Florian Stumfall

12.10.2020

Fanatismus

Vom Fanatismus weiß man Eines, nämlich dass er meilenweit vom Humor entfernt ist; so weit, dass er nicht einmal die Lächerlichkeit scheut. Diesem Fanatismus begegnet man zuverlässig bei der der­zeitigen Empörung im Zusammenhang mit dem Rassismus, die nicht nur Straßen und Plätze, sondern halbe Städte in Aufruhr zu versetzen vermag. Der Begriff „Rassenwahn“ erhält eine neue, völlig andere Bedeutung, als er bislang hatte.

APA (dpa)

Die Anzahl der Beispiele hierfür ist überreich, doch eine kleine Auswahl genügt, um Art und Wesen des Fanatismus zu kennzeichnen. Es beginnt mit dem einst harmlosen Mohren, einer der kleinen Kindheitsfreuden, jedenfalls der älteren Generation. Da gab es den Sarotti-Mohren, eine kleine Figur als Emblem für eine Schokoladenmarke, der allein schon deswegen sympathisch war, weil er eine wohlschmeckende Gedankenverbindung herstellte. Doch ach! Er ist dennoch eines stillen Todes gestorben, geopfert auf dem Altar der Politischen Korrektheit.

Gleich dem Sarotti-Mohren geht es vielen seiner Artgenossen, so dem Mohrenkopf beispielsweise oder auch der U-Bahn-Station Mohrenstraße in Berlin. Doch in Graz gibt es zivilen Ungehorsam. Dort weigert man sich, die „Mohren-Apotheke“ umzubenennen. Obstinanz auch in der Schweiz: Das Familienunternehmen Dubler in Waltenschwil im Kanton Aargau besteht auf dem Mohrenkopf. Der Inhaber argumentiert: „Ich bezeichne mein Produkt doch nicht mit einem zweitklassigen Namen!“

Doch andere kämpfen ums Überleben. So gibt es in etlichen Städtewappen den Kopf eines Mohren, so etwa, wie der Name schon andeutet, im Stuttgarter Stadtteil Möhringen. Dort gibt es bereits einen interfraktionellen Antrag, der ein Ende des „Mohren-Skandals“ herbeiführen soll. Auch in Freising oder Coburg droht der Verlust eines historischen Kennzeichens. Dort haben bereits Tausende eine Petition gegen den schwarzen Herrn im Wappen unterschrieben.

„Diversitäts-Check“

Für die Fanatiker unerheblich ist dabei der Umstand, dass sich der „Mohr“ von „Maure“ herleitet, einem Nordafrikaner also, mit nur halbwegs getönter Hautfarbe. Doch wenn man das beiseiteschiebt, dann stellt sich die Frage, ob man denn nicht auch den Staat Mauretanien umbenennen müsste. Es wäre eine dankbare Aufgabe etwa für die Grünen, in der Hauptstadt Nuakschott vorstellig zu werden und dort in diesem Sinne Druck auszuüben.

Eine Vorreiterin der guten Sache ist die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein. Hier wird ein Drehbuch dem „Diversitäts-Check“ unterzogen, ob auch genügend Schwule, Lesben, Beiderseitige, getönte und kulturfremde Menschen zu Wort kommen. Falls nicht, gibt es keine Fördermittel.

Längst hat die melanophile Beflissenheit auch auf die Wirtschaft übergegriffen, nicht nur beim Sarotti-Mohren. Der Kosmetikweltkonzern L’Oréal wird die Werbung für Aufheller einstellen, weil diese insinuiert, hell zu sein, sei ersprießlich. Von einem Verbot von Bräunungsmitteln hört man dagegen nichts. Die Walmart-Kette wird nicht mehr Produkte für Schwarze in verschlossenen Regalen aufbewahren, so wie mancherorts die Spirituosen dem freien Zugriff entzogen sind. Doch der eigentliche Skandal sollte doch darin liegen, dass es Produkte für Schwarze überhaupt gibt. Adidas USA beugt sich dem Vorwurf von Mitarbeitern, es müsse mehr Gleichberechtigung im Betrieb geben. Also wird bei Neueinstellungen eine Quote eingeführt. Die Debatte bei Adidas hat übrigens zum Rücktritt des Personalvorstands geführt. Leider war dies eine Frau, die Britin Karen Parkin.

Ecclestone versus Hamilton

Tief in den Fettnapf rassistischer Rücksichtslosigkeit ist der einstige Formel-1-Boss Bernie Ecclestone gestiegen. Er meinte, in vielen Fällen seien Schwarze rassistischer als Weiße. Das traf natürlich in erster Linie den Formel-1-Fahrer Lewis Hamilton. Der nannte Ecclestones Beobachtung „ungebildet und ignorant“. Doch die Autowelt ist nicht zur Gänze unbelehrbar. Mercedes beispielsweise hat entschieden, in dieser Saison die Formel 1 nur mit schwarzlackierten Autos zu fahren, als Referenz gegenüber Afroamerikanern, Afroafrikanern und anderen.

Den USA ist die späte Aufarbeitung des Bürgerkrieges vorbehalten. Der Staat Mississippi hat im Juni die Abschaffung der bisherigen Flagge beschlossen, weil sie im rechten oberen Viertel die Kriegsflagge der Konföderierten Staaten von Amerika zeigte. Zudem gibt es nicht nur eine schmerzliche Diskussion um missliebige Denkmale. Im Kapitol stehen gleich elf Statuen, die den politischen Korrektheitstest nicht bestehen dürften. Auch soll der John-Wayne-Flughafen in Orange County, Kalifornien umbenannt werden; der legendäre Schauspieler sei Rassist gewesen, so die zureichende Erklärung.

Rassist fish

Um Denkmale geht es auch in Europa. In Großbritanniens Kapitale London sah man sich genötigt, das Monument von Winston Churchill mit einem Schutz zu umgeben, um es vor der Zerstörung zu bewahren. Auch dem Sieger der Luftschlacht um England wird beim Vorwurf des Rassismus kein Rabatt gegeben. Manchmal ist nicht ganz klar, worin das Vergehen einer inkriminierten Figur besteht. Die kleine Meerjungfrau etwa, die aus einem Märchen von Hans Christian Andersen stammt und im Hafen von Kopenhagen als bronzenes Denkmal auf einem Stein sitzt und aufs Meer blickt, ist so ein Fall. Auf der Sitzgelegenheit der Meerjungfrau war jüngst zu lesen: „Rassist fish“.

In kühnem Schwung wird zudem der Rassismus mit Islamfeindlichkeit verbunden. Eine Sprecherin der „Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit“ erklärte: „Die Mehrheitsgesellschaft ist in puncto antimuslimischer Rassismus nicht genügend sensibilisiert.“ Dem Facebook-Chef Mark Zuckerberg ist dieser Vorwurf nicht zu machen. Sein Netzwerk nennt jeden Hinweis darauf, dass es in islamischen Ländern Christenverfolgung gibt, rassistisch und geht entsprechend dagegen vor. Man sieht: Der Fanatismus ist nicht nur humorlos, der ist auch immun gegen die Wirklichkeit.

Kolumne von Dr. Florian Stumfall
Erstveröffentlichung PAZ (redaktion@preussische-allgemeine.de)

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