von hm 29.06.2021 08:04 Uhr

Zweisprachigkeit: Nur das Wichtigste muss auf Deutsch sein

Verletzungen der Zweisprachigkeitspflicht gehören in Südtirol mittlerweile zum Alltag. Der – Europäische – Grüne Pass ist der nächste Kandidat in einer langen Liste von Verstößen gegen verbriefte Minderheitenrechte.

APA/THEMENBILD

Der Europäische Grüne Pass soll uns wieder eine gewisse Reisefreiheit in der EU ermöglichen. Wie es bei „europäischen“ Lösungen so üblich ist, steht am Ende jedoch immer der Nationalstaat und das Ergebnis ist meist kein europäisches, sondern ein altbacken nationales.

So auch beim Grünen Pass. Wer in Südtirol die zweite Impfung erhalten hat, bekommt ein E-Mail vom italienischen Gesundheitsministerium, mit Informationen, wie man zum Grünen Pass gelangt. Auf Italienisch und Englisch – letztere eine Sprache, die in der EU zuletzt noch auf der 1.500 Kilometer entfernten Insel Irland gesprochen wird.

Eine Beschwerde, die Roland Lang, Obmann des Südtiroler Heimatbundes, an das für die Umsetzung der Zweisprachigkeit zuständige „Regierungskommissariat“, die römische Statthalterei, gerichtet hatte, ließ zunächst einige Wochen auf sich warten. Eine anonyme Antwort, die er schließlich erhalten hatte, stellte fest, dass „alle wichtigsten Informationen des Nachweises auf Italienisch, Englisch und Deutsch“ – in dieser Reihenfolge – zur Verfügung stünden.

Der anonyme Verfasser aus dem Regierungskommissariat interpretiert die geltenden Bestimmungen also dahingehend, dass nur die „wichtigsten Informationen“ der Zweisprachigkeitspflicht unterliegen.

Bei der Beantragung auf der offiziellen Seite des italienischen Gesundheitsministeriums gibt es dann tatsächlich eine Version „Italienisch-Englisch-Deutsch“. Allerdings ist die deutsche Übersetzung unvollständig und besteht aus ein paar kleingedruckten Zeilen in dritter Reihe. Übrigens ist das Wort „europäisch“ im italienischen Text abhanden gekommen.

Eine Nachfrage Langs beim Verfassungsrechtler und ehemaligen SVP-Senator Karl Zeller fiel ebenso ernüchternd wie bizarr aus. Weil das italienische Gesundheitsministerium nicht den Sitz auf dem Gebiet der „Autonomen Region Trentino-Südtirol“ hat, greife die Pflicht zur Zweisprachigkeit nicht.

Deutsch ist nach wie vor die mit Abstand meistgesprochene Sprache in Südtirol und per staatlichem Dekret offizielle Amtssprache auf dem Gebiet der heutigen Provinz Bozen, die in allen Belangen der italienischen Sprache gleichgestellt ist – oder sein sollte.

Sogar die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist schon einen Schritt weiter und hielt bereits 2020 fest, dass in der Pandemie besondere Rücksicht „auf die Bedürfnisse von Angehörigen nationaler Minderheiten“ zu nehmen ist. In der Praxis und im Alltag bleibt das – mit oder ohne Pandemie – weiterhin Wunschdenken. So zumindest in der „Vorzeigeautonomie“ Südtirol.

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