Tiroler Forscher auf Tiefsee-Expedition im Pazifik

Intelligenz: „Als wir vor vier Jahren noch unterwegs waren, haben zwei Kollegen stundenlang ins Mikroskop geschaut und die Tierchen und Pflanzenfossilien gezählt – jetzt lässt die Kollegin die KI drüberlaufen und generiert sehr schnell nochmals viel mehr Daten“, so Strasser: „Auf dem Schiff waren unterschiedlichste Forschungsdisziplinen vertreten, und Labore mit einer Ausstattung wie Top-Mikroskopen oder Massenspektrometern, von der man nur träumen kann. Das Schiff war quasi eine schwimmende Universität.“
Nun arbeitet das internationale Team (vier Forschende kommen aus Innsbruck) ein Jahr lang gemeinsam an der Auswertung der Proben und Vorbereitung von Publikationen. Anschließend stehen die Daten dann den einzelnen Gruppen zur weiteren freien Verwendung zur Verfügung.
Zwei große Forschungsfragen
Zwei große Fragen waren Treibstoff der Mission: „Niemand weiß, wie oft Erdbeben und damit verbundene Tsunamis – wie das Ereignis von 2011 oder etwa der ‚Weihnachtstsunami‘ aus 2004 – auftreten. Wir haben in den vergangenen 100 Jahren, seitdem wir diese Großereignisse messen können, fünf Megabeben erhoben“, so Strasser. Ungeklärt sei, ob diese Events mit einer Magnitude von 9 oder größer regelmäßig stattfinden und ob sie einem „übergeordneten Zyklus“ folgen. „Hier konkurrieren zwei Hypothesen: Die eine geht von einer zufälligen Verteilung aus – die andere von einer gewissen Regelmäßigkeit, und um das zu testen, braucht man ein Archiv mit einer langen Zeitreihe.“
Als zweites interessierte die Rolle dieser Zonen für den Kohlenstoffkreislauf und letztlich auch Klimawandel: „Diese Tiefseegräben waren bisher schwarze Löcher auf unserer Landkarte des Verständnisses des Kohlenstoffkreislaufs, aber hier wird sehr viel Kohlenstoff umgesetzt und umgelagert.“ Auch hier gebe es wieder zwei Hypothesen. Eine gehe davon aus, dass Tiefseegräben als große Kohlenstoffsenken dienen – eine andere gehe von einer Rückführung des Kohlenstoffs in die Ozeane aus.
Die Speicherung von Kohlenstoff im Meeresgrund konnte bei der Expedition 2021 mit einer aktiven „Remineralisierung“ von organischem Kohlenstoff in den Tiefseegräben in Zusammenhang gebracht werden. Man ging also davon aus, dass Megabeben für mehr gelösten Kohlenstoff verantwortlich sind: Tektonische Ereignisse könnten die Kohlenstoffakkumulation verstärken und die Kohlenstoffumwandlung in diesen Graben-Systemen stimulieren, „was den Kohlenstoffexport in die Subduktionszonen beschleunigen kann“, schrieben 2023 die Forschenden in „Nature Communications“. „Jetzt haben wir die Bohrkerne, wo wir das dann messen können“, so Strasser, der sich über erste Messungen auch schon sehr begeistert zeigte: „Mehr darf ich noch nicht verraten.“
"Darf Kind sein und Neues entdecken"
„Das ist das Schönste für einen Forscher auf dem Schiff: Man lernt so viel, und man darf Kind sein und Neues entdecken“, so der Geologe, der diese Art von Expeditionserfahrung, einhergehend mit dem Kontakt zu internationalen Kollegen, auch vor allem für den Nachwuchs als essenziell ansieht. Seit 2001 nimmt Österreich am International Continental Scientific Drilling Program teil, seit 2004 an dem IODP. Was bedeutet dies für den Tiroler? „Wir bohren zwar auch in österreichischen Seen. Aber wir erforschen Erdsysteme, und diese hängen zusammen. Der Zugang zu diesen exzellenten kooperativen Großforschungsprogrammen ist daher – auch für ein Binnenland – wichtig. Die Astronomen nutzen NASA-Missionen – wir nutzen IODP-Expeditionen, um mit Bohrschiffen in unbekannte Gefilde auf – unserem eigenen – Planeten vorzudringen.“
apa






