von ih 15.04.2020 12:14 Uhr

Luis Durnwalder im UT24-Interview: „Man muss einen Gang höher schalten“

Landeshauptmann Arno Kompatscher hat es momentan alles andere als leicht. Ankündigungen, wie einzelne Lockerungen der Corona-Maßnahmen, können nicht eingehalten werden, und die Kritik an seiner Führungsweise wird in der Bevölkerung immer lauter. Da sehnt sich der eine oder andere Südtiroler dieser Tage gar an Vorgänger Luis Durnwalder zurück. UT24 hat den Südtiroler Altlandeshauptmann für ein Gespräch gewinnen können und ihn zur jetzigen Situation befragt.

Foto: Österreichisches Außenministerium / Wikipedia

Herr Durnwalder, die derzeitige Corona-Krise stellt für Südtirol eine enorme Herausforderung dar. Hand aufs Herz: Sind Sie froh, dass die Krise nicht mehr in Ihre Amtszeit gefallen ist?

 
Luis Durnwalder: Wenn ich im Amt wäre, so müsste ich die Entscheidungen treffen. Das versteht sich von selbst. Natürlich wird man damit nie alle zufrieden stellen können. Aber man muss halt das Beste tun. Deswegen sage ich, dass ich absolut froh darüber bin, dass jetzt andere die Entscheidungen treffen. Wäre ich noch im Amt, so wäre das freilich meine Aufgabe. Und ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich wüsste nicht, wie ich derzeit entscheiden würde.

Ihr Nachfolger Arno Kompatscher ist zuletzt massiv in die Kritik geraten, nachdem er mit Ankündigungen zu Lockerungen für Verwirrung gesorgt hat. Finden Sie, er macht dennoch eine gute Arbeit?

 
Ich bin überzeugt davon, dass alle Verantwortungsträger, die derzeit im Amt sind, das Beste tun. Und deswegen steht es mir auch nicht zu, andere zu kritisieren. Besonders nicht in dieser kritischen Zeit.

Was mich aber schon stört, ist die Tatsache, dass man mit irgendeiner Neuerung auftritt –  aber gleichzeitig nicht die notwendige Klarheit dazu schafft. Wenn man eine Neuerung mitteilt, dann muss man auch genau sagen, wie diese zu interpretieren ist. Nur eine Neuerung zu verbreiten, ohne genau zu sagen, wie diese zu verstehen ist, das bringt halt nichts als Unsicherheit!

Und wenn man dann im Nachhinein auch noch Korrekturen in der Auslegung machen muss, dann ist das halt etwas, was die Bürger zu Recht verärgert.

Viele Südtiroler sind verärgert darüber, noch bis zum 4. Mai ihr Haus nicht verlassen zu dürfen. Wie lange kann man, Ihrer Meinung nach, der Bevölkerung eine solche drastische Einschränkung der eigenen Freiheit wirklich noch zumuten?

 
Sie wissen selber, dass die Arbeit immer die beste Therapie für Körper und Seele ist. Unsere Leute sind es einfach gewohnt zu arbeiten. Und sie werden ganz bestimmt nicht davon glücklich, wenn sie ein wenig Geld dafür bekommen, um davon zu leben.

Sondern die Beiträge sind nur das Äußerste, um irgendwie weiterzukommen. Aber jeder normale Südtiroler will arbeiten und sich sein Leben davon selber erwirtschaften. Deswegen bin ich der Meinung, dass man überall dort, wo es möglich ist, die Voraussetzung dafür schaffen sollte, dass genauso wie in Nordtirol und in Deutschland gearbeitet werden kann.

Natürlich ist das oft leicht gesagt. Denn wir sind nicht komplett unabhängig. Und in diesem konkreten Fall entscheidet Rom immer mit. Und es ist nun einmal eine nationale Seuche, weshalb man nicht machen kann, was man will. Ich bin aber überzeugt davon, dass mein Nachfolger selbst sehr oft in der Situation ist, die Leute lieber wieder arbeiten gehen zu lassen. Aber er kann das halt nur zum Teil mitentscheiden.

Verstehen wir Sie also richtig, dass Sie spürbare Lockerungen für Südtirol bereits jetzt befürworten?

 
Ich bin zunächst einmal froh darüber, dass einzelne Lockerungen in dieser Woche stattgefunden haben. Aber ich bin schon auch der Meinung, dass Südtirol gemeinsam mit anderen Regionen darauf pochen muss, dass man die Situation differenziert sieht. Denn ich kann einfach nicht hergehen und Bergamo mit Meran vergleichen.

Es ist nun einmal so, dass Südtirol andere Voraussetzungen hat als etwa die Lombardei. Und deswegen muss ich überall dort, wo es irgendwie geht, auch lockern. Es ist daher in der Aufgabe meines Nachfolgers, sich mit anderen Regionalpräsidenten zusammenzutun, um gegen diesen Zentralismus anzukämpfen. Auch muss man die autonomen Zuständigkeiten, wo immer es geht, einfordern. Man gibt hier bestimmt sein Bestes. Aber ich finde schon, dass man hier
einen Gang höher schalten muss. Das wäre sicher nicht die schlechteste Variante.

Jetzt ist es so, dass die Grenze quer durch Tirol lange nicht mehr so stark zu spüren war wie in dieser Krise. Glauben Sie, dass es dennoch möglich sein wird, im Rahmen der Europaregion Tirol, zumindest den Brenner wieder mit der Zeit zu öffnen?

 
Meiner Auffassung nach darf es die Europaregion Tirol nicht nur bei Schönwetter geben, sondern auch bei schlechtem Wetter. Trotz der derzeitigen Schwierigkeiten muss man versuchen, dieses Gebiet auf sämtlichen Ebenen zusammenzuschweißen. Noch notwendiger ist das in Krisenzeiten.

Ich verstehe schon, dass man jetzt in erster Linie darauf schaut, was die Nationalstaaten tun und dass man aus dieser Krise wieder herauskommt. Aber es muss schon langfristig unser Ziel sein, sich gerade in schweren Zeiten dieser gemeinsamen Europaregion zu besinnen.

Wie erleben Sie die Coronakrise persönlich und haben auch Sie sich an die Einschränkungen erst einmal gewöhnen müsen?

 
Sie wissen ja selber, dass man als Rentner nicht weiß Gott welche Ansprüche hat. Vor allem dann, wenn man Zeit seines Lebens damit verbracht hat, für unser Land zu arbeiten.

Ich habe zurzeit überhaupt keine Probleme und bin die meiste Zeit mit meiner Familie zusammen. Ich lese und schreibe sehr viel. Und natürlich gehe ich im Rahmen des Möglichen auch ein bisschen spazieren mit der Familie. Mir persönlich geht es von daher sehr gut und ich spüre die Einschränkungen nur gering.

Natürlich wäre es schön, ab und zu mit anderen Leuten zusammenzukommen. Aber in dem Fall soll es nicht um den Luis Durnwalder gehen, sondern um diejenigen, die tagtäglich Angst haben müssen, über die Runde zu kommen oder die nicht wissen, wie es jetzt weitergeht. Auch sind viele zu Recht darüber besorgt, möglicherweise in der Arbeitslosigkeit zu landen.

Deshalb sind meine Gedanken in erster Linie bei diesen Leuten. Denn es sind diese Menschen, mit denen ich mitfühle, weil sie nicht wirklich wissen, was jetzt los ist.

Sind Sie aber dennoch davon überzeugt, dass die Südtiroler die Krise gut meistern werden?

 
Die Südtiroler haben in der Vergangenheit bereits schwere Zeiten überwunden. Denn wenn man daran denkt, was Südtirol im letzten Jahrhundert schon alles mitgemacht hat, da kann man sich kaum vorstellen, was den Leuten hierzulande schon alles zugemutet wurde.

Aber gerade deshalb bin ich auch überzeugt davon, dass die Südtiroler diese Krise meistern werden. Denn ich sage immer wieder: Die Südtiroler haben einen Kopf, ein großes Herz und vor allem zwei gesunde Hände. Denn wir packen an und bringen was weiter. Und wenn jemand den guten Willen hat zu arbeiten und die Rahmenbedingungen halbwegs stimmen, dann bin ich auch felsenfest überzeugt davon, dass wir in Südtirol wieder einen vernünftigen Wohlstand aufbauen können.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Alt-Landeshauptmann Durnwalder!

Jetzt
,
oder
oder mit versenden.

Es gibt neue Nachrichten auf der Startseite