von gru 15.02.2016 17:00 Uhr

Konvent: Gefürstete Grafschaft Tirol? Das Interview

Sigmund Baron Kripp hat beim Autonomiekonvent in Meran eine Diskussionsrunde zum Thema "Eigenstaatlichleit: 3+1 sprachige, basisdemokratische, parlamentarische Monarchie" initiiert. Was stellt er sich darunter vor? Wie bewertet er den Konvent und wo sieht er unser Land in 100 Jahren? Teil 2 der Interview-Reihe mit den Initiatoren bei den Open Spaces des Autonomiekonvents.
Südtirol eine konstitutionelle Monarchie? Ein Thema beim Autonomiekonvent. Im Bild Herzog Sigmund von Tirol. Photomontage: UT24

Sigmund Baron Kripp ist in Meran geboren und aufgewachsen.

Er lebt mit seiner Frau und seinen vier Kindern auf der Stachlburg in Partschins, die sich seit 1549 im Besitz seiner Familie befindet.

Er ist Bio-Weinbauer und war langjähriger Funktionär der Partei Grüne/Verdi/Verc, die er im April 2015 verlassen hat.

Beim Open Space in Meran stellte er das Thema „Eigenstaatlichleit: 3+1 sprachige, basisdemokratische, parlamentarische Monarchie“ zur Diskussion.

UT24 hat ihm einige Fragen zu diesem ungewöhnlichen Gedankenanstoß für die Zukunft Südtirols gestellt:


UT24: Herr Baron von Kripp, Sie haben beim Autonomiekonvent in Meran für Südtirol eine parlamentarische Monarchie vorgeschlagen: Ernstgemeinter Vorschlag, Provokation oder Faschingsscherz?

Sigmund Baron Kripp: Nein, kein Scherz. In 9 europäischen Staaten funktioniert Monarchie so gut, dass diese Staaten in vielen Dingen als Vorbild gelten. Der oder die Monarch/in wird nicht gewählt, daher unterliegt dieses Amt nicht der Gefahr der Korruption. In vielen Ländern ist der Monarch eine positiv besetzte Integrationsfigur.

Nach alter Tiroler Verfassung wären wir eine „gefürstete Grafschaft“ mit einem Herzog/einer Herzogin an der Spitze. (Den Herzogspalast haben wir ja schon..) Mit 3+1-sprachig habe ich gemeint Deutsch, Italienisch, Ladinisch + Englisch für unsere neuen MitbürgerInnen. Letzteren würde ich im Zuge der Eigenstaatlichkeit sofort die Staatsbürgerschaft verleihen.

UT24: Ihre Familiengeschichte ist eng mit dem alten Tirol verbunden. Bis in die napoleonische Zeit sprach man noch von der „Tyroler Nation“, einem mehrsprachigen Land als Brücke zwischen Nord und Süd. Ein Modell für die Zukunft?

Sigmund Baron Kripp: Ich denke, die Tiroler Nation ist heute ein Wunschgedanke bzw. eine historische Idee mit gewissen Reizen. Nordtirol und Trentino haben sich anders als Südtirol entwickelt. Was aber soziologisch feststellbar ist, ist ein südtiroler „nation-building“ ! Sprachenübergreifend, völkerübergreifend.

Die Mehrsprachigkeit ist ja leider auch nicht so vorbildlich, wie oft erklärt. Die Brückenfunktion kann nur erhalten werden, wenn die Sprachkompetenz aller steigt. Ich denke, ein moderner Europäer muss mindestens dreisprachig sein.

UT24: Die Monarchie einmal beiseitegelassen:  Sie befürworten ein basisdemokratisches, eigenstaatliches Südtirol. Warum?

Sigmund Baron Kripp: Ich denke, Südtirol kann seine sehr spezielle Zusammensetzung der Bevölkerung am besten selbst weiter entwickeln und zu einer friedlichen Modelllösung bringen. 70 Jahre des Versuchs, eine befriedigende Autonomie zu installieren, haben – offensichtlich – nicht gereicht. Italien als zentralistischer Staat hat einfach keinen Willen zu Föderalismus und Autonomie. Basisdemokratie aber ist der Weg, die Menschen bei der Gestaltung ihres Lebensraumes am besten aktiv einzubinden.

UT24: Sie sind als ökosozial veranlagter Mensch bekannt. Glauben Sie, dass die Unabhängigkeit Südtirols ein Kernthema der ökosozialen Kräfte im Lande werden könnte?

Sigmund Baron Kripp: An sich ist die Eigenstaatlichkeit ein linkes Thema. Wo Völker sich von einem größeren Staat befreien wollten oder noch wollen, werden sie immer eher von linken Kräften unterstützt, als von rechten. Auch unsere Autonomie wurde hauptsächlich unter linken Ministerpräsidenten bzw. Regierungen weiter gebracht.

Bei den heutigen Ökosozialen Gruppen ist die Eigenstaatlichkeit kein Kernthema, nein: da geht es – berechtigterweise – um unseren Planeten als Ganzes. Was nutzt mir ein Staat Südtirol, wenn rundherum Atomkraftwerke stehen?

UT24: Herr Baron von Kripp, in Ihrer Diskussionsgruppe wurde – laut dem veröffentlichten Protokoll – viel über Trennung gesprochen. Glauben Sie, dass die Trennung zwischen den drei Volksgruppen in einem eigenstaatlichen Südtirol geringer wäre?

Sigmund Baron Kripp: Das ist ja der Grund, warum ich für die Eigenstaatlichkeit bin: die jetzige Situation nenne ich eine „friedliche Arpartheid“ . Es herrscht zwar Frieden, aber die Volksgruppen gehen total getrennte Wege.

Das ist nicht gut für ein Gemeinwesen. Ich denke, die Eigenstaatlichkeit würde eher gleichberechtigte Gruppen entstehen lassen, bis zu dem Punkt, wo die Herkunft oder die Sprache nicht mehr relevant für die persönliche Lebensentwicklung ist.

UT24: Besonders auffällig war beim Konvent bisher das Ausbleiben unserer italienischen Mitbürger. Selbst in der Eurac, im Zentrum Bozens gelegen, machten sie nur geschätzte 30% der Besucher aus, zuletzt in Brixen war kaum eine Handvoll in Erscheinung getreten. Wie erklären Sie sich dieses Phänomen?

Sigmund Baron Kripp:Bedenken Sie, dass es nur 26% Italiener in Südtirol gibt. Aber die italienischen SüdtirolerInnen sind politisch fast nur in Parteien verortet, die stark von Rom abhängen. So hatten die Menschen kein großes Bedürfnis, gestaltend in unsere Lokalpolitik einzugreifen, weil im Notfall eh Mamma Roma alles machen würde. Deshalb gibt es jetzt Defizite beim Mitmachen.

Das kann nur durch ein aktives Aufeinander-Zugehen verringert werden. Sicher nicht indem man „den Italienern“ sagt, sie sollen sich vom „Faschismus distanzieren“. Wie sollen sie denn das konkret machen? Durch Eigenerklärung auf der Gemeinde oder durch ein öffentliches „lo giuro“?

UT24: In vielfacher Hinsicht, hat der Konvent eine Richtung eingeschlagen, die einige Politiker und Journalisten überrascht hat. Es gab manche Polemik gegenüber bestimmten Teilnehmergruppen, Schlagworte wie „Übernahme durch die Rechten“, „die Töldra“ oder die „Nicht-Menschen“ sind gefallen. Andererseits wurde über eine allgemein gute Gesprächskultur und Augenhöhe berichtet. Wie war Ihr persönlicher Eindruck?

Sigmund Baron Kripp:Mein Eindruck in Meran (und nur dort war ich bis jetzt) war sehr positiv. Ich glaube, das ist das erste Mal in der Geschichte Südtirols, dass Menschen aus allen Sprachgruppen und sozialen Schichten ganz frei – aber sehr gut organisiert – miteinander reden konnten und auch wollten!

Dass eine gewisse Präsenz von STF Anhängern zu bemerken war, kann nicht geleugnet werden. Eher gestört hat mich bei manchem die – wenn ich das so sagen darf – interessensgesteuerte Protokollführung.

UT24: Bei den Open Spaces wird „dem Volk auf’s Maul geschaut“. Doch was wird nach mehrmaliger Filterung durch die 100, die 30, den Landtag, den Regionalrat und schließlich dem Parlament in Rom, vom Volkswillen noch übrig bleiben?

Sigmund Baron Kripp:Das weiss ich nicht. Ich denke, niemand weiss das genau. Es hängt sehr stark von der Organisation ab, wie Beiträge kumuliert oder auch weggelassen werden. Auch die Auswahl der 100 erfolgt anscheinend gewichtet, also nicht wirklich zufällig. Das spricht eher für eine leicht gesteuerte Filtration. Aber es ist auch logich: der Konvent ist vom Landtag eingesetzt.

UT24: Herr Baron von Kripp, der Konvent ist eine Veranstaltung, welche unseren Blick auf die mittel- und langfristige Zukunft unseres Landes lenken soll. Bitte orakeln Sie für unsere Leser: Wo wird Südtirol in 10, 50 und 100 Jahren stehen?

Sigmund Baron Kripp:Geografisch wird es an demselben Ort stehen wie heute. Es wird eine Entwicklung durchmachen, die nicht nur von Südtirol allein gesteuert werden kann. Die Kriegsflüchtlnge und die Wirtschaftsflüchtlinge zeigen uns, dass wir nicht allein auf einer Insel leben. Wie sich die verfassungsmäßige Lage des Landes entwickeln wird, hängt aber stark an uns selbst:

Jede/r einzelne ist gefragt und gefordert. Allerdings gehen Veränderungen umso schneller, je mehr Menschen davon begeistert sind. Das Wort „Selbstbestimmung“ zu schreien hilft sicher nicht, einen Konsens unter allen Südtirolerinnen zu einer gemeinsamen Zukunft herzustellen. Wie eingangs gesagt, kann ich mir aber einen eigenen Staat Südtirol sehr gut vorstellen!

UT24: Herr Baron, vielen Dank für Ihre Antworten!


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