Abstimmung in Katalonien: Tirol mittendrin statt nur dabei

Guten Tag Herr Varesco. Schön, Sie wieder zu hören. Gestern merkte man in den Straßen Barcelonas noch nicht viel von einer möglicherweise Geschichte schreibenden Abstimmung in Katalonien. Wie ist die Lage heute?
Varesco: Es ist großartig. Man bemerkt einen unglaublichen Willen von unten herauf – bottom up – vom Volke. Obwohl alles hektisch war und niemand wusste, was passiert, sind die Massen mobilisiert worden.
Vor den Wahllokalen bilden sich hundert Meter lange Schlangen. Man kann sich das kaum vorstellen.
Die Leute sind begeistert, dass sie abstimmen dürfen. Sie warten hier im kalten Wind und Nieselregen, harren aus bis sie endlich im Wahllokal sind.
Die Abstimmung wird wider Anweisung Madrids in öffentlichen Gebäuden abgehalten. Gibt es Konflikte mit den staatlichen Behörden?
Varesco: Alle verhalten sich ruhig, es gibt keine Ausschreitungen. Die Polizei wartet neben den Wahllokalen auf Anweisungen von oben.
Wider Willen des spanischen Staates wird die Abstimmung von der katalanischen Regierung unterstützt. Öffentliche Schulen und andere Gebäude werden bereitgestellt.
Wie genau läuft die Abstimmung ab, es waren keine Wählerlisten vorgesehen?
Varesco: Alles ist gut organisiert. Jeder Wähler ist einem Bezirk zugeteilt, wer gewählt hat, wird in einem Computer registriert. Jeder Wähler muss einen gültigen Ausweis vorlegen und über 16 Jahre alt sein.
Wir haben in unserer Funktion als Wahlbeobachter das System auch getestet und schickten eine Person die schon gewählt hat, noch einmal hinein. Das Computersystem erkannte sofort, dass die Person schon gewählt hat und somit nicht noch einmal seine Stimme abgeben darf.
Gab es Ausschreitungen zwischen Unabhängigkeitsbefürwortern und –Gegner?
Wie erwähnt gab es keine Ausschreitungen. Das „Highlight“ war eine kleine Behinderungsaktion von Gegnern der Unabhängigkeit die über Nacht eine Tür eines Wahllokals zugekleistert haben. Das war sozusagen die einzige Störaktion. *Lacht*
Warum wurde die Abstimmung mit zwei Fragen konzipiert?
Das war ein strategischer Grund. Wir haben beispielsweise mit dem Leader der Grünen Partei in Katalonien gesprochen. Er ist für die Befragung der Menschen. Die Mehrheit der Grünen sagt, Ja zu eigenem Staat aber Nein zur Unabhängigkeit, also mehr eine föderale Lösung. Aber durch die Trennung der zwei Fragen, brachte Mas auch etwas unentschlossenere oder zögerliche Menschen wie die Grünen zum Wählen.
Gibt es sonst noch etwas, das die Tiroler wissen sollten?
Ja, unbedingt muss erwähnt werden, dass die ganze Abstimmung vollkommen friedlich verläuft. Es sind keine Panzerwagen oder Polizisten in Vollmontur unterwegs. Ebenso wichtig ist die Tatsache, dass über 40.000 Freiwillige die Abstimmung ermöglichen. Es ist unvorstellbar.
Das Interview führte Lukas Steinwandter.







