von hz 26.08.2023 08:21 Uhr

Der brasilianische Hofer

Vor 165 Jahren (1858) haben 277 Tiroler ihre Heimat verlassen, um in Brasilien eine neue Heimat zu finden. Sie waren die Pioniere einer großen Auswanderung, die in Brasilien ein „Paradies“ für Tausende Tiroler, insbesondere aus Welschtirol, fand. 60 Familien von Nachkommen der Tiroler Auswanderer erinnern nun mit einem besonderen Geschenk daran.

Der geschnitzte Andreas Hofer und der Bildhauer Starbak Franz Schneider aus Dreizehnlinden - Foto: Prof. Everton Altmayer

Im riesigen südamerikanischen Land suchten die Tiroler ein besseres Leben für sich und zukünftige Generationen. Zum Gedenken an dieses Datum organisierte das Kulturzentrum Dona Leopoldina von Dreizehnlinden gemeinsam mit 60 Familien von Nachkommen von Tiroler Auswanderern die Schenkung einer Holzskulptur des Tiroler Helden Andreas Hofer an die Gemeinde Ala (Provinz Trient), um dauerhaft im schönen Palazzo Taddei ausgestellt zu werden, in dem der Held des Tiroler Aufstands seine letzte Nacht verbrachte, teilt Prof. Everton Altmayer mit.

  • Bild / Foto: Il Mondo degli Schützen

Bei der Übergabe der Andreas-Hofer-Skulptur in Ala – Foto: Prof. Everton Altmayer

Der Vorschlag der brasilianischen Nachkommen wurde vom Bürgermeister von Ala, Claudio Soini, und der Stadträtin Francesca Aprone mit großer Begeisterung aufgenommen und die offizielle Übergabe fand am vergangenen Donnerstag (24. August) statt. Mit dabei war auch der Landeskommandant der Welschtiroler Schützen, Enzo Cestari. Der Leiter des Projekts, Prof. Everton Altmayer, ein brasilianischer Sprachforscher, der für seine Forschungen zur Identität und Dialekten der Tiroler Einwanderung in Brasilien bekannt ist, erklärt:

„Dieses Projekt ist einzigartig, weil es eine ,Rückkehr‘ in die alte Heimat ist; eine Holzskulptur, also eine Tiroler Tradition, die in Brasilien vom Bildhauer Starbak Franz Schneider aus Dreizehnlinden ausgekerbt wurde. In den vergangenen vierzig Jahren haben viele Vereine und Gemeinden Brasiliens Spenden und Geschenke aus dem Bundesland Tirol sowie den Autonomen Provinzen Bozen und Trient erhalten. Wir glauben, dass es schön und angemessen ist, dass wir, die Tiroler von Brasilien, dem Land der Urgroßeltern ein künstlerisches Werk schenken – eine Holzskulptur von Andreas Hofer, denn der Tiroler Held repräsentiert nicht nur die Werte, sondern auch die Religiosität, die Liebe zur Heimat und den Mut zur Arbeit unserer Vorfahren. Man soll auch daran denken, dass Hofer sowohl Deutsch als auch Italienisch sprach, sowohl Tirolerisch als auch den Trentiner Dialekt, und das sind die Sprachen, die Tausende brasilianische Familien noch immer in ihren Häusern behalten.“

Bildhauer Starbak Franz Schneider bei seiner Arbeit – Foto: Prof. Everton Altmayer

Tiroler Nachkommen auf rund 2.000 Kilometer aufgeteilt

Der Bildhauer Starbak Franz Schneider, Besitzer des Hotels Schneider in Dreizehnlinden, spendete sein künstlerisches Talent und seine Arbeitsstunden, während die Nachkommenfamilien das Holz für die Skulptur finanzierten, das aus der edlen brasilianischen Zeder gewonnen wurde. Zusammen mit der Holzskulptur wurde der Gemeinde Ala eine Gedenktafel mit den Nachnamen von über 60 Familien aus den zehn von Tiroler Einwanderern zwischen 1858 und 1933 gegründeten Gemeinden überreicht. Menschen aus sechs brasilianischen Bundesstaaten, die rund 2.000 Kilometer umfassen: Juiz de Fora, Dorf Tirol in Santa Leopoldina, Santa Teresa, Colonia Tirolesa in Piracicaba, Novo Tirol in Piraquara, Rodeio, Rio dos Cedros, Nova Trento, Treze Tílias und Serra Gaúcha.

Diese Familien haben gemeinsam dieses schöne Projekt finanziert: Altmayer, Angeli, Bagattini, Barater, Berté, Bertoldi, Bonatti, Bonecher, Brugger, Brunelli, Cadorin, Correr, Cristofoletti, Dalbosco, Dalri, Degasperi, Dellagiustina, Facchini, Fiedler, Forti, Furlani, Gaio, Giovanella, Girardi, Glatzl, Grander, Groff, Hechenbichler, Kafmann, Kelmer, Kerschbaumer, Kirchmair, Klotz, Knollseisen, Lanzini, Larcher, Loss, Marchesoni, Marchi, Masera, Moser, Mosna, Negri, Pedri, Perini, Piccinini, Pompermaier, Rohrer, Stenico, Stinghen, Stolf, Sgrott, Tafner, Thaler, Thomas, Tomas, Tonini, Torinelli, Stöckl, Unterberger, Vasca, Vitti, Wanner und Zanella.

Der in Brasilien geschnitzte Andreas Hofer – Foto: Prof. Everton Altmayer

Der erste Tiroler in Brasilien

Der erste Tiroler in brasilianischen Ländern, dem Altmayer bekannt ist, war der in Kaltern geborene Jesuitenmissionar Pater Anton Clemens Sepp von Rechegg, der 1697 im Süden Brasiliens eine Ordensgemeinschaft gründete. Aus den Dokumenten geht hervor, dass einige Jahre später bereits einige Tiroler Einwanderer in der damaligen Provinz Espírito Santo verkehrten, wie etwa der religiöse Wendelino Goum aus Innsbruck, vermutlich seit 1845 in Brasilien, und der Industrielle Pietro Tabacchi aus Trient, der seit 1851 mit Laubbäumen handelte.

Prof. Everton Altmayer im Stubaital – Foto: Prof. Everton Altmayer

1858 – 2023: 165 Jahre Tiroler Einwanderung nach Brasilien

Das Jahr 1858 markiert den Beginn der Tiroler Einwanderung in Brasilien mit der Ankunft von 277 deutsch- und italienischsprachigen Tirolern, die sich in der Bergbaustadt Juiz de Fora (ehemals Santo Antônio do Paraibuna) niederließen. Eine wichtige Tatsache ist, dass es unter diesen Einwanderern Familien aus praktisch allen Regionen des historischen Tirols gab.

Im Jahr 1859 wanderte eine weitere Gruppe deutscher Tiroler ein und gründete Dorf Tirol in Santa Leopoldina in der Provinz Espírito Santo. In den Jahren 1872–73 wanderten deutsche und italienische Tiroler Familien ein und gründeten Linha Tirol in Nova Petrópolis, in der Provinz Rio Grande do Sul. Zwischen 1874 und 1880 wanderten Tausende Welschtiroler nach Brasilien aus. Im Jahr 1874 brachte Pietro Tabacchi aus Trient eine große Gruppe Auswanderer mit. 1875 gründeten Auswanderer aus Tirol, Venetien und der Lombardei die heutige Städte Caxias do Sul und Bento Gonçalves in der Provinz Rio Grande do Sul. Ebenfalls im Jahr 1875 wurden in der Provinz Santa Catarina die Gemeinden Nova Trento, Rio dos Cedros, Tiroleses (Timbó) und Rodeio gegründet. 1878 wurde in der Provinz Paraná das Dorf Santa Maria do Novo Tirol in Piraquara gegründet. Mit der Abschaffung der Sklaverei in Brasilien arbeiteten viele Europäer auf den Kaffeeplantagen der Provinz São Paulo. Im Jahr 1892 gründete eine Gruppe Welschtiroler die Dörfer Santa Olímpia und Santana, die die Colonia Tirolesa von Piracicaba bilden. 1933 gründeten Einwanderer aus Nord- und Südtirol in der Provinz Santa Catarina, unter der Führung des ehemaligen österreichischen Landwirtschaftsministers Andreas Thaler (aus der Wildschönau), die Kolonie Dreizehnlinden, die heutige Stadt Treze Tílias.

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