
Georg Dekas
DIE „MEINUNGSTRÄGER“

Vom Sinn der Meinungsfreiheit
Von unserem Grundverständnis her sollten alle Leute frei sein, sich das Medium auszuwählen, das ihnen zusagt. Die einen lesen ihre Lieblingszeitung, die anderen sind auf dem Smartphone unterwegs, die meisten nutzen mal dies mal das. Die Fortgeschrittenen schätzen es, eine breite, ja sogar kontroverse Auswahl an Stimmen und Ansichten zu haben. Nur wenn man auch die andere Seite hört, kann man sich ein halbwegs gerechtes Bild machen. Daher hat der moderne Verfassungsstaat das Gebot der Meinungsfreiheit im Grundgesetz stehen. Zur Unterbindung von Meinungsmissbrauch hat das Strafgesetzbuch schon alles, was es braucht. Darüber hinaus darf es keine obrigkeitlich verordneten Ausblendungen, Einschnitte und Denkvorgaben geben. Mit der Lenkung und Gleichschaltung von Gedanken und Meinungen haben wir schon die schlimmsten Erfahrungen gemacht.
Das neue Nichtsprechendürfen
Mit der WHO-Pandemie von 2020 hat es sich leider herausgestellt, dass auch westliche Staaten zu autoritären Lenkungsmaßnahmen und schamloser Propaganda greifen (die im Fall von Covid weit über den notwendigen Gesundheitsschutz hinausgingen). Dabei ist es geblieben, und das Nichtsprechendürfen hat sich ausgeweitet. Ein Schachtfeld sind die digitalen Medien. «Versuche einmal, das Wort Gaza einzugeben, du wirst nichts finden», sagt Marco Travaglio, einer der besten Medienleute Italiens, zu Lilli Gruber (ehemals Neumarkt). Die unterbricht ihn arrogant und scharf: der etablierte Journalismus soll durch Faktenchecker «gesicherte Wahrheiten» verbreiten. Sozusagen im Monopol. Travaglio: «Wer maßt sich an, der «Wahrheitsminister» zu sein?»
X-Freiheit für alle
An dieser Stelle kommt das mächtige Medium X von Elon Musk ins Spiel. Und X kommt ins Fadenkreuz der Meinungsprivilegierten. Was, Herr Inhaber erlaubt es sich, seine Meinung abzugeben? Ja, er darf. Wäre ja noch schöner, wenn nicht. Auch wenn Primadonnen in Berlin und London das als «Einmischung» empfinden. Des Inhabers erklärtes Ziel ist es, dass jeder andere Mensch auf der ganzen Welt ebenfalls seine Meinung kundtun darf auf X. Auch ist jeder frei, den Dienst von X nicht zu nutzen. Oder sich von X trennen und eine andere digitale Heimat suchen.
Bildungsmoralisten voll daneben
Gänzlich daneben ist, was da unsere Bildungsmoralisten aufführen. Dutzende Hochschulen sollen ihren Platz auf X verlassen haben oder verlassen wollen, darunter auch unsere Alma Mater Oenipontiana unter ihrer woken Führung («Dolomiten» berichtet 11.1. d.J.). Das ist völlig in Ordnung, würden sie es nicht im Stil des moralischen Weltuntergangs tun. In Bozen setzt der Präsident der Eurac noch eins drauf. «Musk hat Twitter in einen Misthaufen verwandelt», meint der Herr. Der einen Anmaßung nicht genug, legt der Eurac-Chef nach: «Jetzt kann jeder Idiot … hinausposaunen». Also ich bin so ein Idiot, einer, der bis zu diesem Artikel in der „Dolomiten“ gar nicht wußte, dass die Eurac 700 (!) Mitarbeiter hat. Ein Idiot, der gar der Meinung ist, die Eurac sei ein zusammengewürfeltes akademisches Bildungsbiotop der Landesregierung, in dem sie dankbare Gehaltsempfänger und kollaterale Nutznießer hegt und pflegt.
Aus für privilegierte Meinungsinhaber
Jetzt verstehe ich auch, warum im besagten Artikel eingangs von den «Meinungsträgern» die Rede ist. Der Online-Duden sagt: «Suchtreffer für Meinungsträger – Leider ergab Ihre Suchanfrage keine Treffer. Meinten Sie Zeitungsträger, Leistungsträger oder Zeitungsträgerin?» Der Eurac-Präsident ebenso wie „la Gruber“ fühlen sich gar nicht als «Meinungsträger» im Sinne von Sherpas, sondern als Höhergestellte. «Meinungsträger» klingt wie «Verantwortungsträger». Dabei geht es nur um privilegierte Meinungsinhaber. Tut mir leid, sagt der hinausposaunende «Idiot», die Zeiten des Ancien Regime sind auch in der Gedankenwelt vorbei. Sicher, die Freiheit der Gedanken ist beschwerlich. Beschwerlich ist die Demokratie und noch mehr die vernünftige Gestaltung von Freiheit und Menschenwürde. Aber wir müssen uns dieser Beschwerlichkeit stellen. Das Raunzen der Systemlinge ist vergeblich. Jeder Bürger ist ein freier Meinungsträger. Und Elon Musk ist kein «Einmischer» und du und ich, wir sind keine «Idioten».

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