Das wahre Namensverbrechen

Man reibt sich die Augen: Dieselben Kreise, die heute nach zweisprachigen Wegweisern schreien, sind die Erben jener Politik, die einst mit brutaler Gewalt unsere Ortsnamen neu erfunden haben.
Der Sommerloch-Aufreger
Ein paar Wegschilder mit den überlieferten deutschen Namen – und schon wittern manche Rechtsparteien „Identitätsverlust“. Vom Cai hieß es sogar, Touristen könnten sich verirren, weil „Laugenspitze“ nicht „Monte Luco“ heiße.
Die Realität? Seit über hundert Jahren wandern Menschen in Südtirols Bergen – ohne dass je ein Unfall passiert wäre, weil ein Schild nur deutsch war. Hier geht es nicht um Sicherheit, sondern um Symbolpolitik auf Kosten unserer Sprache.
Übersetzungskünstler Tolomei
Wer in Südtirol tatsächlich die Namen ausgelöscht hat, ist keine Frage: Es war der faschistische Staat Italien. Nicht der Alpenverein, nicht ein paar Gemeinden, sondern Mussolinis Schergen, die in den 1920er- und 30er-Jahren mit brachialer Gewalt das Land seiner Sprache beraubten.
Im Auftrag Roms bastelte Ettore Tolomei sein „Prontuario dei nomi locali dell’Alto Adige “, ein Handbuch voller Fantasienamen, die mit der Geschichte, Kultur und Mundart dieses Landes nichts zu tun haben. Mit dem Federstrich wurden uralte Orts- und Flurnamen, die über Jahrhunderte gewachsen waren, beiseitegewischt und durch Kunstprodukte ersetzt, die kein Mensch je verwendet hatte.
Drei faschistische Dekrete machten das Ungeheuerliche zur Pflicht: Das Aussprechen deutscher Namen wurde verboten. Die Bevölkerung musste fortan auf Ämtern, in Schulen, ja selbst in den eigenen Dörfern diese erfundenen Wörter in den Mund nehmen. Es war nichts anderes als eine staatlich verordnete Identitätsvernichtung – ein Angriff auf das Herz und Gedächtnis Südtirols.
Und diese Namen sind nicht harmlose Übersetzungen, sondern Ketten, mit denen Rom bis heute die Erinnerung fesselt. Sie sind das bleibende Siegel einer Kolonialpolitik, die unser Land unterwerfen wollte.
Die Heuchelei der Empörten
Dass sich nun ausgerechnet jene politische Seite, die dieses Erbe nie aufgearbeitet hat, über deutsche Wegweiser empört, ist blanker Hohn. Wer heute „zweisprachige Wegweiser“ ruft, verteidigt in Wahrheit die faschistische Übersetzung der Ortsnamen von gestern.
Was getan werden muss
Nicht die Entfernung deutscher Wegweiser ist nötig, sondern endlich die Tilgung der faschistischen Kunstnamen. Erst wenn die ursprünglichen deutschen und ladinischen Ortsbezeichnungen wieder amtlich anerkannt sind, kann man von gerechter Zweisprachigkeit sprechen. Alles andere bleibt ein Hohn.
Darum braucht es jetzt ein klares Signal: Ein Gesetz zur ersatzlosen Streichung der von Tolomei erfundenen Namen. Schluss mit Fantasiebegriffen aus Rom, Schluss mit kolonialistischen Zwangsübersetzungen. Südtirol muss seine echten, historisch gewachsenen Orts- und Flurnamen zurückbekommen – unverfälscht, amtlich anerkannt und endgültig befreit vom faschistischen Erbe.






