Gastbeitrag von
Pius Leitner
Das Wahlvolk hat der FPÖ die Tür geöffnet
Es ist nicht so, dass die Volkspartei (ÖVP) den Freiheitlichen (FPÖ) „die Tür aufmacht“, diese Tür hat das Wahlvolk geöffnet und dafür gab es offensichtlich gute Gründe. Nimmt man die von Wolfgang Schüssel angeführte blau/schwarze (schwarz/blaue) Regierung aus, war es in der österreichischen Nachkriegsgeschichte durchwegs üblich, dass die stimmenstärkste Partei vom Bundespräsidenten den Auftrag zur Regierungsbildung erhielt und auch den Kanzler stellte.
Heißt der Wahlsieger nun FPÖ, gelten etablierte Spielregeln plötzlich nicht mehr. Dabei dürfte jedem objektiven Beobachter klar sein, dass in Österreich derzeit linke Parteienbündnisse keine Mehrheit haben. Die versuchte „Zuckerlkoalition“ scheiterte am Vorhaben, in erster Linie den Wahlsieger zu verhindern. Da war der gemeinsame Nenner dann doch zu klein und Bundespräsident Van der Bellen kam nicht mehr umhin, Herbert Kickl den Auftrag für Sondierungsgespräche zu erteilen. Ob es tatsächlich zu einer FPÖ/ÖVP-Regierung kommt, wird man sehen.
Linke Deutungshoheit gerät ins Wanken
In fünf österreichischen Bundesländern gibt es eine schwarz/blaue (Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg und Vorarlberg) bzw. eine blau/schwarze (Steiermark) Regierung, weil die Mehrheit des Wahlvolkes eben rechts-konservativ gewählt hat. Solches geschah auch auf Bundesebene, weshalb es nur folgerichtig ist, dass sich das Wahlergebnis auch bei der Bildung der Bundesregierung niederschlägt. Worin besteht das Hindernis?
Ach ja, da gibt es den „Gottseibeiuns“ Herbert Kickl, der die Demokratie abschaffen bzw. eine „illiberale“ installieren möchte, der ein gespaltenes Verhältnis zu „freien Medien“ habe (als ob z. B. der ORF ein solches wäre!) und der – weiß Gott – welche Gefahr sonst noch darstelle. Ähnliche Ängste wurden hierzulande auch gegenüber Giorgia Meloni geschürt. So wie sich Ministerpräsidentin Meloni nicht einfach über vorgegebene Normen rechtlicher und politischer Natur (EU-Haushaltskontrolle, Menschenrechte u. a.) hinwegsetzen kann, wird es auch ein Kanzler Kickl nicht können – und auch nicht tun wollen. Sehr wohl aber dürfte die linke Deutungshoheit über gesellschaftspolitische Themen auch in Österreich ins Wanken geraten. An den Taten wird auch eine von Herbert Kickl geführte Regierung gemessen werden. Was wir in Südtirol bisher nicht kennen, ist in Demokratien grundsätzlich ein bestimmendes Korrektiv: die Alternanz – wer nicht entspricht, wird abgewählt!
Demokratie als Wechselspiel der Macht
Man kann in Europa eines feststellen: gewinnen die Linken, ist das gut und die gewogenen Medien jubilieren, während die konservativ/rechten Parteien das Ergebnis (wahrscheinlich missliebig und zähneknirschend) zur Kenntnis nehmen. Gewinnen hingegen Letztere, wird von eben jenen Medien der demokratiepolitische Weltuntergang ausgerufen, linke Gruppierungen gehen auf die Straße und vor Regierungsgebäuden werden Menschen- und Lichterketten gebildet, Gewalt nicht selten inklusive. Wie ist es möglich, dass Demokratie so unterschiedlich wahrgenommen wird?
Was die Aussagen von Georg Mair bezüglich Südtirol betrifft, so sind auch diese ideologisch gefärbt. Auch ich habe an der aktuellen Situation einiges auszusetzen und zu beanstanden. Das kann aber nicht von der Tatsache ablenken, dass die Partei „Fratelli d’Italia“ von der Mehrheit der Italiener im Lande bei einer freien Wahl demokratisch gewählt wurde. Ihre Abgeordneten von einer Regierungsbeteiligung auszuschließen, könnte bedeuten, sie mittelfristig unfreiwillig zu stärken. Die Freiheitlichen haben sich in einer äußerst schwierigen Situation nicht der Verantwortung entzogen und aktiv am Regierungsprogramm mitgewirkt. Mit Ulli Mair wurden zwei wichtige Ressorts (Sicherheit und Wohnbau) übernommen und es wird allgemein anerkannt, dass sie sehr gute Arbeit leistet. Dass erstmals neben der SVP eine zweite politische Kraft der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung in der Landesregierung vertreten ist, tut dem Land und der Demokratie gut.
Für mich steht außer Frage, dass im Falle konkreter Angriffe auf Autonomie und Rechte der Südtiroler die Freiheitlichen auf den Plan treten würden. Verbal vorgebrachten Forderungen nach Beschneidung bzw. Aushöhlung der Autonomie hat die Partei bereits klar und deutlich eine Absage erteilt. Österreich und erst recht eine von der FPÖ geführte Regierung würden Südtirol sicher zur Seite stehen.