von ak 02.09.2022 14:20 Uhr

Jubelfeier der Beerdigung des Südtiroler Problems?

Wie Ankündigungen zu entnehmen sei, soll man am 5. September eine Jubelfeier der Beerdigung des lästigen Südtiroler Problems erleben. Dem „Südtiroler Heimatbund“ (SHB), der für die Selbstbestimmung Südtirols und die Loslösung von Italien eintritt, ist es deshalb ein Anliegen, auf einige Punkte hinzuweisen.

Symbolbild von Andreas Glöckner auf Pixabay

„Der aus lediglich 40 Textzeilen bestehende „Pariser Vertrag“, welcher als rechtliche Grundlage der Südtiroler Autonomie anzusehen ist, bietet nur unpräzise Absichtserklärungen“, heißt es in einer Pressemitteilung von Roland Lang, Obmann des Südtiroler Heimatbundes. Er war 1946 von dem österreichischen Außenminister Karl Gruber im Sinne der Bestrebungen der Westmächte, Italien in ein westliches Bündnis einzubinden, zusammen mit dem italienischen Außenminister Alcide Degasperi bei einem Treffen in Paris überfallsartig unterzeichnet worden.

Der „Pariser Vertrag“

Karl Gruber war im Zweiten Weltkrieg – und laut dem amerikanischen Historiker Professor Dr. Herzstein auch als Außenminister noch bis in die Fünfzigerjahre – als Geheimagent für das amerikanische „Counter Intelligence Corps“ tätig. (Robert Edwin Herzstein: „Waldheim – the missing years“, London 1988, S. 168 unter Berufung auf zitierte Geheimdokumente des „Office of Strategic Services“).

Außenminister Karl Gruber (rechts) und der US-„Political Adviser“ John G. Erhardt im Jahre 1946. © Roland Lang

 

Er stand damit auch als Außenminister mutmaßlich noch unter der Führung durch die Amerikaner. Gruber hatte bei der eigenmächtigen Unterschrift unter den „Pariser Vertrag“ seine eigene Regierung und auch den Nationalrat bedenkenlos übergangen. Der außenpolitische Ausschuss des Nationalrates verabschiedete daher am 1. Oktober 1946 folgende rechtswahrende Erklärung, an die man sich erinnern sollte:

„Die mit Italien vereinbarte Regelung, von der nicht feststeht, ob sie die Zustimmung des gesamten Südtiroler Volkes gefunden hat, bedarf noch mancher Interpretation, um als Zwischenlösung angesehen werden zu können. Die Haltung Österreichs bedeutet in keiner Weise einen Verzicht auf die unveräußerlichen Rechte unseres Staates auf Südtirol. Der Ausschuss gibt der bestimmten Hoffnung Ausdruck, dass eine geänderte Weltlage in Zukunft den Südtirolern die Möglichkeit der Selbstbestimmung über ihre staatliche Zugehörigkeit geben wird. Er ist der Meinung, dass dieses Prinzip der einzige Weg für eine dauernde Lösung der Südtirolfrage ist, die von Österreich als gerecht und befriedigend angenommen werden könnte.“

Außenminister Bruno Kreisky, Landesamtsdirektor Rudolf Kathrein, Lh Silvius Magnago Magnago © Roland Lang

Notgedrungen fand man sich in Wien in der Folge mit dem Pariser Machwerk ab, welches sich nach den Worten des österreichischen Außenministers Kreisky als „furchtbare Hypothek“ für die österreichische Südtirolpolitik erweisen sollte. Lang vermutet, dass auf der kommenden Jubelfeier auch diese „furchtbare Hypothek“ als sogenannte „Magna Charta“ der Autonomie pflichtgemäß bejubelt werden wird.

Die „Herz-Jesu-Nacht“

Als Italien das faschistische Werk der Entnationalisierung und Unterdrückung in Südtirol fortsetzte und 1961 sogar ein bereits durch den Senat in Rom beschlossenes Vertreibungsgesetz in Kraft zu treten drohte, beförderten die Südtiroler Freiheitskämpfer dieses Vorhaben mit dem Donnerschlag der „Herz-Jesu-Nacht“ auf die Müllhalde der Geschichte.

  • Silvius Magnago

Silvius Magnago auf der SVP-Landesversammlung von 1960 © Roland Lang

Der SVP-Landeshauptmann Silvius Magnago hob später mehrfach öffentlich das Verdienst der Freiheitskämpfer für das Zustandekommen des verbesserten zweiten Autonomiestatutes hervor.

So erklärte er beispielsweise 1991 in einem Interview in den „Dolomiten“ vom 7. August 1991: „Und dann kam es zur Feuernacht. Ich muss hier ganz klar sagen, dass diese Sprengstoffanschläge zu friedlichen Verhandlungen geführt haben und letztendlich zum neuen Autonomiestatut. Hätte es diese Anschläge nicht gegeben, wäre keine 19er Kommission gebildet worden, die die Aufgabe bekommen hat, sich mit der ganzen Autonomieproblematik, sagen wir, zu befassen und der Regierung neue Vorschläge zu unterbreiten.“

Ähnliche Erklärungen haben unter anderen abgegeben:

LH Dr. Luis Durnwalder (SVP), LR Dr. Bruno Hosp (SVP), Botschafter Dr. Peter Jankowitsch, Univ. Prof. Dr. Andreas Khol (ÖVP), Univ. Prof. DDr. Franz Matscher, SVP-Obmann Elmar Pichler-Rolle, LH Günther Platter (ÖVP), SVP-Abg. Dr. Friedl Volgger, LH Eduard Wallnöfer, LH Dr. Wendelin Weingartner, SVP-Parteileitungsmitglied Franz Widmann.

Der österreichische Außenminister Bruno Kreisky war bereits vor der Herz-Jesu-Nacht über die bevorstehenden Anschläge auf Strommasten informiert worden und hatte sie in einem Gespräch mit Leuten des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS) gebilligt. (Der ehemalige Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime und BAS-Führungsmitglied Fritz Molden in seinem Buch: „Vielgeprüftes Österreich“, Wien 2007, S. 152) Vermutlich wird all dies bei der offiziellen Jubelfeier nicht erwähnt werden.

Rechtlich nicht abgesichert

Der Obmann des SHB vermutet auch, dass bei der bevorstehenden Feier auch nicht an die grauenvolle Folterung zahlreicher politischer Häftlinge erinnert werden wird. Man wird wohl auch nicht des Todes der an den Folgen der Folter verstorbenen Gefangenen Franz Höfler und Anton Gostner gedenken.

Der an den Folgen der Folter verstorbene Franz Höfler in der Totenkammer © Roland Lang

Die Mutter Höflers an dem Grab ihres Sohnes © Roland Lang

Zudem glaubt er, dass auf der Jubelfeier auch nicht daran erinnert werden wird, dass die derzeitige Autonomie durch die Streitbeilegungserklärung von 1992 international-rechtlich nicht abgesichert ist und zum erheblichen Teil bereits ausgehöhlt wurde.

Die Verhaftung Anton Gostners (rechts im Bild) im Jahre 1961 (Ausschnitt aus der Zeitung „Alto Adige“) © Roland Lang

Der in der Haft verstorbene Freiheitskämpfer Sepp Kerschbaumer aus Frangart. © Roland Lang

Im Sinne einer funktionierenden Autonomie

„Es wäre längst an der Zeit gewesen, dass eine Kommission von Fachleuten eine Bewertung der Autonomieaushöhlungen vorgenommen hätte, die laut einer akademischen Forschungsarbeit immerhin mehr als die Hälfte des Autonomiebestandes betreffen“, so Lang. Man hätte sich von der Untersuchung einer solchen Fachleutekommission auch die Hinweise erwartet, welche Bestimmungen im Sinne einer funktionierenden Autonomie wiederhergestellt werden müssten.

Bis heute hat die Südtiroler Landesregierung die Erstellung einer solchen Untersuchung entweder überhaupt nicht verfügt oder hat solche Ergebnisse zumindest der Öffentlichkeit vorenthalten. Lang befürchtet, dass auch diese Dinge kein Thema auf der Jubelveranstaltung sein werden.

„Sollten sich diese Voraussagen als nichtzutreffend erweisen, wird dies ein Grund zu aufrichtiger Freude sein. Wir befürchten aber, dass in Wahrheit eine Jubelfeier der Totengräber unserer Südtiroler Anliegen über die Bühne gehen wird“, meint der Obmann.

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