Lukas Forer

BLOG-GUGGER
24.10.2017

Von wegen rückständig

„Die katalanischen Nationalisten wollen die Abspaltung von Spanien. Damit fügen sie Spanien und ganz Europa großen Schaden zu, da Engstirnigkeit und Nationalismus noch nie gut waren.“ So in etwa lautet der Tenor, der in weiten Teilen der westlichen Medienlandschaft vorherrschend ist. Mit wenigen erfrischenden Ausnahmen, wie es etwa ein kürzlich erschienener Kommentar des bekennenden Linken und Sohn des Spiegel-Gründers, Jakob Augstein, ist.

Bildkomposition UT24

Die linksliberal dominierte westlichen Medienlandschaft tut sich mit Begrifflichkeiten wie Nationalstaat, Nationalismus, Patriotismus, Kleinstaaterei, Separatismus und Regionalismus im Rahmen der aktuellen Katalonien-Berichterstattung oft schwer. Häufig werden die Begriffe miteinander verwechselt, viel öfter noch falsch verwendet. Teilweise – so entsteht angesichts der einseitigen Meldungen, welche die Unabhängigkeitsbewegung allzu oft als nationalistische, und damit konnotiert als ewiggestrige, rückständige und reaktionäre Strömung darstellt – geschieht dies ganz bewusst. Das Streben nach Selbstbestimmung in Barcelona soll diffamiert, den autoritär agierenden Akteuren des Zentralstaates in Madrid der Rücken gestärkt werden.

Erfrischende Ausnahme

Jakob Augstein zeigt in seinem Kommentar mit dem Titel „Es lebe die Nation…“ in wohltuend differenzierter Weise die Unterschiede zwischen oft falsch verwendeten politischen Terminologien auf und kommt zur Erkenntnis: In Spanien beginnt gerade ein Prozess, der „das Ende des Nationalstaats, die Renaissance der Region, die Geburt eines neuen Europas“ bedeutet. Beim „Kampf zwischen Nationalstaat und Region“ würde die Region über kurz oder lang auf jeden Fall als Sieger hervorgehen.

In Augsteins Augen wird vonseiten der spanischen Zentralregierung gerade ein politisches Konstrukt am Leben erhalten, das längst dem Tode geweiht ist: Der Nationalstaat. Er kritisiert die negative Berichterstattung über die Freiheitsbewegung der Katalanen unter Carles Puigdemont in der deutschen Presse. So etwa einen Kommentar des deutschen Historikers Gustav Seibt in der „Süddeutschen Zeitung“. Er hätte in einer „Schimpfkanonade gegen die katalanische Unabhängigkeitsbewegung“ den Nationalstaat verteidigt, in dem er ihn frei nach Argumenten des Altliberalen Ralf Dahrendorf als „die größte Errungenschaft der politischen Zivilisation“ bezeichnete und davor warnte, eine „neue Sehnsucht nach Homogenität in einer “Stammesexistenz”“ würde zu Selbstbestimmung führen, welche wiederum „zur Diktatur“ einladen würde.

Von wegen rückständig

Eine Etikettierung, mit der sich Unabhängigkeitsbewegungen in Schottland, Südtirol, das Baskenland, Flandern, die Bretagne, et cetera seit Bestehen immer wieder konfrontiert sieht. Nach Meinung Augsteins zu Unrecht. In Barcelona würde ein „fröhlicher, moderner, pluralistischer Patriotismus gefeiert, der seine Heimat im Herzen Europas finden will“. Davon solle man lernen. Denn, so schließt der Autor: „Der Nationalstaat war einmal modern, inzwischen ist er ein alter Hut“.

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