Florian Stumfall

20.03.2024

„Altruismus-Heuchelei“

In jüngster Zeit haben Nachrichten über die Entwicklungshilfe Schlagzeilen gemacht und Kopfschütteln ausgelöst. So ist als besonders bizarres Beispiel dafür, wie die Berliner Bürokraten mit Steuergeld umgehen, die Unterstützung von Radwegen in Peru im allgemeinen Gedächtnis verblieben. Im Gegensatz dazu kann man getrost die Zahlungen an Großmächte wie China und Indien als versteckte Exportsubvention verstehen. Wenn aber von Entwicklungshilfe im ursprünglichen Sinn die Rede sein soll, dann richtet sich der Blick nach Afrika. Warum? Axelle Kabou aus Kamerun, Mitarbeiterin des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, sagt: „Afrika ist der einzige Teil der Dritten Welt, den man noch als ‚schwach industrialisiert und nur Rohstoffe produzierend‘ definieren muss.“

Symbolbild von Ralph auf Pixabay

Das ist die Ausgangslage, seit im Jahr 1961 das Ministerium für Entwicklungshilfe geschaffen worden ist. Im selben Jahr wurde die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gegründet, das internationale Pendant. An der damaligen Problemstellung allerdings hat sich seither nichts geändert, obwohl mittlerweile Milliarden-Beträge in den Schwarzen Kontinent geflossen sind.
Denn in der deutschen Politik gilt: Was mit viel Geld nicht zu machen ist, das erledigen wir mit noch mehr Geld. Damit verstößt man allerdings systematisch gegen eine tiefe Einsicht des Geistes- Titanen Albert Einstein. Der sagt: „Es ist ein Zeichen von Schwachsinn, stets das Gleiche zu tun und verschiedene Ergebnisse zu erwarten.“ Diesem Schwachsinn aber ist die deutsche Entwicklungspolitik seit Jahrzehnten verpflichtet.

Gründe für den Schwachsinn

Doch woher diese Malaise? Die Gründe dafür liegen sowohl in Deutschland als auch in Afrika. Die hiesigen sind schnell aufgezählt. Zum einen leidet die Politik an einem kollektiven Helfersyndrom, das sich auf die Sünden der Großväter und Urgroßväter stützt. Zum anderen will man sich Ansehen und Einfluss erkaufen und bedient sich dafür aller edlen Regungen, die viele Menschen empfinden angesichts der teils bedrückenden Verhältnisse in Afrika.
Dort aber sind die Perspektiven völlig andere. Die dortige Entwicklung seit der Dekolonialisierung haben die europäischen Mächte nicht vorhergesehen. Sie dachten, mit einem Federstrich aus einer Kolonie einen Staat zu machen, ohne zu bedenken, dass der afrikanischen Tradition der abstrakte Begriff vom Staat fremd ist. Daher verfuhren die neuen Machthaber nach ihren überkommenen Prinzipien, und sie regieren bis heute ihre Völker in patriarchalischer Weise.
Das heißt ferner, dass es zwar politische Präsidenten gibt, doch sie beanspruchen die Allzuständigkeit eines traditionellen Sippenchefs. Dazu gehört auch die Verfügungsgewalt des Chefs über die materiellen Reichtümer, der die Verpflichtung gegenübersteht, für Familie und Sippe zu sorgen. Im Westen wird dies natürlich als Vetternwirtschaft und Kleptokratie verstanden. Der schwarze US-Journalist Keith B. Richburg schreibt: „Selbst in sogenannten kultivierteren oder entwickelteren Ländern wie Kenia ist es in dreißig Jahren nation building nicht gelungen, ein wirkliches Gefühl der nationalen Identität zu schaffen, das über den Stamm hinausreichen könnte.“

Erfolgreicher als die deutsche Afrika-Strategie ist die chinesische

Die westliche Seite ist außer Stande, diesen Unterschied zu begreifen, geschweige denn, sich darauf einzurichten. Vielmehr machen europäische Entwicklungspolitiker ihre Hilfen oft davon abhängig, wie weit sich die Afrikaner den europäischen Ordnungsmustern angleichen. Wer mehr Geld will, muss mehr Demokratie zeigen. Doch auch diese Regel ist nutzlos. Einst wurde der kenianische Präsident Arap Moi gemahnt, er müsse in seinem Land zumindest eine zweite Partei zulassen. Der tat’s und beauftragte einen Neffen damit, eine solche zweite und natürlich ebenso loyale Partei zu gründen.
Schlimmer noch ist der Schaden, den der westliche Geldsegen anrichtet. Er lähmt jede eigene Initiative. Es gibt Länder in Afrika, die, wie etwa der Kongo, in ihrem Staatshaushalt für Bildung oder Gesundheitswesen gar keinen Titel einsetzen, dies in der sicheren und begründeten Erwartung, dass so etwas Randständiges ohnehin von den Europäern gezahlt wird. Der deutsche Diplomat Volker Seitz, der 17 Jahre lang in Afrika auf Posten war, zuletzt in Kamerun als Botschafter, beschreibt ein anderes Beispiel: „Viele Eliten gehen selbstverständlich davon aus, dass Ausländer die Entwicklung quasi im Alleingang in die Hand nehmen. … Es gibt mittlerweile zwischen Sahara und Südafrika kaum eine neu errichtete Straße, die nicht von der Entwicklungshilfe gezahlt wurde.“

Gescheitertes nation building

Dabei handelt es sich nicht um eine Momentaufnahme. Nochmal Seitz: „In den 60er Jahren hatten Staaten wie Nigeria, der Kongo oder Ghana bessere Entwicklungsindikatoren als etwa Südkorea.“ Überflüssig, den heutigen Vergleich anzuführen – er ist vernichtend. Axelle Kabou bietet dafür eine überraschende Erklärung an. „Im Bereich Entwicklung weist nichts mit Sicherheit darauf hin, dass sich Afrika wirklich entwickeln will.“ Die Eliten haben sich nämlich komfortabel eingerichtet, so Kabou. Fragen nach ihrer Inkompetenz, so die Kamerunerin, werden mit Hinweisen auf ein internationales Komplott abgewiesen. Zweitens soll das System der Einheitsparteien beibehalten werden. Und drittens will man nicht an der Einrichtung der luxuriösen Entwicklungsindustrie rühren.
Der kenianische Marktwirtschaftler James Shikwati hat noch handfestere Erklärungen parat. Er zieht als Gegenbeispiel zu Europa die überaus erfolgreiche Strategie Chinas in Afrika heran. „China“, so Shikwati, „hat vermutlich die Schwächen westlicher Ansätze in Afrika analysiert: Dass nämlich aus Furcht vor Migranten aus Afrika eine künstliche Stabilität erkauft wird, wobei man sich hinter dem Begriff ,Entwicklungshilfe‘ verbirgt. Der chinesische Ansatz bestand bisher aus Abmachungen und knallharten Verhandlungen, nicht aus Altruismus-Heuchelei.“ Und grundsätzlich erklärt er: „Wer Afrika helfen will, darf kein Geld geben.“

Kolumne von Dr. Florian Stumfall
Erstveröffentlichung PAZ (redaktion@preussische-allgemeine.de)

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  1. Itstime
    26.04.2024

    Das Geld, das so grosszügig verteilt wird, ist immer noch Steuergeld, dass man sicherlich besser nutzen könnte. Warum befragt man dazu nicht die Bevölkerung? Heuchelei und Ver…..ung 2.0

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