Ein Blog von

Georg Dekas

27.07.2020

Ka Dorn im Auge

Also mir ist der Cadorna kein Dorn im Auge. In der Stadt Meran „streiten“ sie im Coronasommer, wobei Räte aus der dritten Reihe endlich zu Bild und Schlagzeile kommen und der Vorsteher-Anwärter auch. Sie wollen die Cadornastraße umbenennen in etwas politisch Korrektes. Ist ja schön, bittesehr. Aber ob Meran eine Straße mehr oder weniger hat von all denen, die nach italischen Helden, Köpfen und Stätten benannt sind, das ist bis auf Weiteres doch wirklich einerlei.

APA (AFP)

Vom Brenner bis Lampedusa haben alle Ortschaften der heutigen Republik Italien die ewig gleichen Straßennamen. Via Roma, Via Nazionale, Piazza Mazzini, Viale Armando Diaz, Via Luigi Cadorna, Via Cavour, Via Piave, Via Gabriele D’Annunzio, Via Dante Alighieri, Via A. Manzoni, G. Carducci, Oberdan, Amba Alagi, Manzoni, Puccini, Verdi, Trieste, Firenze, Milano, Monte Grappa, und so weiter und so fort. Auch das deutsche Südtirol haben sie mit dieser monoton-pathetischen Suada zugedeckt. Fehlt nur noch der Corso Duce Benito Mussolini. Ausgerechnet der, dem die Nationalen die Modernisierung ihres Stiefels und den Besitz Südtirols verdanken, den wollen sie nicht einmal gekannt haben.

Puccini, Rosmini, Alfieri – die (auch erlesenen) Häupter haben mit Südtirol und dem Städtchen Meran rein gar nichts am Hut, aber Straßen ihnen zu Ehren, die haben sie, in diesem einst edlen Kurort an der Passer, dessen Prachtstraße die Habsburgerstraße war und sein sollte. Aber wenn wir den chauvinistischen Semantik-Lockdown schon ertragen müssen, warum dann nicht auch eine Straße nach Luigi Cadorna benennen? Gerne sogar. War er doch ein Versager erster Güte. 

Für Italiener genügt das magische, furchterregende Wort ‚Caporetto’. Allen anderen sagen wir es mit Hilfe von Wikipedia: Der Piemonteser Luigi Cadorna war im Ersten Weltkrieg Chef des italienischen Heeres. Nach der Kriegserklärung des Königreiches Italien an das Kaisertum Österreich-Ungarn im Jahr 1915 führte Cadorna vier Offensiven am Isonzo durch, um die strategisch bedeutsame Hafenstadt Triest von Wien abzuschneiden. Alle vier Offensiven schlugen fehl. Auch danach gab es für Italien kaum Geländegewinne, dafür aber hunderttausende gefallene junge Männer. 

In der zwölften (!) Isonzoschlacht im Jahr 1917 durchbrachen die Österreicher sogar die Cadorna-Linien bei Karfreit/Caporetto und rückten bis zum Piave vor, wo sie nur durch die den Italienern zu Hilfe geeilten Engländer und Amerikaner gestoppt werden konnten. Die italienische Armee war in Auflösung begriffen, die Verluste waren enorm. Alles das trug die Handschrift des „Comando Supremo“ unter Luigi Cadorna. Auch seine Offiziere, vor allem Pietro Badoglio erwiesen sich als unfähig. Badoglio war dann derjenige, der sich nach zwanzig Jahren Benito-Wohlfühl-Oase den inzwischen siegversprechenden Alliierten andiente. Cadorna war übrigens von Mussolini rehabilitiert worden. 

Klar, dass die „Italianissimi“ Merans auch im Jahr 2020 einen solchen Helden behalten wollen. Die anderen Meraner, die den Namen weghaben wollen, die argumentieren natürlich nicht mit dem Makel der Untüchtigkeit, der nicht erst seit Cadorna an Italiens Heeren zu kleben scheint. Sie argumentieren, dass Cadorna ein Kriegsverbrecher sei, weil er Italiens Söhne in sinnlosen Gemetzeln opferte. 

O nein, meine Damen und Herren, c’est la guerre! Wenn es um Moral geht, dann sind die Auftraggeber zu beschuldigen und nicht die Ausführenden. Die Kriegstreiber, die „guerrafondai“, etwa das römische Parlament, die nationalen Zeitungen, die Intellektuellen und Industriellen von damals; Leute wie der sexsüchtige, eitle Pfau D’Annunzio, der überall seine „Via“ hat.  

Wenn alle mit der “Cancel Culture” so weitermachen, dann bleibt nicht mehr viel übrig von der Herrlichkeit einer Nation. In Italien unten dürfte es dann nur mehr die Via San Francesco d’Assisi geben, die Via Santa Madre Teresa di Calcutta, die Via San Tomaso d’Aquino und die Piazza San Benedetto. Und außer der Via Santo Papa Woityla kaum einen anderen Papstnamen – waren ja  auch Schlächter, oder nicht? 

Wäre dieses Italien so sauber, dann gäbe es auch keine gewaltsame Aneignung eines schutzlosen Hinterlandes und keine „Entnationalisierung“ seiner Menschen, wie das Südtirol widerfahren ist. Im Kollektivbewusstsein Italiens ist unser Land bis heute das Sühneopfer für die vom glorreichen Generalissimo Cadorna hingeschlachteten Söhne der unsterblichen „Patria“. „L’Alto Adige è nostro!“ Keinen Millimeter geben wir her! Nicht eine einzige Straße! Nicht einen einzigen Namen. Nicht einmal den eines Verlierers. Zum Fremdschämen.   

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