von gk 15.02.2023 15:30 Uhr

Explosion im Pfitscherjoch-Haus

Die Schutzhütte am Pfitscherjoch in den Zillertaler Alpen wurde im Jahre 1888 erbaut und aufgrund seiner Lage – 300 m von der Grenze  zu Österreich entfernt – nach 1918 durch italienische Soldaten der Finanzwache verwendet. Von 1945 bis 1970 wurde das gesamte Haus zwangsbesetzt und vom italienischen Militär als Stützpunkt genutzt. Im Mai 1966 ereignete sich dort ein folgenschwerer Vorfall.

Pfitscherjoch-Haus im Jahr 1888 (Foto: Effekt Verlag)

„Am 23. Mai 1966 wurde der finanziere Bruno Bolognesi durch eine Explosion im Pfitscherjoch-Haus getötet. Der Soldat war am 12. Juli 1942 in Argenta (Ferrara) geboren worden und 1961 in die Guardia di Finanza eingetreten. Am 1. März 1965 wurde Bolognesi dem Stützpunkt in St. Jakob in Pfitsch zugeteilt.

Laut der „offiziellen“ italienischen Version des Vorfalles, soll Bruno Bolognesi die Tür zum Schutzhaus auf einem Patrouillengang geöffnet haben, worauf eine Sprengladung von ungefähr 50 kg Sprengstoff explodiert sei. Wie bei den meisten ähnlich gelagerten Vorfällen in den 1960er-Jahren „wussten“ die italienischen Medien, die umfangreich über den Tathergang schilderten, bereits am Folgetag der Explosion, dass „terroristi“ die gewaltige Ladung wenige Tage zuvor installiert hätten.

„Wieder ein Toter: jetzt verhandeln wir? … der Tropfen läuft jetzt über den Rand und der Geduld des italienischen Volkes. … Eine einzige Gewißheit besteht (neben mehreren möglichen Spekulationen über die Motive dieses Anschlags). Sie (die Terroristen) haben von jenseits der Grenze, in einem Klima totaler Immunität gehandelt. Für das Blut Bruno Bolognesis müssen sich nicht nur die materiellen Mörder verantworten, sondern alle, die ihnen auf politischer Ebene im benachbarten Österreich wohlwollendes Asyl und Schutz gewähren.“

Wie in praktisch allen folgenden ähnlich gelagerten Vorfällen, wussten die offenbar bestens informierten italienischen Medien, dass jedenfalls Terroristen aus Österreich unzweifelhaft die Täter waren, da diese in Österreich in keiner Weise Beachtung bzw. Verfolgung finden würden. Dass die BAS-Aktivisten in Nordtirol zum damaligen Zeitpunkt bereits intensiv durch die Staatspolizei überwacht wurden, nahmen die italienischen Medien und offenbar auch viele offizielle Regierungsstellen nicht zur Kenntnis, unzweifelhaft mit der Absicht der Verschärfung der außenpolitischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern. […]

  • Pfitscherjoch-Haus nach 1945 (Bild: Effekt Verlag)

Sehr rasch kam es – ganz im Gegensatz zu vielen anderen „Vorfällen“ in Südtirol zur damaligen Zeit – zur Bildung einer italienisch-österreichischen Ermittlungskommission, die am Tag nach dem Vorfall am Tatort zusammentraf, wobei die Initiative dafür von italienischer Seite ausgegangen sei. Die österreichische Botschaft in Rom meldete nach Wien, dass es sich dabei allerdings um keine „Rechtshilfe“ handeln würde, sondern ausschließlich um eine „Zusammenarbeit zur Feststellung, ob auch in Österreich ein strafbarer Tatbestand vorliegt.“ Die österreichische Staatspolizei teilte dazu dem Außenministerium mit, dass der – namentlich nicht genannte – Leiter der italienischen Untersuchungskommission die weiter oben zitierte Aussage getätigt hatte, es gäbe „bisher keinerlei Hinweise“ auf Täter aus Österreich. […]

Von Seiten Italiens erging dann allerdings vier Monate später, am 23. September 1966, ein „Rechtshilfeersuchen“ an das Landesgericht Innsbruck. Das „Tribunal Bozen“ hatte ein Strafverfahren gegen „unbekannte Täter“ eingeleitet, das sich auf „die durch die Explosion einer Sprengladung in einem Schutzhaus der Grenzpolizei am Pfitscherjoch am 23.5.1966 erfolgte Tötung des Finanzsoldaten Bruno Bolognesi erstreckt“. […] Dem Rechtshilfeersuchen waren Bilder der vier „Pusterer Buam“ Josef Forer, Siegfried Steger, Heinrich Oberleiter und Heinrich Oberlechner beigefügt, die den zu vernehmenden Personen zu einer „allfälligen Identifizierung“ vorzulegen seien. Da die italienischen Sicherheitsbehörden nun offenbar bereits die Identität der Attentäter praktisch geklärt hatten, wurde das österreichische Justizministerium um Auslieferung der „vier genannten italienischen Staatsangehörigen“ ersucht. […]

  • Die von Italien der Tat beschuldigten "Pusterer Buam" (Foto: Effekt Verlag)

Aufgrund des italienischen Rechtshilfeersuchens nährt sich somit der Verdacht, dass italienische Sicherheitsorgane in Österreich augenscheinlich selbstständig (!) und ohne Information der österreichischen Behörden (!) im Raum Zillertal Ermittlungen durchgeführt hatten – eine absolut unübliche und gegen jede Rechtmäßigkeit verstoßende Maßnahme. Man kann sich die allgemeine Entrüstung in Italien im umgekehrten Fall vorstellen! […]“

Der obige Auszug stammt aus dem Kapitel „Explosion im Pfitscherjoch-Haus“ des Buches „Pfitscherjoch. Steinalm. Porzescharte“ von Hubert Speckner (u.a.).

Speckner, Hubert (Hg.): Pfitscherjoch. Steinalm. Porzescharte. Die drei „merkwüridgen Vorfälle“ des Höhepunktes der Südtiroler Bombenjahre in den Jahren 1966 und 1967: Neumarkt a.d. Etsch: Effekt! Buch. 2022.

ISBN: 979-12-5532-004-3

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