
Kollmanns Blog
Cristian Kollmann
FAZ-Artikel und Stasi-Akten: Verein Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum nimmt zwei Schenkungen entgegen

Nachlass von Klaus Göbel über den Kölner Südtirolprozess
Gegen die Südtiroler Widerstandskämpfer wurde in den 1960er Jahren bis teilweise noch in die 1980er Jahre herauf eine Reihe von Prozessen geführt. Am bekanntesten sind die drei Mailänder Prozesse, deren Urteile in den Jahren 1964, 1966 und 1969 gesprochen wurden. In diesen wurden von den insgesamt 156 Angeklagten – die meisten von ihnen Südtiroler – einige zu sehr hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Andere wiederum befanden sich damals im Exil. Diese – am bekanntesten sind die „Pusterer Buibm“ – wurden in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt und dürfen, sofern sie noch leben, bis heute nicht nach Südtirol zurückkehren.
Kölner Südtirolprozess erstreckte sich über 19 Jahre
Kaum bekannt ist hingegen, dass es auch in Köln einen Südtirolprozess gab. Er erstreckte sich über die Jahre 1963 bis 1982 und ging als einer der längsten Prozesse in die deutsche Justizgeschichte ein. Einer der Angeklagten war der deutsche Rechtsanwalt Dr. Klaus Göbel, der im Jahr 2022 verstorben ist. Als Angeklagter war Göbel in Besitz der Duploakten (also der Kopien der Akten) des Kölner Prozesses, und diese Akten haben seine Witwe und sein Sohn am vergangenen Freitag dem „Verein Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum“ übergeben.
Die Übergabe – im juristischen Sinn spricht man von einer Schenkung eines Nachlasses – fand im Rahmen einer Veranstaltung, die vom „Verein Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum“ und vom „Haus der Tiroler Geschichte“ organisiert wurde, im Volkskunstmuseum in Innsbruck statt. Unter den Teilnehmern befanden sich neben der Familie von Klaus Göbel auch Historiker sowie der Mediziner Dr. Erhard Hartung. Hartung ist einer der wenigen noch lebenden Freiheitskämpfer, der bis heute nicht nach Südtirol einreisen darf, weil Italien sich weigert ihn zu amnestieren. Dabei haben wissenschaftliche Untersuchungen, insbesondere jene des Militärhistorikers Dr. Hubert Speckner, unlängst gezeigt, dass die Vorfälle auf der Porzescharte, für die u.a. Hartung verantwortlich gemacht wird, sich ganz anders abgespielt haben, als sie von Italien dargestellt werden.
Fünf Angeklagte, milde Strafen
Doch zurück zum Kölner Südtirolprozess. Hier wurden fünf Personen angeklagt, unter ihnen vier Bundesdeutsche und ein Österreicher. Ihnen wurde zur Last gelegt, im Oktober 1962 und im April 1963 nach Norditalien gefahren zu sein, um dort Anschläge zu verüben. Ins Visier sollen dabei insbesondere Zugbahnhöfe von größeren Städten gestanden sein, nämlich Trient, Verona, Mailand und Genua, wo, neben anderen Zielen, tatsächlich Sprengsätze explodiert sind und nicht nur Verletzte, sondern im Fall von Verona sogar ein Toter zu beklagen waren. Die Ermittlungen zu diesem Prozess erstreckten sich von 1963 bis 1978. 1980 wurden die Urteile gesprochen, die mit drei bis dreieinhalb Jahren für die Angeklagten relativ mild ausfielen. Aufgrund eines Revisionsverfahrens verlängerte sich der Prozess um weitere zwei Jahre, bis er 1982 eingestellt wurde. Klaus Göbel kam nach einem halben Jahr in Untersuchungshaft wieder frei.
Für die Forschung frei zugänglich
Der Nachlass von Klaus Göbel über den Kölner Südtirolprozess wurde bereits von seiner Mitarbeiterin fein verzeichnet und ist nun in Innsbruck für die Forschung frei zugänglich. Eine wissenschaftliche Untersuchung der Ermittlungsakten zum Prozess (doch nicht des Prozesses selbst) wird im Rahmen einer Masterarbeit bereits angestellt. Weitere Untersuchungen, deren Ergebnisse sicher ebenfalls auf großes Interesse nicht nur in der wissenschaftlichen Welt, sondern auch in der Gesellschaft insgesamt stoßen werden, dürften folgen.
Vorlass von Reinhard Olt über ethnische Minderheiten und Stasi-Akten
Neben jener des Nachlasses von Klaus Göbel fand auf der Veranstaltung eine weitere Schenkung statt: der Vorlass von Prof. Dr. Reinhard Olt, seines Zeichens ehemaliger Journalist der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und Dozent an deutschen und österreichischen Hochschulen sowie an der deutschsprachigen Andrássy-Universität Budapest. Sein Vorlass besteht, wie Olt auf der Veranstaltung ausführte, aus zwei Teilen. Bei dem einen Teil handelt es sich um eine Sammlung der Zeitungsartikel, die Olt in der FAZ seit dem Jahr 1985 veröffentlicht hat und die Problematik der ethnischen Minderheiten, insbesondere der Südtiroler, aber auch der überwiegend deutschen Minderheiten im Süden und Osten Europas thematisieren. Beim anderen Teil handelt es sich um die Archivalien des Zentralarchivs der DDR-Staatsicherheit (Stasi) über Mitarbeiter, die im Zusammenhang mit dem Südtirol-Konflikt eingesetzt wurden. Die Archivalien umfassen den Zeitraum der 1960er, 1970er sowie der frühen 1980er Jahre.Â
Was hat die Stasi mit Südtirol zu tun?
Den wenigsten Menschen dürfte bewusst sein, dass auch über Südtirol, insbesondere über die politischen Parteien der damaligen Zeit, allen voran die Südtiroler Volkspartei, Stasi-Akten angelegt wurden – galt es doch, den „faschistischen“ Feind im Westen genau zu beobachten und zu bekämpfen. Besonders für Zeithistoriker mit Schwerpunkt Südtirol dürften diese Akten untersuchenswert sein, während sie für die politischen Parteien in Südtirol auch eine gewisse Brisanz bergen dürften. Ein weiteres und leicht zugängliches Forschungsgebiet tut sich also auch hier auf.
Prof. Dr. Reinhard Olt berichtet über Südtirol und die Stasi.

Neueste Meldungen
