Ein Blog von

Georg Dekas

10.05.2021

Rassismus rückwärts oder die neue Feme

Andere niedermachen um selber umso besser zu scheinen – diesem universalen Rassistentrick gehen auch die neuen, digitalen Moralisten auf den Leim, die schnell Rassismus bei anderen (t)wittern und es gar nicht merken, wenn ihr eigener Rassismus die Rolle rückwärts schlägt.

Ausschnitt aus Herforder Rechtsbuch um 1375. Gemeinfrei-Lizenz

Das Portal „salto.bz“ hat kürzlich ein Aufsätzchen aus dem „skolast“ wiedergegeben, mit dem ein junger Mann eine angesagte „Nestbeschmutzung“ verrichtet („Südtirol – eine Nestbeschmutzung“, 07.05.2021). Wer seine Jugendjahre in den 1970ern hatte, darf sich mit diesem Aufsatz eine nostalgische Reise in die Vergangenheit gönnen. So und nicht anders sprachen und schrieben die heutigen Opas in den Zeiten von „Lotta Continua“, „Sturzflügen“ und ähnlichen Postillen. Wer jüngeren Datums ist, dem empfehle ich das Lesen im Lichte der neuen Empfindsamkeit.

Ja, die neue Empfindsamkeit zarter Seelen, die gepeinigt aufschreien, sobald ein starker Spruch gegen die eigenen „Lieblinge“ fällt, die aber gar nicht zimperlich sind, wenn es darum geht, ihre „Feindlinge“ zu brandmarken. Eine ziemlich unreife und einseitige Eigenschaft, die man in früheren Zeiten, als starke Sprüche noch etwas galten, treffend als „kindisch“ oder „weibisch“ gekennzeichnet hätte, ohne dass es jemandem eingefallen wäre, daraus schließen zu wollen, dass alle Kinder oder alle Frauen überhaupt und auf ewige Zeiten „kindisch“ bzw. „weibisch“ wären.

So aber denken gerne bildungswissenschaftlich hochgezüchtete, durch „Szene-“ oder „Social Media“-Blasen immunisierte Rufezeichen- Schreiber, die sich fürchterlich empören über so genannte „rassistische“, „faschistische“, „frauenfeindliche“ oder „homophobe“ Sager. Und die sich ihrerseits ohne größere Hemmungen erlauben, andere mit weiteren Schimpf- und Schande-Wörtern aus ihrem Giftschrank nach Strich und Faden herunterzumachen. Aus dieser Denkhaltung und Schreib-Unart ist über Twitter und Co. eine regelrechte neue Feme entstanden: eine Art von Netzgerichtsbarkeit mit Urteilsvollstreckung bei Anklage. (Man gestatte mir das Wortspiel “Femenismus”).

Dass unser junger Herr „Nestbeschmutzer“ nichts von Schützen (impotente) und nichts von Andreas Hofer (immer besoffen) hält, das wollen wir ihm aufgrund der erlittenen Bildungsmanipulation durch die Opa-Generation – siehe oben – in urig tyrolischem Gleichmut durchgehen lassen („Jo wenn du moansch…“).

Doch sollte ein schriftliches Unternehmen dieser Art wenigstens im Nachgang anerkennen müssen, dass es einen „Rassismus“ alla rovescia verübt. Auch in der Rolle rückwärts ist es immer das gleiche pauschale Niedermachen einer Gruppe durch die Schmähung Einzelner oder einzelner Merkmale oder einzelner Vorkommnisse im Namen eines vermeintlichen Besserseins oder kraft einer grundlos vorausgesetzten (intellektuellen, moralischen oder sonstigen) Überlegenheit. Dieser neue und fast schon hypochondrische Moralismus geht nicht anders als der alte Antisemitismus, Stalinismus oder auch der schablonenhafte Antigermanismus.

Während die als „Rassisten“ verfemten Herrenmenschen-Denker von 1900 wenigstens den einen und anderen Grund ins Feld zu führen hatten, warum sie die „weiße Rasse“ gegenüber Menschen mit anderen Merkmalen als überlegen ansahen, so wird in der neuen Empfindsamkeit nicht einmal mehr der Ansatz einer intellektuellen Standortbestimmung geliefert. Denn wenn ein „skolast“-Südtiroler im Jahr 2021 andere Südtiroler verächtlich als Kleinbürgerliche anschmiert ohne sich selber gebührend auszuweisen, als was erachtet sich der Herr Student denn? Deren Edle von Fischnaller sind jedenfalls bis auf Weiteres unbekannt.

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