Florian Stumfall

15.01.2024

Theokratie oder Laizismus?

Im weiteren Umfeld des Weihnachtsfestes ist der Rückgriff auf ein Bibelzitat angemessen, zumal, wenn es geeignet ist, nicht nur die religiösen, sondern auch die irdischen Belange zu beleuchten. Es geht um die Stelle Markus 12,17, in welcher der Evangelist beschreibt, wie die Pharisäer Christus eine Frage stellen, die vermeintlich ein unlösbares Dilemma darstellt: Ob es erlaubt sei, dem Kaiser Steuern zu zahlen. Sagt Christus ja, hat er sich des Anspruchs begeben, der Messias zu sein. Sagt er nein, kommt das einer Aufforderung zum Aufstand gleich.

Jesus und der Zinsgroschen: Ausschnitt aus dem Fresko von Paul Troger in der Nordkuppel des Stifts Altenburg (Bild: Wikipedia/Wolfgang Sauber).

Die Antwort indes war eine große Überraschung: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“ Hier ist der Unterschied zwischen Politik und Glauben, zwischen Staat und Kirche grundgelegt, eine Errungenschaft, die welthistorischen Charakter trägt. Der Bogen, der sich in der abendländischen Geschichte über diese beiden Antipoden wölbt, gründet in den Christenverfolgungen der Antike und reicht über den Kniefall des Kaisers vor dem Papst in Canossa und noch weiter herauf als bis zum gewaltigen Duett zwischen dem König und dem Großinquisitor in Verdis „Don Carlos“.
Heute ist die Trennung von Kirche und Staat eine Selbstverständlichkeit, an der es nichts zu rütteln gibt, jedenfalls in den Ländern mit christlicher Tradition. Dabei ist hervorzuheben, dass Christus als Religionsgründer durch seine Unterscheidung dem staatlichen Bereich gegenüber dem geistlichen ein Mehr an Macht zugesprochen hat, als bis dahin üblich gewesen war, und damit einen Verzicht auf irdischen Einfluss leistete. Denn nicht nur im Vorderen Orient waren Theokratien die Regierungsform, die seit Urzeiten Geltung hatte und an der zu rütteln niemand dachte.

Maghreb besser als Deutschland

Beim Islam ist das bis heute so. Die Lehre Mohammeds beansprucht die umfassende und ausschließliche Zuständigkeit in allen Belangen des menschlichen Daseins. Es gilt der Grundsatz: „Islam din wa daula“ – der Islam ist Religion und Staat zugleich. Die renommierte Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher sagt, Mohammeds Lehre „umfasst eng miteinander verzahnt religiöse wie rechtliche Aspekte, die Gottesverehrung betreffende wie gesellschaftliche Regelungen“. Ein wenig blumiger klingt die islamische Selbstdarstellung (Islam intern) zu dieser Frage: „Tauhid ist das Einzig-erklären Allahs, des Allerbarmers, des Allerhöchsten, in der Anbetung. Er alleine hat die Möglichkeit Seine Schöpfung zu erschaffen und zu versorgen. Er alleine besitzt die Vorherrschaft über alle Dinge. Und Er alleine ist der Verwalter der Angelegenheiten …“
Der gemeinsame Nenner aus diesen drei Stellen ist jedenfalls: Für eine profane Macht ist hier kein Platz. So gesehen kann es eigentlich keinen anderen als den politischen Islam geben. Das hat jedoch eine fatale Wirkung: Wo Religion und Politik unter demselben Feldzeichen auftreten, verschafft sich die Politik unter Berufung auf ihr religiöses alter ego und die damit verbundene Freiheit der Ausübung – jedenfalls in abendländisch geprägten Ländern – ungerechtfertigte Vorteile.

„Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“

Tatsächlich aber kann man feststellen, dass diese orthodoxe Überzeugung nicht in allen islamischen Ländern bestimmend ist. Vor allem im Maghreb gibt es gegenüber den klassischen Autoritäten mehr Bewegungsfreiheit und die Möglichkeit einer freieren Auslegung des Koran. Zudem werden dort kritische Stimmen laut, und gerade diese Länder von Marokko bis Tunesien sind es denn auch, in denen die Scharia keine merkliche politische Rolle spielt. Tatsächlich hängt dort das Maß der islamischen Machtausübung von den politischen Verhältnissen ab.
Ebenso verhält es sich in Ländern, in denen sich die Moslems in der Minderheit befinden. Es ist daher bezeichnend und verstörend, wenn in Deutschland dann und wann öffentlich auf Straßen und Plätzen anlässlich einschlägiger Demonstrationen die Scharia gefordert werden darf. Deren Anhänger scheinen das Land für eine islamische Machtübernahme vorbereiten zu wollen, wenn sie nicht sogar der Auffassung sind, es wäre bereits dafür fällig. Das heißt, von entschlossenen Moslems wird für Deutschland eine größere Geltung des islamischen Rechts gefordert, als es das beispielsweise im Maghreb hat. Hier geraten die Verhältnisse ein wenig durcheinander.

Es fehlt an der gleichen Behandlung

Dasselbe gilt für die Kritik, die man am Islam üben kann. In jenen vergleichsweise liberalen moslemischen Ländern ist sie zugelassen, im Alltag ebenso wie in der theoretischen Diskussion. Ganz anders in Deutschland. Hier gibt es eine Reihe von Gegenständen, die über abwertende Betrachtungen erhaben sind und wo jeder, der solche trotzdem anzustellen wagt, sich der woken Wut einer fanatisierten Meinungs-Maschinerie gegenübersieht. Zu diesen gehören alle Betrachtungen über das Klima, das Gendern oder auch die Untadeligkeit der EU. Hier überall wird jeder misstrauische Ansatz einer Betrachtung niedergeschrien und mit den Begriffen Klima-Leugner, Rassist oder EU-Kritiker verunglimpft. Bezeichnend übrigens, dass in einem Land, das seine geistige Kultur auch von der Aufklärung herleitet, das Wort „kritisch“ zum Vorwurf hat werden können.
Und natürlich gibt es dann die Islamkritiker oder auch Islamophoben. Denn die Lehre des Propheten steht ebenfalls über den Bemühungen um eine analytische Beurteilung, in Deutschland zumindest, wo die politisch korrekte Aufgeregtheit zur Tugend einer moralisch überhöhten Sphäre geworden ist.
Der Sache aber ist damit nicht gedient. Denn dort, wo sich zwei verschiedene Auffassungen aneinander messen, kann nur der Kompromiss eine gewaltsame Lösung verhindern. Wo aber eine von beiden als sakrosankt behandelt wird, bleibt bei Meidung der Gewalt der anderen nur die Unterwerfung – das deutsche Wort für „Islam“. Kritik aber am Christentum gibt es auch in abendländischen Gesellschaften mehr als genug und darüber hinaus Schmähungen, Beleidigungen und ungeahndete Verfolgung, auch hierzulande. Es fehlt an der gleichen Behandlung der Lebensauffassungen – hier zuungunsten der angestammten Art, in islamischen Ländern zuungunsten der fremden.

Kolumne von Dr. Florian Stumfall
Erstveröffentlichung PAZ (redaktion@preussische-allgemeine.de)

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