Ohne Willkommensklassen keine Zukunft für die deutsche Schule

Denn die deutsche Schule ist nicht irgendein Bildungsangebot. Sie ist die tragende Säule unserer Autonomie und die wichtigste Institution zum Erhalt der deutschen Sprache und Kultur in Südtirol. Wer hier fahrlässig handelt, gefährdet nicht weniger als die Zukunft der deutschen Volksgruppe.
Realität in den Städten: Deutsch auf dem Rückzug
Vor allem in Städten wie Bozen und Meran zeigt sich die Entwicklung deutlich: Viele Kinder mit Migrationshintergrund treten in die erste Klasse ein, ohne auch nur einfache Deutschkenntnisse zu besitzen. Hinzu kommt, dass zahlreiche italienischsprachige Familien ihre Kinder bewusst in die deutsche Schule einschreiben, obwohl zu Hause ausschließlich Italienisch gesprochen wird. Dadurch hat sich das sprachliche Klima spürbar verschoben – auf den Pausenhöfen dominiert heute meist Italienisch, während Deutsch zunehmend in den Hintergrund gedrängt wird.
Das hat weitreichende Folgen. Deutschsprachige Kinder sind in ihrer eigenen Schule oft in der Minderheit und verlieren damit ihre natürliche sprachliche Umgebung. Lehrpersonen geraten in eine Überforderungssituation, weil sie gleichzeitig unterrichten, übersetzen und Sprachförderung leisten müssen. Und die Kinder, die ohne Deutschkenntnisse in die Schule kommen, scheitern häufig, weil sie dem Unterricht nicht folgen können und schnell frustriert sind. So entsteht eine Situation, in der am Ende niemandem geholfen ist.
Das Autonomiestatut verpflichtet zur Muttersprache
Artikel 19 des Autonomiestatuts garantiert den Unterricht in der Muttersprache. In der deutschen Schule wird dieser Grundsatz auch eingehalten: Der Unterricht findet auf Deutsch statt, geleitet von Lehrpersonen deutscher Muttersprache. Doch das reicht nicht. Sprache lernt und lebt man nicht nur in der Schulstunde, sondern auch im Umfeld: in der Pause, beim Spielen, in Gruppenarbeiten und im täglichen Miteinander. Genau hier kippt die Situation. In vielen Schulen, besonders in den Städten, ist Italienisch längst die dominante Sprache außerhalb des Unterrichts.
Damit bleibt der deutsche Unterricht zwar formal bestehen, doch die notwendige sprachliche Umgebung bricht weg. Ohne dieses Umfeld verliert die deutsche Schule ihre eigentliche Stärke: den Kindern eine wirklich deutschsprachige Lebens- und Lernwelt zu bieten. Wer das hinnimmt, riskiert, dass die deutsche Schule zwar noch auf dem Papier deutsch ist, in der Praxis aber immer mehr zu einer italienischen Umgebung mit deutschsprachigem Unterricht verkommt. Das aber würde die Grundlage unserer Autonomie und den Schutz der deutschen Sprachgruppe aushöhlen.
Willkommensklassen: Eine Brücke für alle
Oft wird behauptet, Willkommensklassen seien Ausgrenzung. Das Gegenteil ist richtig. Sie sind eine Brücke. Kinder, die beim Schuleintritt noch kaum Deutsch können, erhalten in kleinen Gruppen intensiven Sprachunterricht, damit sie rasch Anschluss finden. Sobald die Kinder ein ausreichendes Sprachniveau erreicht haben, wechseln sie vollständig in die Regelklasse.
Dieses Modell schützt die Interessen aller. Deutschsprachige Kinder können in einer Umgebung lernen, die wirklich deutschsprachig ist. Und Kinder ohne Sprachkenntnisse bekommen eine faire Chance, erfolgreich zu lernen, anstatt gleich zu Beginn überfordert zu werden. In vielen Ländern ist dieses Modell seit Jahren bewährt. Nur Südtirol zögert – aus Angst vor ideologischen Debatten. Wer Willkommensklassen blockiert, gefährdet damit nicht nur die Chancengleichheit, sondern auch die Substanz der deutschen Schule selbst.
Politische Verantwortung
Dass manche Politiker auf Landes- und Gemeindeebene Willkommensklassen blockieren, ist verantwortungslos. Sie ignorieren die Realität an den Schulen und überlassen Lehrer und Eltern einem wachsenden Problem. Oft wird dabei mit Schlagworten wie „Integration“ argumentiert. Doch echte Integration kann nur gelingen, wenn Kinder die Sprache beherrschen, in der sie unterrichtet werden. Alles andere ist Selbstbetrug – und kommt einem schleichenden Angriff auf die deutsche Schule gleich.
Was jetzt geschehen muss
Notwendig ist zunächst eine Sprachstandserhebung bereits im Kindergarten. Es darf nicht sein, dass Kinder ohne jede Sprachkenntnis sofort in die Regelklasse gesetzt werden. Darauf aufbauend braucht es den systematischen Aufbau von Willkommensklassen in allen Städten und größeren Orten, die mit qualifizierten Lehrpersonen ausgestattet werden. Der Übergang in die Regelklasse darf nicht starr nach Zeitplan erfolgen, sondern muss an klaren Sprachzielen gemessen werden.
Darüber hinaus muss das deutsche Umfeld auch außerhalb des Unterrichts gestärkt werden. Auf dem Pausenhof, in Projekten, in Arbeitsgemeinschaften – überall dort muss Deutsch wieder selbstverständlich sein. Schließlich sind auch die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten endlich konsequent anzuwenden: Die paritätische Kommission muss wieder eingesetzt werden. Sie existiert nicht zum Selbstzweck, sondern um Ordnung in genau diesen Fragen zu schaffen. Wer sie nicht nützt, trägt Mitverantwortung für den Niedergang der deutschen Schule.
Sprache als Fundament
Willkommensklassen sind kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Ohne sie verlieren wir Schritt für Schritt die Grundlage der deutschen Schule. Es geht nicht um Ideologie, sondern um Realität: Kinder brauchen Sprache, um lernen zu können. Deutschsprachige Kinder haben das Recht, in einer deutschen Umgebung aufzuwachsen. Und zugewanderte Kinder haben das Recht, ernsthaft auf diesen Unterricht vorbereitet zu werden.
Wer Willkommensklassen verhindert, gefährdet am Ende nicht nur die Qualität unserer Schulen, sondern auch die Zukunft der deutschen Volksgruppe in Südtirol. Genau deshalb ist es höchste Zeit, die Augen nicht länger zu verschließen.






