Wirbel um Faschisten-Briefmarke

Bildungslandesrat Philipp Achammer
Die Veröffentlichung einer Sonderbriefmarke durch die italienische Post zu Ehren von Giovanni Gentile, einem umstrittenen Philosophen und Bildungsminister des faschistischen Regimes, hat in Südtirol zu Protesten geführt. Südtirols Landesrat für Deutsche Bildung Philipp Achammer hat im sozialen Netzwerk mit folgendem Kommentar reagiert: „Eine Briefmarke ,zu Ehren‘ jenes faschistischen Unterrichtsministers, der mit Dekret vom Oktober 1923 unter anderem das Verbot der deutschen Schule zu verantworten hat? Ja sag mal, geht’s noch? Immer noch nichts aus der Geschichte gelernt? Unglaublich!“
Fraktionssprecher Harald Stauder
Auch der Fraktionssprecher der SVP, Harald Stauder, schreibt am heutigen Montag in einer Aussendung: „Keine Rücksichtnahme auf sprachliche Minderheiten – das ist ein Armutszeugnis für die italienische Postbehörde.“ Er fordert mehr Bewusstsein und Sensibilität im Umgang mit der Geschichte sowie die verantwortlichen Stellen auf, die Veröffentlichung der Briefmarke rückgängig zu machen und stattdessen eine umfassende, kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte zu führen.
Obmann und Kammerabgeordneter Dieter Steger
Klare Worte findet auch SVP-Obmann Dieter Steger in einer Aussendung: „Grundsätzlich ist die Aufarbeitung in Italien, was den Faschismus anbelangt, mehr als dürftig. Immer noch wird diesbezüglich relativiert und idealisiert. Diese Briefmarke ist dabei ein erneuter trauriger Höhepunkt.“ Ob Mussolini-Wein oder jetzt Briefmarken – für Steger handle es sich hier nicht um Geschmacksverirrungen, sondern es sei schlichtweg „unerträglich“ und „in keinem Fall tolerierbar“. Steger wird in der Abgeordnetenkammer in Rom eine Anfrage stellen: er will wissen, wer für die Briefmarke verantwortlich ist und erwarte sich eine klare Distanzierung von der Regierung.
Senatorin Julia Unterberger
Auch die Senatorin Julia Unterberger kritisiert in einer Aussendung die Briefmarke: „Die Briefmarke zum Gedenken an Giovanni Gentile, dessen Schulreform eine der Säulen für die Zwangsitalianisierung Südtirols während des Faschismus war, macht sprachlos. Obwohl Gentile eine komplexe Figur ist, sollte man nicht vergessen, dass er aktiv mit dem faschistischen Regime zusammenarbeitete und eine führende Rolle bei dem Versuch spielte, die deutsche Minderheit auszulöschen. Ihn mit einer Briefmarke zu ehren, ist ein Affront gegen Südtirol“.
„Lex Gentile“ sollte Südtirol endgültig italianisieren
Im Rahmen des Versuchs, Südtirol zu italianisieren, wurde mit Dekret vom Oktober 1923 (Lex Gentile) verfügt, dass ab dem Schuljahr 1925/26 Italienisch als ausschließliche Unterrichtssprache in allen Schulen gelten sollte. Die Südtiroler Lehrer wurden entlassen und durch italienische, die oft kein Deutsch konnten, ersetzt. Ebenso wurde ab Oktober 1924 die deutsche Sprache in allen Kindergärten verboten. Als daraufhin Eltern Privatunterricht und private Spielstuben organisierten, wurde dies per Dekret vom November 1925 strikt verboten. Um den Kindern Unterricht in ihrer Muttersprache zu gewährleisten, musste ein Netz von Untergrundschulen begründet werden und so entstanden die Katakombenschulen.
Aktionen des Südtiroler Schützenbundes (SSB)
Der Südtiroler Schützenbund (SSB) erinnerte am vergangenen 1. Oktober nach genau 100 Jahren in einer beeindruckenden Veranstaltung am Bozner Landhausplatz der „Lex Gentile“. In den Mittelpunkt der Veranstaltung stellte der SSB jene Katakombenlehrer, die ihr Leben in selbstlosem Einsatz der Vermittlung der Muttersprache widmeten und die auch heute noch Vorbild seien (UT24 berichtete).
Der Schützenbezirk Brixen hat als Erinnerung an die Katakombenschulen eine Ausstellung im Kloster Neustift organisiert, welche noch bis zum 17. August frei zugänglich ist (UT24 berichtete).






