von red 22.12.2025 15:41 Uhr

Alte Tirolensien neu gelesen (Teil 72)

Adelina Wallnöfers als Buch veröffentlichte Dissertation „Die politische Repräsentation des gemeinen Mannes in Tirol: die Gerichte und ihre Vertreter auf den Landtagen vor 1500“ untersucht die Rolle der Gerichte und ihrer Vertreter in der Tiroler Landespolitik vom späten 13. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts.

Adelina Wallnöfer, Die politische Repräsentation des gemeinen Mannes in Tirol. Die Gerichte und ihre Vertreter auf den Landtagen vor 1500 (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs, Bd. 41), Innsbruck 2017.

Sie beleuchtet die politische Beteiligung der ländlichen Bevölkerung, die Organisation der Gerichtsvertretung auf Landtagen und in Ausschüssen sowie die sozialen, wirtschaftlichen und biographischen Profile der Repräsentanten. Die Arbeit verbindet gründliche Quellenforschung mit einer analytischen Darstellung der historischen Strukturen des Tiroler Ständewesens. Eine Rezension von Andreas Raffeiner.

Einleitung und Fragestellung

Die Autorin beginnt mit einer umfassenden Einführung in das Ständewesen Tirols und dessen historiografische Rezeption. Sie stellt die Frage, wie der „gemeine Mann“ auf lokaler Ebene durch Gerichte in Landtage und andere landschaftliche Gremien vertreten wurde, und umschreibt den gegenwärtigen Forschungsstand. Die Einführung liefert auf diese Weise keineswegs bloß die geschichtliche Einbettung, sondern auch die methodische Basis für die Analyse.

Historischer Kontext: Gerichte und Landesfürsten

Im zweiten Kapitel analysiert die Verfasserin die Entwicklung der Tiroler Gerichte von Ende des 13. bis Anfang des 15. Jahrhunderts. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Eigenständigkeit der Dorfgemeinden, der Gerichtsgemeinde und der Einhebung von Steuern. Wallnöfer zeichnet die Administration unter Meinhard II., den Luxemburgern, Wittelsbachern und frühen Habsburgern nach, wobei sie die Rolle der Gerichte in politischen Auseinandersetzungen und Landtagsangelegenheiten betont. Hier zeigt sich, wie lokale Strukturen zunehmend in landespolitische Prozesse integriert wurden.

Die Tiroler Landschaft im 15. Jahrhundert

Im dritten Kapitel beschreibt die Autorin, die sich durch eine akribische Feder und der Liebe zum Detail auszeichnet, die Landtage und die politische Rolle der Landschaft in den Jahren zwischen 1417 und 1490. Wallnöfer erforscht die Regierungszeiten von Friedrich IV. und Sigmund dem Münzreichen, ihre Konflikte, Steuerbewilligungen und die militärischen Herausforderungen. Dabei veranschaulicht sie, wie die Gerichte und deren Vertreter aktiv in den jeweiligen Verhandlungen eingebunden waren und politische Entscheidungen auf ihre Weise mitprägten.

Organisation und Tätigkeit der Gerichte

Im vierten Abschnitt beschreibt die Verfasserin die praktische Organisation der Gerichtsvertretung auf Landtagen und in Ausschüssen. Sie zeigt auf, welche Gerichte landtagsfähig waren, wie die Delegierten gewählt oder bestellt wurden und welche Funktionen sie in der Verwaltung übernahmen. Dabei wird deutlich, dass Wallnöfers Darstellung einen mehr als nur detaillierten Einblick in den institutionellen Aufbau der Tiroler Landtagslandschaft bietet.

Repräsentanten und soziale Strukturen

Kapitel fünf beschäftigt sich mit den Repräsentanten selbst: ihrer Herkunft, Ausbildung, ökonomischen Lage und gesellschaftlichen Stellung. Wallnöfer zeigt, wie diese Personen zwischen lokalen Pflichten, adliger Aufsicht und landespolitischen Aufgaben balancierten. Sie geht auch auf das Selbstverständnis der Gerichtsmitglieder ein und unterscheidet zwischen Vertretenen und Vertreters.

Biografische Register und Quellenarbeit

Das abschließende Kapitel liefert biografische Informationen zu zahlreichen Repräsentanten und ergänzt die Untersuchung durch ein ansehnliches Register und eine gewissenhafte und sorgfältige Quellenarbeit. Wallnöfer stützt sich auf ungedruckte und gedruckte Quellen sowie aktuelle Literatur, was die wissenschaftliche Fundierung der Arbeit mehr als deutlich unterstreicht.

Würdigung

Adelina Wallnöfers Dissertation überzeugt durch die Vereinigung von detaillierter Quellenanalyse und klar gegliederter Darstellung. Sie leistet einen beachtenswerten Beitrag zur Tiroler Landeshistorie, zur Untersuchung der ländlichen politischen Repräsentation und zur Sozialgeschichte des Spätmittelalters. Besonders zu unterstreichen ist dabei die differenzierte Betrachtung der Gerichtsvertreter als Vermittler zwischen lokaler und landespolitischer Ebene.

Mit 550 Seiten bietet das Werk sowohl Historikern als auch regionalgeschichtlich Interessierten eine unverzichtbare Referenz. Die klare Anordnung, die umfassenden Aufstellungen und Lebensbeschreibungen machen die hier zu rezensierende Publikation zu einem Nachschlagewerk von hohem und wissenschaftlichen Wert.

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Adelina Wallnöfer, Die politische Repräsentation des gemeinen Mannes in Tirol. Die Gerichte und ihre Vertreter auf den Landtagen vor 1500 (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs, Bd. 41), Innsbruck 2017.

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