Lukas Steinwandter

12.09.2020

Das Recht auf unsere deutsche Muttersprache ist nicht verhandelbar

Wieder ist einem Südtiroler das Recht auf seine deutsche Muttersprache verwehrt worden. Dabei lässt das Gesetz keine Zweifel offen. Interessant an solchen Ereignissen ist, wer schweigt. Doch der aktuelle Fall zeigt noch mehr: Es lohnt sich, sich zu wehren.

Bild: Esther Stosch / pixelio.de

Wenn das Recht ausgerechnet von jenen missachtet wird, die das Recht eigentlich durchsetzen müssten, dann macht das wütend – und es läuft etwas falsch. Der Anruf des Eisacktalers bei der Quästur in Bozen am Mittwoch dieser Woche ist ein solcher Fall. Denn dem Mann wurde das Recht auf seine deutsche Muttersprache gleich mehrfach verweigert.

Kein Einzelfall

Es handelt sich dabei um keinen Einzelfall, immer wieder kommt es gerade im Zusammenhang mit den Ordnungshütern zu einer Verletzung dieses Rechts. Manchmal gelangt das dann an die Öffentlichkeit, die meisten Fälle aber dürften nicht bekannt werden, die Dunkelziffer hoch sein.

Dabei lässt das Gesetz keine Zweifel offen. Das Zweite Autonomiestatut legt in Abschnitt 11 unmissverständlich fest, dass die deutsche Sprache der italienischen Amtssprache gleichgesetzt ist. „Die deutschsprachigen Bürger der Provinz Bozen haben das Recht, im Verkehr mit den Gerichtsämtern und mit den Organen und Ämtern der öffentlichen Verwaltung, die ihren Sitz in der Provinz haben oder regionale Zuständigkeit besitzen, so wie mit den Konzessionsunternehmen, die in der Provinz öffentliche Dienste versehen, ihre Sprache zu gebrauchen“, heißt es in Artikel 100. Auch nach Südtirol versetzte Beamte müssen der deutschen Zunge mächtig sein.

Da nützt es auch nichts – wie in dem aktuellen Fall geschehen – wenn der Anrufer gesagt bekommt, er müsse mehr Geduld haben, denn das „kommt nun einmal vor und die Situation ist halt leider so“. Nein, das Recht auf den Gebrauch der Muttersprache ist nicht verhandelbar! Erst recht nicht, wenn es sich um verbrieftes Recht einer Minderheit in einem fremden Staat handelt.

Nicht schweigen

Der Fall des Eisacktalers macht aber auch zweierlei deutlich. Erstens: Diejenigen, die sich für „progressiv“ halten, schweigen bei solcher Art Unrecht regelmäßig. Dabei sind sie sonst immer die ersten, die aufschreien, wenn mit einer Minderheit tatsächlich oder vermeintlich nicht ordentlich umgegangen wird. Anscheinend erliegen sie einer falsch verstandenen Art Multikulturalismus nach dem Motto: Es ist ein Segen, in Südtirol schon früh in der Schule eine zweite Sprache zu lernen, also kann man doch bitte schön froh sein, sie auch anwenden zu können, wenn man mal auf einen Beamten trifft, der nur Italienisch spricht. Nein! Auch der fließend Italienisch sprechende Südtiroler hat das Recht, in der Quästur sein Anliegen auf Deutsch vorzubringen.

Zweitens: Die Polizei teilte auf Nachfrage von UT24 mit, sie werde dem Fall „auf den Grund gehen“. Denn: „Normalerweise schauen wir schon, wenn so etwas mal passiert, dass der Anruf an jemanden weitergeleitet wird, der Deutsch kann.“ Das bedeutet: Nicht nachgeben, sondern Recht einfordern. Und nicht schweigen, sondern den Fall bekannt machen. Wer sich das Unrecht gefallen lässt, der verrät all diejenigen, die in den vergangenen hundert Jahren dafür sorgten, dass wir in Südtirol heute deutsche Schulen und eine deutschsprachige Verwaltung haben.

Sprache schützen

„Ein geistigeres und innigeres Element als die Sprache hat ein Volk nicht. Will ein Volk also nicht verlieren, wodurch es Volk ist, will es seine Art mit allen Eigentümlichkeiten bewahren, so hat es auf nichts mehr zu achten, als dass ihm seine Sprache nicht verdorben und zerstört werde“, notierte weiland der deutsche Schriftsteller Ernst-Moritz Arndt. Und von Herder wissen wir: „Für ein Volk ist seine Sprache etwas Besonderes. In ihr wohnt sein ganzer Gedankenreichtum an Tradition, Geschichte, Religion und Grundsätzen des Lebens, sein Herz und seine Seele.“

Es waren, wie derzeit übrigens auch in Weißrussland, vor allem auch die Frauen, die für Recht und Freiheit kämpften. Nach der Machtübernahme der Faschisten waren sie es, die im Verborgenen und öffentlich für die deutsche Muttersprache eintraten und hohes Risiko eingingen. Das Haus der Geschichte hat darüber erst vor kurzem ein wichtiges Buch herausgegeben.

So gilt auch heute noch, die Sprache zu schützen. Denn wer seine Sprache auf äußeren Druck hin aufgibt, der verliert am Ende noch weit mehr.

Lukas Steinwandter, Jg. 1990, der Journalist aus dem Hochpustertal arbeitet als Redakteur bei der Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit.

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  1. 13.09.2020

    @Lukas , gut beschrieben! Grüsse aus Niederdorf

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