Kollmanns Blog

Cristian Kollmann

17.04.2023

Ortsnamendekrete: Fake News und Fakten

Die Neue Südtiroler Tageszeitung vom 14. April 2023, Artikel „Blutige Nase“, schreibt: „Die römische Regierung hat das Tolomei-Dekret von 1940 zur Italianisierung von 8.000 deutschen Ortsnamen bereits mit dem Gesetzesdekret Nr. 179 vom Dezember 2009 abgeschafft.“ Der ehemalige SVP-Parlamentarier und Jurist Dr. Karl Zeller wird dabei mit folgenden Worten zitiert: „Es ist kein Ruhmesblatt, wenn Knoll & Co vom Landtag fordern, faschistische Dekrete abzuschaffen, die Rom bereits seit 13 Jahren außer Kraft gesetzt hat“. 

Bild: Fotomontage UT24 - Erwin Lindemann - Wiki Commons

Die Aussagen bezüglich des Gesetzesdekretes (Tageszeitung) bzw. der faschistischen Dekrete (Dr. Karl Zeller) sind falsch, und dies aus folgenden Gründen:

1. Mit „Tolomei-Dekret von 1940“ meint die Neue Südtiroler Tageszeitung offenbar das Ministerialdekret vom 10. Juli 1940, Nr. 147, publiziert in der Gazzetta Ufficiale vom 26. Juli 1940, Nr. 174. Doch in Wirklichkeit ging es damals (2009) um die Abschaffung des Königlichen Dekrets vom 23. März 1923, Nr. 800, publiziert in der Gazzetta Ufficiale vom 27. April 1923, Nr. 99.

2. Das Gesetzesdekret, mit dem das Königliche Dekret vom 23. März 1923, Nr. 800 – und somit nicht das Ministerialdekret vom 10. Juli 1940, Nr. 147 – abgeschafft wurde, war nicht das von der Neuen Südtiroler Tageszeitung zitierte „Gesetzesdekret Nr. 179 vom Dezember 2009“, sondern das Gesetzesdekret vom 22. Dezember 2008, Nr. 200, mit Änderungen umgewandelt in das Gesetz vom 17. Februar 2009, Nr. 9. Mit diesem Gesetz, wurde, mit Wirkung 16. Dezember 2009, das Königliche Dekret vom 23. März 1923, Nr. 800, das die amtliche Lesart der Namen der Gemeinden und anderer Örtlichkeiten der annektierten Gebiete bestimmt, aufgehoben.

3. Bei dem von der Neuen Südtiroler Tageszeitung zitierten „Gesetzesdekret Nr. 179 vom Dezember 2009“ handelt es sich in Wirklichkeit um das gesetzesvertretende Dekret vom 1. Dezember 2009, Nr. 179, mit dem, ganz im Gegenteil, eine Reihe von staatlichen Bestimmungen, die vor dem 1. Jänner 1970 veröffentlicht worden waren, ihrer aufhebenden Wirkung entzogen wurden! Das vorgenannte Königliche Dekret vom 23. März 1923, Nr. 800 fand sich unter diesen Bestimmungen.

4. Die Existenz des genannten gesetzesvertretenden Dekrets vom 1. Dezember 2009, Nr. 179 und somit die wiedererlangte gesetzliche Gültigkeit des vorgenannten Königlichen Dekrets vom 23. März 1923, Nr. 800 wird von Dr. Karl Zeller in Abrede gestellt. Mehr noch: Dr. Karl Zeller spricht nicht nur von einem, sondern sogar von mehreren faschistischen Dekreten (wobei, wie aus dem Kontext ersichtlich, nur die Ortsnamendekrete gemeint sein können), die Rom bereits vor 13 Jahren außer Kraft gesetzt haben soll. Als ehemaliger Parlamentarier und noch aktiv tätiger Jurist ist es für Dr. Zeller sicher ein Leichtes, dies mit entsprechenden Quellen zu beweisen.

5. In Beantwortung mehrerer Anfragen (u.a. Antwort vom 13.05.2015, Antwort vom 13.10.2016) hat die Südtiroler Landesregierung der Süd-Tiroler Freiheit durchwegs die gesetzliche Gültigkeit aller DREI faschistischen Ortsnamendekrete bestätigt, somit auch des Königlichen Dekrets vom 9. März 1942, publiziert in der Gazzetta Ufficiale vom 6. Februar 1943, supplemento ordinario Nr. 30. Die Antworten der Landesregierung stehen somit im Widerspruch zur Behauptung von Dr. Karl Zeller. Entweder Dr. Karl Zeller oder die Landesregierung irrt!

 

Conclusio: Auch wenn es zum Thema „faschistische Ortsnamendekrete“ und „faschistische Toponomastik“ noch Vieles zu sagen gäbe: Es ist erschreckend, mit welcher historischen Ahnungslosigkeit, wissenschaftlichen Beratungsresistenz und politischen Fahrlässigkeit mit diesem Thema umgegangen wird und wie damit genau jenen, die dies so wollten, in die Hände gespielt wird.

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  1. Elsa
    17.04.2023

    Ihr scheint in Südtirol ja ausgezeichnete Juristen zu haben…

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