswander-Hainz und Herbert Dorfmann.

TTIP steht für Transatlantic Trade and Investment Partnership (Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft) und ist den meisten EU-Bürgern als Schlagwort bekannt. Verhärtet scheinen die Fronten zwischen Befürwortern, die vor allem in den Reihen der Wirtschaft und der Regierungen zu suchen sind und den Gegnern, die sich in der Zivilgesellschaft formieren.

Für Tirol sitzen derzeit zwei Abgeordnete im europäischen Parlament:

  • Zum einen die Sozialdemokratin Karoline Graswander-Hainz, u.a. Mitglied im Ausschuss für internationalen Handel,
  • zum anderen der Christdemokrat Herbert Dorfmann, u.a. Mitglied des Ausschusses für ländliche Entwicklung.

Teil 1

Die beiden Mandatare haben uns im ersten Teil unserer Serie ausführlich über den aktuellen Stand der Verhandlungen informiert und dabei ihre jeweilige Sichtweise zu den Themen Transparenz, Vertraulichkeit und Investorenschutz dargelegt.

Beide sehen eine Lösung für das problematische System der privaten Schiedsgerichte in der Etablierung eines permanenten internationalen Handelsgerichtshofes mit professionellen unabhängigen RichterInnen. Abgeordnete Graswander-Hainz kritisiert, dass in den Verhandlungen bisher nur von Investorenrechten, aber noch nie von Investorenpflichten (Sozial- und Umweltstandards) die Rede gewesen sei.

Herbert Dorfmann glaubt, dass nicht nur den EU-Abgeordneten, sondern allen Parlamentariern in den Mitgliedsstaaten Einsicht in die Verhandlungsunterlagen gewährt werden sollte. Allerdings liege es an den nationalen Regierungen, dafür zu sorgen.

Teil 2

Im folgenden 2. Teil unserer Serie haben die beiden Mandatare Gelegenheit, mögliche positive oder negative Aspekte von TTIP herauszustreichen und zu erklären, was sie persönlich unbedingt vermeiden, aber auch unbedingt durchsetzen wollen.

Soviel darf verraten werden: Entsprechend der generellen Einstellung ihrer Fraktionen, S&D und EVP, ist die Abgeordnete Graswander-Hainz überwiegend skeptisch, während der Abgeordnete Dorfmann eher bereit wäre, auf die positiven Seiten des Abkommens zu bauen.

Eines ist aber für beide klar: Sollte es ihnen nicht gelingen, ihre jeweiligen Agenden in den Vertrag einfließen zu lassen, werden sie gegen TTIP stimmen.

Lesen Sie im Folgenden die Stellungnahmen unserer Tiroler EU-Parlamentarier ungekürzt und im Original:


 

UT24: Mögliche positive Aspekte des Abkommens sind in der Diskussion in den Hintergrund getreten. Was können Sie einem Freihandelsabkommen mit den USA abgewinnen?

Karoline Graswander-Hainz

Karoline Graswander-Hainz

Folgende positive Aspekte werden häufig von den TTIP-BefürworterInnen angeführt. Dennoch muss betont werden, dass auch diese Behauptungen mit äußerster Vorsicht zu genießen sind, denn am Ende kann eine Bewertung über positive oder negative Auswirkungen nur dann stattfinden, wenn der endgültige Text vorliegt:

Bei den nicht-tarifären Handelshemnissen gilt es zu beachten, dass der Außenhandel der EU mit den USA eigentlich zufriedenstellend ist. Viele Exporteure berichten jedoch, dass es immer wieder zu Problemen kommt, da unterschiedliche technische Vorschriften, Normen und Standards bestehen, aber auch weil die Zölle in einigen sensiblen Bereichen sehr hoch sind. Positive Auswirkungen könnte es demnach für die Exportwirtschaft bringen, da niedrigere Zölle eingehoben werden.

Weniger Bürokratie bei Zulassungsverfahren könnte möglicherweise eine positive Wirkung sein, da sich bislang einige Betriebe (vor allem auch mittelständische) die Ausfuhr aufgrund der hohen Kosten nicht leisten können.

Durch das Abkommen könnte auch mehr Auswahl an Produkten für die VerbraucherInnen entstehen.  Bei der Standardsetzung könnte die Europäische Union Einfluss in der globalen Welt nehmen, und folglich globale Standards setzen und den weltweiten Handel vereinfachen.

Arbeitsplätze: hier sind die Ergebnisse diverser Studien gespalten. Die BefürworterInnen behaupten, es werden viele zusätzliche Arbeitsplätze entstehen, die KritikerInnen erinnern an NAFTA und den damit einhergehenden Arbeitsplatzverlust für viele ArbeitnehmerInnen.

Auch folgende negative Auswirkungen könnten zu Tage treten:

Grenzüberschreitende Mobilität von natürlichen Personen zur Erbringung von Dienstleistungen: Durch weitere Liberalisierungen in diesem Bereich bestünde die Gefahr, dass nationales Arbeitsrecht und Tarifvertragsbestimmungen verletzt werden könnten. Unternehmen könnten Standorte mit niedrigen Produktions- und Lohnkosten wählen. Das würde wahrscheinlich bedeuten, dass bei grenzüberschreitenden ArbeitnehmerInnen nicht dieselbe Arbeits- und Sozialgesetzgebung gelten würde, wie in ihrem Entsendeland. Das würde zusammengefasst heißen, dass Arbeits- und Sozialstandards an der Grenze halt machen.

Öffentliche Daseinsvorsorge: diese ist laut Kommission von den Verhandlungen ausgenommen. Doch wer garantiert uns, dass dies der Wahrheit entspricht. Privatisierungen in diesem Bereich könnten zu höheren Preisen und schlechterer Qualität der Daseinsvorsorge führen. Nicht mehr der Staat wäre dann für diese Dienstleistungen verantwortlich, sondern private Investoren.

KonsumentInnenschutz: die Frage, die sich hier stellt, ist, ob sich die USA den hohen europäischen Standards anpassen wird. Sollte dies nicht der Fall sein, so könnte eine Harmonisierung in den Bereichen Lebensmittelsicherheit, Gesundheit, etc. negative Auswirkungen auf die KonsumentInnen haben.

Nachhaltigkeit: es ist zwar ein Nachhaltigkeitskapitel vorgesehen, doch bei Nichteinhaltung ist kein Sanktionsmechanismus vorgesehen. Die USA haben auch nicht alle ILO-Kernarbeitsnormen (ILO = International Labour Organization) unterzeichnet. So ist es in den Vereinigten Staaten etwa verboten, Gewerkschaften zu gründen oder Kollektivverträge mit zu verhandeln. Da keine Sanktionen geplant sind, bleiben Verstöße bei ArbeitnehmerInnen- und/oder Sozialstandards unbestraft, und können im Umkehrschluss zu Lohn- und Sozialdumping führen.

Fakt ist und bleibt, dass nach wie vor der volle Einblick in die Verhandlungen fehlt, aus diesem Grund sind genaue Prognosen äußerst schwierig bis unmöglich. Es fehlt ein seriöses Impact-Assessment (Nachhaltigkeitsprüfung – Anm. d. Red.).

Wir SozialdemokratInnen stehen zwar für freien Handel, doch nicht um jeden Preis.

Die Abkommen, egal ob TISA, TTIP oder CETA müssen im Interesse der BürgerInnen sein und nicht im Interesse der Großkonzerne und der Industrie.


Herbert Dorfmann:

Herbert Dorfmann

Der Handel Europas mit den USA ist bereits heute der weitaus wichtigste weltweit und diese Handelsroute wird auch die weiterhin bestehen, TTIP hin oder her.

Die Frage ist nur, wie sich Handelsbeziehungen langfrisitg entwickeln.

Die USA haben gerade eine Handelabkommen mit den Staaten im Pazifik abgeschlossen. Das ist einer der wirtschaftich aktivsten Räume der Welt und es ist klar, dass die größte Handelsroute der Welt in wenigen Jahren nicht mehr der Atlantik, sondern der Pazifik sein wird.

Wenn wir dem tatenlos zuschauen, dann werden wir immer mehr isoliert dastehen oder wir müssen unseren Handel mit anderen Ländern intensivieren wie etwa China.

Mit den USA trennen uns mache Regeln und Standards, aber wir sind uns ungleich näher als etwa mit China oder Indien.

Ich jedenfalls habe keine Lust auf Lebensmittelimporte aus China. Mit den USA haben wir eine wirkliche Chance, hohe gemeinsame Standards in vielen Bereichen zu entwickeln, die dann zum weltweiten Vorbild werden.

Man tut bei uns manchmal so, als wären die Standards in den USA immer schlechter als in Europa. Das mag für manche Bereiche so sein und da sind wir im EP sehr darauf aus, unsere Standards durchzusetzen. Aber spätestens seit dem VW Skandal haben hoffenlich alle gesehen, dass auch in Europa nicht alles Gold ist.

Im Bereich vieler Umweltstandards tun wir gut daran, über den großten Teich zu blicken und zu schauen, wie Standards dort gesetzt und vor allem durchgesetzt werden.

TTIP birgt die Gefahr eine Angleichung nach unten und die Chance einer Angleichung nach oben.

Wenn es uns gelingt, von beiden Ökonomien den besseren Teil zu verteidigen, hat das Ganze einen Sinn und sonst sollte man es bleiben lassen.


 

UT24: Würden Sie dem Abkommen nach dem momentanen Informationsstand zustimmen?

Karoline Graswander-Hainz

Karoline Graswander-Hainz

Nach derzeitigem Informationsstand würde ich nicht nur TTIP sondern auch CETA ablehnen.

Dass es der SPÖ-Delegation im Europäischen Parlament damit ernst ist, hat diese bereits bei der TTIP Resolution, die im Juli 2015 abgestimmt wurde bewiesen. Die SPÖ-Abgeordneten haben gegen die Resolution gestimmt, da diese unsere roten Linien überschritten hat:

Einschränkung der Befugnisse der Parlamente (regulatorische Kooperation):

Bei der regulatorischen Kooperation handelt es sich um einen Mechanismus, der gemeinsame Regulierungen der EU und der USA zum Ziel hat. Hier ist zu befürchten, dass nicht nur Qualitätsstandards gesenkt, sondern auch demokratisch gewählte Gesetzgeber ausgehebelt und neue Gesetze im Sinne der BürgerInnen ver- oder behindert werden könnten.

Ein derartiges Instrument lehnen wir ab.

Liberalisierungsdruck (Positivliste statt Negativliste):

Bislang war in Handelsabkommen üblich, eine so genannte Positivliste zu verwenden. Das bedeutet, dass nur jene Dienstleistungen liberalisiert werden dürfen, die ausdrücklich aufgelistet sind. Bei Negativlisten ist der Fall genau umgekehrt – alles was nicht aufgelistet wird, kann liberalisiert werden. Dies stellt jedoch eine Gefahr für künftige und/oder neue Dienstleistungen dar und würde höchstwahrscheinlich zu einem Qualitätsabfall, Lohn- und Sozialdumping sowie zu höheren Preisen führen.

Private ISDS-Geheimdeals:

Die privaten ISDS-Geheimdeals werden von uns SozialdemokratInnen vehement abgelehnt. Wir fordern ordentliche Gerichte, Öffentlichkeit, Berufungsinstanzen, professionelle unabhängige RichterInnen!


Herbert Dorfmann:

Herbert Dorfmann

Es gibt kein einziges Kapitel, das bisher endgültig verhandelt wurde und deshalb ist es unmöglich zu sagen, ob ich zustimmen würde.

Ich arbeite im Umweltausschuss als ständiger Berichterstatter des EP zu TTIP.

Für mich ist also wichtig, dass im Bereich der Lebensmittelsicherheit unsere Standards durchgesetzt werden und dass wir imstande sind, im Bereich der Herkunftskennzeichnungen den Amerikanern unsere Regeln aufzudrängen.

Diese Bereiche sind derzeit meine Hauptaufgabe.

Wenn das nicht gelingt, werde ich dem Vertrag nicht zustimmen.

 

 


 

Jetzt
,
oder
oder mit versenden.

Möchtest du die neuesten Meldungen auch auf Facebook erhalten?

Hier
klicken

Neueste Meldungen

Nordtirol | Wirtschaft

Beste Köchin kommt aus Tirol

0 Kommentare · 26.04.2024
Politik | Südtirol

Die Leiferer Team-K-Kandidaten

0 Kommentare · 26.04.2024
Nordtirol | Politik

Verliert Flughafen Innsbruck wichtigen Dienst?

0 Kommentare · 26.04.2024
Es gibt neue Nachrichten auf der Startseite