In Tirols Geschichte: Mai 1925

Andauernde Zugeständnisse des Bischofs an die Behörde (im Zuge der Enthebungen deutscher Priester) haben schlussendlich die Geistlichen des deutschen Anteiles auf den Plan gerufen. Auf einer Pastoralkonferenz seien Propst Alois Schlechtleitner von Bozen, Gottlieb Hueber (Dekanat Kaltern), Josef Moser (Dekan in Klausen), Kanonikus Gamper und Paul Perkmann (Pfarrer in Algund) zu den Vertretern des Klerus des deutschen Anteiles der Diözese Trient bestimmt worden. Diese hätten am 11. Mai 1925 ein Schreiben an ihren Bischof Cölestin Endrici gerichtet, in welchem es unter anderem hieß:
„Wir glauben, dass es Euer Fb. Gnaden nur angenehm ist, wenn wir Ihnen hier auch noch die ganz allgemeine Überzeugung des deutschen Klerus zur Kenntnis bringen, die dahin geht, dass das fortwährende, gewiss nur in den besten Absichten entspringende Nachgeben der kirchlichen Obrigkeit gegenüber den Übergriffen der staatlichen Behörde mit eine Ursache ist an unserer heutigen Bedrängnis und Not, die wahrhaft zum Himmel schreit, wie es ebenso die allgemeine Überzeugung ist, dass etwaige weitere Konzessionen nach dieser Hinsicht sich in der Zukunft aufs schwerste rächen würden. […] Unsere besondere Bitte geht nun dahin, dass den wegen ihrer Pflichterfüllung aus der Schule ausgesperrten Katecheten die Missio für die öffentlichen Schulen weiter belassen werden, mit dem Rechte und dem Auftrag, nach wie vor den Religionsunterricht in denselben zu erteilen. Ohne Konflikte geht es in einem Kulturkampfe niemals ab. Und mit einen solchen haben wir es hier zu tun. Es wird an uns sein, zu zeigen, dass wir einem solchen Kampf ebenso zu begegnen wissen wie unsere Glaubensgenossen in früherer Zeit und heute noch in anderen Ländern Machen wir nur einmal den Anfang damit und es werden die beklagten Übergriffe bald ein Ende finden. Gewiss, dieser Widerstand, der kein gewaltsamer, sondern nur ein solcher der Pflichterfüllung sein darf, wird uns mannigfache Unannehmlichkeiten einbringen, materielle Nachteile, vielleicht sogar Einkerkerungen. Wir sind dazu bereit. Die Freiheit unserer Religion scheint uns dieses Opfer wert zu sein.“
Wie Marzari berichtet, veranlasste auch diese Denkschrift Endrici nicht zum Handeln.
Die Verfolgung des Dekans Josef Moser von Klausen
Dekan Josef Moser von Klausen war bereits in der Vergangenheit den italienischen Machthabern unangenehm aufgefallen. Bereits am 4. Mai 1925 hatte die „Königliche Präfektur der Venezia Tridentina“ mit einem Schreiben an die Fürstbischöfliche Kurie in Trient die Enthebung des Dekans Josef Moser von seinem Posten in Klausen gefordert. Dieser „beharrt auf seiner verborgenen, verderblichen und antinationalen Tätigkeit, wobei er seinen Hass gegen die italienische Regierung nicht verbirgt.“
Er sei wegen Nichtbeachtung der Vorschriften über die Zweisprachigkeit bereits dreimal gerichtlich verurteilt worden. Er habe sich geweigert, Gottesdienste anlässlich der Wiederkehr der Feier des italienischen Sieges, des Todes der Königin-Mutter und des misslungenen Attentats auf den Ministerpräsidenten Mussolini abzuhalten. Zudem sei er schon 1919 zu einer Polizeistrafe verurteilt worden, weil er in einer Predigt „Worte gegen Italien“ gesagt habe.
Zu einer Enthebung des Dekans durch die Fürstbischöfliche Kurie kam es aber nicht. Er blieb in Klausen, wie aus einer Mitteilung der Gemeinde Klausen vom 15. Juli 1935 hervorgeht. In dieser Mitteilung hieß es, dass über „Monsignor Moser Don Giuseppe“ im Auftrag der Quästur die behördliche „diffida“ (Verwarnung) verhängt werde, damit dieser nicht weiterhin Anlass „zu Beschwerden über sein politisches Verhalten“ gebe.
„Faschistische Schikanen gegen den Tiroler Pilgerzug“
Unter diesem Titel berichtete der in Innsbruck erscheinende „Tiroler Anzeiger“ am 14. Mai 1925, dass Pilger aus Nordtirol sich in einem Eisenbahnzug nach Rom aufgemacht hatten. „Schon am Brenner wurden die Tiroler Pilger gezwungen, ihre Pilgerabzeichen, wie solche von den Mitgliedern sämtlicher Pilgerzüge getragen werden, zu entfernen. Wenn es sich hier auch nicht um Südtiroler handelte, sondern um Landsleute außerhalb des Brenners, so konnten die Italiener auch bei diesen die weiß-roten Pilgerabzeichen mit der Überschrift ‚Tiroler Pilgerzug‘ nicht vertragen.“
In Bozen durfte der Zug nicht den planmäßigen Aufenthalt nehmen, sondern musste durchfahren, sodass der dort wartende Fürstbischof Dr. Waitz nicht zusteigen konnte, sondern einen anderen Zug nach Rom nehmen musste. Der Bischof war von Kanonikus Michael Gamper und anderen Herren zum Bahnhof geleitet worden. Als diese Begleitung nun zurück in die Stadt ging, wurden die Herren auf dem Bozner Obstmarkt von Faschisten mit Obst und Kartoffeln beworfen.
Der obige Auszug stammt aus dem Buch „An der Seite des Volkes. Südtirols Geistliche unter dem Faschismus 1918–1939“ von Helmut Golowitsch.
Golowitsch, Helmut: An der Seite des Volkes. Südtirols Geistliche unter dem Faschismus 1918–1939: Neumarkt a.d. Etsch: Effekt!. 2022. ISBN: 978-88-97053-95-8
Der Verfasser hat seinem Buch ein Verzeichnis beigefügt, in welchem Ereignisse, dokumentierte Übergriffe und Gewalttaten nach Daten von 1918 bis Mai 1943 dokumentiert und kartografisch abgebildet sind.






