von gk 09.10.2024 12:54 Uhr

Italien nach dem Krieg: Unvollendete „Säuberung“ vom Faschismus

Italien war in der Nachkriegszeit im Spannungsfeld zwischen unzureichender Aufarbeitung des Faschismus und den Konflikten innerhalb der antifaschistischen Kräfte gefangen. Während die „Säuberung“ von ehemaligen Faschisten oft an politischem Schutz und milden Strafen scheiterte, nahmen kommunistische Partisanen das Gesetz in die eigene Hand und verübten gewalttätige Akte der Vergeltung.

Partisanen der kommunistischen "Brigata Garibaldi" (Bild: Effekt Verlag).

In diesem Teil des Kapitels aus “Repression I” (den Bericht zum vorherigen Kapitel findest du hier) beleuchtet der Historiker Helmut Golowitsch die Ereignisse in Italien nach der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Im Mittelpunkt stehen die mangelhafte Aufarbeitung des Faschismus und der gewalttätige Widerstand der Partisanen. Diese Entwicklungen prägen die Nachkriegszeit und werfen Fragen zur Aufarbeitung der faschistischen Vergangenheit und zur Zukunft der italienischen Gesellschaft auf.

Nach dem Krieg stand die neue italienische Regierung unter Druck, sich von faschistischen Einflüssen zu reinigen und ehemalige Anhänger Mussolinis aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Die „epurazione“ (Säuberung) wurde jedoch von vielen politischen Hindernissen begleitet. Während Tausende Entlassungen angekündigt wurden, kam es zu zahlreichen Verzögerungen und bürokratischen Hürden, sodass nur wenige tatsächlich dauerhaft aus dem Amt entfernt wurden.

Zudem erhielten prominente faschistische Funktionäre, wie der ehemalige Innenminister Mario Scelba, später hohe Ämter in der Nachkriegsregierung, was zeigt, wie unvollständig und diese Säuberung verlief und in weiten Teilen nur symbolischen Charakter hatte. Viele der Personen, die bereits im Faschismus hohe Ämter bekleideten, konnten aufgrund des milden Vorgehens oder aufgrund von politischen Protektionismen schnell rehabilitiert werden.

 

Gewalt und Terror der Partisanen

Die Rückkehr der Alliierten und der Abzug der deutschen Truppen führten zu einem Machtvakuum, in dem die kommunistischen Partisanengruppen eine starke Rolle einnahmen. Die „Brigate Garibaldi“, eine kommunistische Partisaneneinheit, nutzte die Situation, um faschistische Kollaborateure zur Rechenschaft zu ziehen, oft in Form von Racheakten und öffentlichen Hinrichtungen. Die Partisanenbewegung stellte sich jedoch auch gegen andere nicht-kommunistische Widerstandsgruppen, was zu Spannungen und gewaltsamen Konflikten innerhalb der antifaschistischen Bewegung führte.

In vielen Städten, wie Mailand und Bologna, kam es zu blutigen Ausschreitungen, bei denen zurückflutende deutsche und italienische Soldaten Opfer von Lynchjustiz wurden. Historiker wie Karl Mittermaier beschreiben diese Ereignisse als eine Mischung aus politischem Widerstand und persönlicher Rache, die oft unschuldige Menschen traf.

Die Herausforderungen der neuen Regierung

Die neu formierte Regierung Badoglio stand vor der Herausforderung, das Land zu stabilisieren und gleichzeitig die Ansprüche der Alliierten, der Partisanen und der Bevölkerung zu erfüllen. Die Säuberungsprozesse wurden schließlich im Jahr 1946 durch eine umfassende Amnestie abgebrochen, wodurch viele ehemalige Faschisten, die in das System integriert waren, nicht zur Verantwortung gezogen wurden. Dieses Vorgehen ermöglichte es zahlreichen früheren Funktionären, sich in die neue politische Ordnung zu integrieren.

Nichts konnte ab nun die weitere Karriere prominenter weißgewaschener Schwarzhemden bremsen. Ein Beispiel, welches Südtirol betraf: Der Faschist Dott. Guido Broise war in der Zeit des faschistischen Präfekten Giuseppe Mastromattei Kabinettschef der Präfektur in Bozen gewesen und hatte eine führende und verderbliche Rolle bei der Aussiedlung der Südtiroler Optanten gespielt. Unter dem christdemokratischen Innenminister Mario Scelba sollte er zu dessen Kabinettschef im Innenministerium avancieren. Im Jahre 1961 verlieh hm der italienische Staatspräsident das Großkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik und ernannte ihn zum „Ordensritter“, zum „Cavaliere di Gran Croce Ordine al Merito della Repubblica Italiana“.

Unter der Verantwortung „seines“ Innenministers Scelba sollte übrigens 1961 die fürchterlichen Folterungen Südtiroler politischer Gefangener stattfinden.

Fortsetzung folgt…

  • Repression Band 1 (Bild: Effekt Verlag)

Der obige Auszug stammt aus dem Buch „Repression. Band 1. Wie Südtirol 1945/46 wieder unter das Joch gezwungen wurde“ von Dr. Helmut Golowitsch.

Golowitsch, Helmut: Repression. Band 1. Wie Südtirol 1945/46 wieder unter das Joch gezwungen wurde: Neumarkt a.d. Etsch: Effekt!. 2020. ISBN: 978-88-97053-68-2

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