von ag 23.07.2024 10:30 Uhr

Geoblocking – „Eine diskriminierende Praxis“

„Dieser Inhalt ist in Ihrem Land nicht verfügbar“ – dieser Satz lässt so manchen wütend werden, wenn Filme, Reportagen oder Interviews in ausländischen Mediatheken nicht abrufbar sind. Dabei wäre es gerade für Minderheiten wie in Südtirol wichtig, deutschsprachige Inhalte aus den Mediatheken von ZDF, ARD oder ORF abrufen zu können. UT24 hat bei Südtirols Europaparlamentarier nachgehackt.

Immer wieder erscheint diese Aufschrift auf Fernsehern - Screenshot ZDF Mediathek

Man sitzt gemütlich vor dem Fernseher und wird gleichzeitig aufgefordert die „Rote Taste“ zu drücken, um die Mediathek des jeweiligen Senders zu öffnen. Tatsächlich werden dort oft spannende und interessante Filme oder Reportagen angeboten. Nur blöd, dass die meisten davon für Südtirols Bevölkerung aufgrund des sogenannten „Geoblockings“ nicht angesehen werden können.

Nicht nur für Südtiroler, sondern auch für alle anderen Minderheiten in Europa stellt dieses System eine Diskriminierung dar. UT24 hat mit EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann über das Phänomen „Geoblocking“ gesprochen und dabei auch in die Zukunft geblickt:

UnserTirol24: Herr Dorfmann, was halten Sie generell vom Geoblocking?

Herbert Dorfmann: Geoblocking ist eine diskriminierende Praxis, die den Zugang zu Dienstleistungen und Produkten für Online-Kunden in anderen Mitgliedstaaten verweigert. Diese Praxis ist seit Dezember 2018 in der EU verboten. Audiovisuelle Inhalte, die urheberrechtlich geschützt sind, stellen eine Ausnahme dar und der Zugang darf weiterhin eingeschränkt werden. Der Grund dafür liegt hauptsächlich an den etablierten Vertriebspraktiken, die auf Gebiets- und Exklusivlizenzen im audiovisuellen Sektor beruhen. Eine Lösung für dieses Problem wäre ein einheitliches europäisches Urheberrecht. Nur wenn das Urheberrecht europäisch geregelt ist, kann man die Inhalte europaweit verkaufen und streamen. Dafür gibt es jedoch eine mehrheitliche Blockadehaltung der Mitgliedstaaten.

UT24: Ist dieses System in einem zusammenwachsenden Europa vielleicht sogar überflüssig?

Die Abschaffung von Geoblocking für audiovisuelle Dienste ist wichtig für ein zusammenwachsendes Europa. Uneingeschränkter Zugang zu Inhalten, unabhängig davon, in welchem Land man sich aufhält, stärkt sicherlich das Gefühl eines Europas, in dem Grenzen keine Hindernisse mehr sind.

UT24: Teilen Sie die Meinung, dass solche Einschränkungen für Minderheiten von Nachteil sind?

Dorfmann: Absolut. Diese Einschränkungen sind nicht nur für sprachliche Minderheiten ein Nachteil, sondern für alle, die im Ausland leben und audiovisuelle Inhalte aus einem anderen Land sehen möchten. Wenn sich Menschen überall in Europa aufhalten und sich zunehmend eine multikulturelle Gesellschaft entwickelt, sollte man dafür sorgen, dass Medien überall zugänglich sind.

  • Herbert Dorfmann

EU-Abgeordneter Herbert Dorfmann – Bild: Facebook

UT24: Gibt es Hoffnung auf ein Ende des Geoblocking?

Dorfmann: Ich arbeite im Europäischen Parlament intensiv daran, dass das Thema bei der anstehenden Überarbeitung der Geoblocking-Verordnung, die für 2025 vorgesehen ist, berücksichtigt wird. Im Parlament ist uns mit einer Entschließung zum Thema im Dezember 2023 ein großer Erfolg gelungen. Zum ersten Mal hat sich das Parlament mehrheitlich für die Ausdehnung der Geoblocking-Verordnung auf audiovisuelle Inhalte, besonders für die Bevölkerung in Grenzregionen, ausgesprochen. Die Kommission kann diese Forderung nicht einfach ignorieren. Es steht aber noch viel Arbeit an. Der Kultur- und audiovisuelle Sektor finanziert sich zum Großteil über Lizenzgebühren und Vorverkäufe. Hier müssen sicher gemeinsam Lösungen gefunden werden. Leider sind alle Dialogversuche bisher gescheitert. Deshalb ist es wichtig, dass die Kommission jetzt ein starkes Zeichen setzt.

UT24: Kann das Land Südtirol oder ein Staat wie Österreich in dieser Angelegenheit tatsächlich nichts unternehmen?

Dorfmann: In Südtirol haben wir bereits heute über die Rundfunkanstalt Südtirol (RAS) Zugriff auf eine Reihe von deutschsprachigen Fernsehkanälen (ORF, ARD, ARTE etc.). Durch eigene Abkommen und die Bereitstellung der technischen Infrastruktur seitens der RAS ist es den Südtirolern als deutschsprachige Minderheit möglich, diese Sender live zu empfangen. Das ist bereits eine große Errungenschaft, wenn man bedenkt, wie kompliziert die grenzüberschreitende Freigabe urheberrechtlich geschützter Inhalte ist. Bei den Mediatheken spreche wir jedoch von einem ergänzenden Online-Dienst (Nachholdienste), der über die bestehenden Abkommen nicht abgedeckt ist. Es wird an technischen Lösungen gearbeitet, die den Zugriff auf diese Dienste für geografisch eingeschränkte Gebiete wie Südtirol ermöglichen würden. Leider ist auch hier das Interesse der großen Sendeanstalten gering, einen kleinen Markt wie Südtirol separat zu bedienen. Ein rechtlicher Vorstoß auf europäischer Ebene würde helfen, um gezielte Lösungen für Südtirol ausarbeiten zu können.

Jetzt
,
oder
oder mit versenden.

Es gibt neue Nachrichten auf der Startseite