von mmh 03.11.2025 17:28 Uhr

Neuregelung zur Medikamentengabe stockt – Kritik an Ärztekammer und Regierung

Der Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV) kritisiert, dass die schon im Juli des Vorjahres beschlossene Kompetenzerweiterung für diplomierte Pflegekräfte bei der Medikamentengabe noch immer nicht (via Verordnung) umgesetzt worden ist. Derzeit hinke dieser Prozess, „weil die Pflichtinteressensvertretungen hier ihr Veto einlegen“, so ÖGKV-Vizepräsidentin Inge Köberl-Hiebler im Ö1-Radio. Sie sieht die Gesundheitsministerin gefordert. Kritik kam auch von den Grünen.

APA/THEMENBILD

Auf der Bremse stehe konkret die Ärztekammer, berichtete das Ö1-„Mittagsjournal“ am Montag. Köberl-Hiebler verwies darauf, im Gesetz stehe lediglich, die Pflichtinteressensvertretungen (wie die Ärztekammer) müssten „gehört“ werden. „Also eigentlich könnte der Gesetzgeber hier schon klar vorgeben, dass die Pflege das machen darf“, betonte die Vizepräsidentin. Sie wünscht sich nun ein Gespräch mit Gesundheitsministerin Korinna Schumann (SPÖ).

Neuregelung schon 2024 beschlossen, Umsetzung ausständig

Schumanns Vorgänger Johannes Rauch (Grüne) hatte die Neuregelung vorangetrieben – auch mit dem Verweis darauf, dass derartige Verschreibungen durch Pflegekräfte in anderen Ländern ganz normal seien, so Ö1. Eigentlich hätte die Neuerung (durch eine Verordnung Schumanns) bis 1. September umgesetzt werden sollen, sagte ÖGKV-Präsidentin Elisabeth Potzmann auf Nachfrage zur APA. Dass es nun zu Verzögerungen kommt, ist auch für sie unverständlich.

Die Neuerung soll den diplomierten Pflegekräften mehr Kompetenzen bringen. Sie dürften damit auch bestimmte Medikamente „verordnen“. Freilich geht es dabei laut Potzmann ohnehin nur um jene Medikamente, die man rezeptfrei in der Apotheke kaufen kann (sogenannte „Over the counter“-Arzneimittel). Diplomierten Pflegekräften ist das eigenständige Besorgen und Weitergeben derartiger Medikamente aber derzeit nicht gestattet. Benötigt beispielsweise ein Heimbewohner ein in der Apotheke ohne Rezept erhältliches Kopfwehmittel, so muss das von einem Arzt verordnet werden.

Mühsame Wege auch bei rezeptfreien Medikamenten

Da in Heimen aber in der Regel kein ärztliches Personal anwesend ist, gestalte sich das oft sehr mühsam, erklärte Potzmann gegenüber der APA: Die Hausärzte der Heimbewohner müssen in solchen Fällen kontaktiert werden, ein Rezept für das rezeptfreie Medikament muss ausgestellt werden und erst mit diesem können dann diplomierte Pflegekräfte das benötigte Arzneimittel aus der Apotheke abholen. „Da sitzen diplomierte Pflegefachkräfte in der Ordination, damit sie ein Rezept bekommen“, verwies Potzmann auf den Aufwand.

Vor demselben Problem steht auch die Hauskrankenpflege, auch hier muss jeweils ein Arzt mit der Beschaffung befasst werden. Dasselbe gelte im Krankenhaus, dort stelle sich dieses Problem aufgrund des raschen Zugriffs auf Ärzte aber weniger schwierig dar.

Vor allem Patientinnen und Patienten zu Hause oder in der Langzeitpflege wäre geholfen, sagt Inge Köberl-Hiebler, weil sie dann weniger Wege absolvieren müssten, um zu ihren Medikamenten zu kommen. Die Liste der von den neuen Möglichkeiten im Gesetz umfassten Medikamente sollte per Verordnung des Gesundheitsministeriums seit September vorliegen.

Grüne Kritik an Ärztekammer und Koalitionsparteien

Kritik sowohl an der Ärztekammer als auch den Koalitionsparteien kam von den Grünen. „Es zeigt sich einmal mehr, dass die ständige Blockadehaltung der Ärztekammer schlecht für das Gesundheits- und Pflegewesen ist“, erklärte der Grüne Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner in einem schriftlichen Statement. „Was längst international üblich ist, und nachweislich zur Verbesserung der Betreuung beiträgt, wird in Österreich von der Ärztekammer aus Standesinteressen verunmöglicht.“ Genauso müsse man aber auch Kritik an der Regierungsmehrheit im Nationalrat üben, so der Abgeordnete mit Verweis auf einen im Oktober im Sozialausschuss von den Grünen gestellten und mit Regierungsmehrheit vertagten Antrag.

Dieser hätte den Pflegeberufen dieselben Rechte wie den Berufen der medizinisch-technischen Dienste eingeräumt (MTD). Laut der derzeitigen Vorgabe (die wie oben erwähnt noch nicht umgesetzt ist) sollen diplomierte Pflegekräfte nur Arzneimittel für die Bereiche Nahrungsaufnahme, Körperpflege sowie Pflegeintervention und Pflegeprophylaxe selbstständig verordnen können. Der Grüne Antrag hätte das auf andere Arzneimittel erweitert. „Einzig das Ministerium hätte dann noch die Medikamentenliste freigeben und definieren müssen. Statt dieser sinnvollen Novelle zuzustimmen, hat man diese mit fadenscheinigen Gründen vertagt“, so Schallmeiner.

apa

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