Castel Badia: Wenn ein Luxushotel mit einem faschistischen Kunstnamen wirbt

Ein Stift mit langer Erinnerung
Die Sonnenburg ist kein beliebiges Schloss. Das ehemalige Benediktinerinnenstift war geistliches Zentrum, Grundherrschaft, Machtfaktor über Jahrhunderte. Der ladinische Name Ćiastelbadia erinnert daran, dass von hier aus das Gadertal geprägt wurde, bis hinein in den Talnamen Badia. Dass aus einem solchen Ort ein Hotel wird, ist an sich schon ein kulturpolitischer Einschnitt. Aber entscheidend ist die Frage, wie wir das nennen, was wir mit Millionenbeträgen zur „Destination“ umbauen – und welche Geschichte wir mit diesem Namen weitertragen oder eben nicht.
Vom Stift zur Marke
Bis vor kurzem firmierte das Haus als „Hotel Schloss Sonnenburg“, unter den neuen Betreibern tritt es nun unter dem glatten Label „Castel Badia“ auf. Mit jener Form, die klar faschistisch belastet ist: ein tolomeischer Kunstname, der erst im Zuge der Italianisierungspolitik des 20. Jahrhunderts offiziell auf die Karte gesetzt wurde. Der Name stammt nicht aus einer alten italienischen Tradition. Er ist Ergebnis eines politischen Projekts.
Tolomei als Umschreiber des Landes
Ettore Tolomei war kein freundlicher Vermittler zwischen Sprachen. Er war Nationalist, sein „Prontuario dei nomi locali dell’Alto Adige“ ein Instrument zur systematischen Umschrift des Landes. Ziel war es, deutsche und ladinische Namen zu verdrängen, Südtirol sprachlich umzucodieren. „Castel Badia“ gehört in diesen Zusammenhang. Sprachlich lehnt sich die Form zwar an das ladinische Ćiastelbadia an, sie spielt mit „castel“ und „badia“, mit Burg und Abtei. Politisch aber ist sie von oben gesetzt, im Rahmen eines Programms, das Identität verschieben und unkenntlich machen sollte. In dieser Spur steht der Name bis heute.
Aus Italianisierung wird Lifestyle
Hundert Jahre später wird dieselbe Form nun als frische Luxusmarke recycelt. Sie wird als elegante italienische Variante verkauft, als klingendes Etikett für ein Fünf-Sterne-Haus. Genau das macht die Sache heikel. Der Name wirkt plötzlich wie ein Stück mediterrane Lifestyle-Poesie, während seine Entstehungsgeschichte in Vergessenheit geraten ist. Aus einem Werkzeug der Italianisierung wird ein Branding-Element. Aus einem politischen Eingriff ein Marketinggag.
Warum nicht einfach „Sonnenburg“?
Die eigentliche Frage, die sich stellt, ist einfach und unbequem zugleich: Warum trauen wir uns nicht, dieses Haus einfach „Sonnenburg“ zu nennen? Was hindert uns daran, die historische Hauptform sichtbar zu lassen? Ist „Sonnenburg“ zu deutsch für eine internationale Klientel? Oder ist die Versuchung schlicht zu groß, mit einem glatt italienisch klingenden Namen auf dem globalen Luxusmarkt zu punkten?
Ein Symptom für einen blinden Fleck
Der Fall „Castel Badia“ steht exemplarisch für einen blinden Fleck in Südtirol. Mit Teilen der faschistischen Architektur – vom Siegesdenkmal bis zum „Kapuzinerwastl“ – ist man bis heute erstaunlich unreflektiert umgegangen. Bei den Ortsnamen ist es nicht anders. Was gut klingt, wird verwendet. Was einen Hauch von „Italianità “ verspricht, eignet sich für Imagefilme, Hotelwebseiten, Destinationsbroschüren. Die politische Herkunft dieser Namen verschwindet hinter Hochglanzfotos und Wellnessversprechen. Wirtschaftliche Verwertbarkeit ist wichtiger als erinnerungspolitische Genauigkeit. Wenn ein faschistisch konnotierter Name der Marke nützt, dann wird er eben verwendet. Und solange niemand laut widerspricht, gilt das als unproblematisch.
Die Verharmlosung über die Etymologie
Oft wird an dieser Stelle eingeworfen, „Castel Badia“ sei doch immerhin historisch irgendwie legitimiert, es stecke Badia darin, es sei doch eine Anknüpfung an die ladinische Tradition. Genau diese Argumentationsfigur macht die Sache gefährlich. Jede halbwegs geschickt gebildete Italianisierung lässt sich so weichzeichnen: ein bisschen Etymologie, ein paar vage Hinweise auf angebliche „historische Varianten“ – und schon verwandelt sich ein Produkt der Italianisierungspolitik in eine vermeintlich „gewachsene“ Form. Die politische Setzung verschwindet hinter sprachlichen Feinheiten.
Namen als verdichtete Erzählungen
Das ist der Punkt, an dem man widersprechen muss. Denn dort, wo ein Name überhaupt erst durch ein politisches Projekt entsteht, das auf Verdrängung zielt, bleibt diese Herkunft Teil seiner Bedeutung. Man kann sie nicht wegargumentieren, indem man auf die sprachliche Plausibilität zeigt. Ein Name ist mehr als seine Silben. Er ist eine verdichtete Erzählung darüber, wer benennt – und wer benannt wird.
Branding gegen historisches Bewusstsein
Die Umbenennung von „Hotel Schloss Sonnenburg“ in „Castel Badia“ ist deshalb kein nebensächlicher Marketingakt, sondern ein Symptom. Sie zeigt, wie leicht es uns fällt, sprachpolitische Konflikte in Designfragen zu verwandeln. Sie macht sichtbar, wie sehr wir uns an tolomeische Formen gewöhnt haben, bis wir sie nicht mehr erkennen. Und sie belegt, dass am Ende nicht selten das Branding stärker ist als das historische Bewusstsein.
Die unbequemen Fragen, die bleiben
Die Fragen, die dieser Name aufwirft, gehen über ein einzelnes Hotel hinaus. Welche Namen schreiben wir heute ohne Nachdenken fort? Wo akzeptieren wir faschistische oder nationalistische Setzungen als touristische Selbstverständlichkeit? Und was sagt es über ein Land, wenn ausgerechnet die Produkte der Italianisierungspolitik zu selbstverständlichen Kulissen des Luxus werden?
Namen als Entscheidung, wem der Ort gehört
Wer Südtirols Identität ernst nimmt, in ihrer Mehrsprachigkeit und in ihren Brüchen, sollte sich von „Castel Badia“ irritieren lassen. Namen sind keine neutralen Schilder an der Fassade. Sie sind Entscheidungen darüber, welche Geschichte erzählt wird – und welche zum Verschwinden gebracht wird. An der Sonnenburg wird diese Entscheidung gerade neu getroffen. Es wäre an der Zeit, sie nicht einfach dem Marketing zu überlassen.






