von fe 08.02.2020 20:32 Uhr

Pflegermangel in Südtirol: „Das Zurückkommen wird immer schwieriger“

Während Südtirol händeringend nach Pflegern sucht, studieren und arbeiten Einheimische in Nordtirol, Österreich und der Schweiz. UT24 hat eine Krankenpflegerin gefragt, warum sie außerhalb Südtirols studiert hat und heute in der Schweiz arbeitet.

APA (dpa/Symbolbild)

Eine Mitschuld am Pflegermangel könnte die Landesfachhochschule für Gesundheitsberufe Claudiana in Bozen und die dort überwiegend vorherrschende italienische Sprache tragen. „Dass die Sprachen streng 50:50 eingehalten werden, das stimmt einfach nicht. Ich habe viele Rückmeldungen von Studenten bekommen“, sagte die Landtagsabgeordnete Maria Elisabeth Rieder (Team K) auf Anfrage von UT24 (hier nachlesen).

Das viele Italienisch im ersten Jahr, besonders bei schwierigen Fächern, schreckt laut Rieder ab. Eine These, die Melanie Telser aus Taufers im Münstertal bestätigen kann. Nach ihrem Studienbeginn an der Claudiana setzte sie nach einer Unterbrechung ihre Ausbildung in Innsbruck fort. Warum sie mit der Claudiana nicht zufrieden war und was sich ändern müsste, damit Südtiroler Krankenpfleger wieder nachhause zurückkehren, verrät Melanie Telser im Interview.

UT24: Frau Telser, Warum genau haben Sie sich für eine Ausbildung in Innsbruck und nicht an der Claudiana entschieden?

Melanie Telser: Ich habe nach der Matura direkt die Ausbildung an der Claudiana begonnen. War für ein Jahr dort, und hätte dann für ein Jahr aussetzen müssen, weil ich eine Prüfung mehrere Male nicht schaffte. Das war dauerte mir zu lange und deshalb begann ich die Ausbildung zur Sozialbetreuerin. Nach diesen Abschluss arbeitete ich für sechs Jahre in einem Pflegeheim bei mir in der Nähe.

Aber irgendwie war ich damit nicht glücklich, mein Wunsch war es immer Krankenschwester zu sein. Außerdem war ich die ganzen sechs Jahre in einem befristeten Vertrag, der alle sechs Monate verlängert wurde. Dies wurde mir langsam zu unsicher.

Da mein Berufswunsch immer wieder in mir hoch kam, hab ich mich, obwohl damals schon 30 Jahre alt, dazu entschieden, die Ausbildung auf dem zweiten Bildungsweg nochmal zu starten. Die Claudiana kam für mich nicht mehr in Frage. Ich wusste, dass ich sie aufgrund der italienischen Sprache nicht schaffen würde. Als ich zum ersten Mal in der Claudiana war, hatte ich einen italienischen Lebenspartner, somit viele italienische Freunde, und ich traue mich zu sagen, dass ich fit in Italienisch war. Beim zweiten Versuch hatte ich jedoch dieses Umfeld nicht mehr und ich wusste, dass ich so komplexe Fächer wie Anatomie, Histologie usw. in meiner Muttersprache lernen muss. Es ist da schon schwierig genug. Deshalb informierte ich mich über die Ausbildung in Innsbruck und mir war klar, dass ich es dort versuchen würde.

 

Welche Bedingungen hätten gegeben sein müssen, damit Sie die Claudiana besucht hätten?

Die einzige Bedingung wäre für mich persönlich nur die deutsche Sprache gewesen. Dass die Ausbildung akademisiert wurde, befürworte ich stark. So schafft es der Pflegeberuf vielleicht mal ein wenig Anerkennung zu bekommen. Hier möchte ich noch erwähnen, dass ich gegen mehrere Standorte der Claudiana bin. Meiner Meinung nach wäre es sinnvoller „was gscheids“ in Bozen zu machen. Sie sollen sich deutsche Dozenten holen. Wenn diese an drei Standorten unterrichten müssen, kann sich dies dann kein Mensch mehr leisten.  Außerdem war ich in der Claudiana immer nur eine Nummer. Diese Gefühl hatte ich in Innsbruck nie. Hattest du in einem Fach Schwierigkeiten, hast du Hilfe bekommen. Gab es Probleme, hattest du Ansprechpersonen, die für dich da waren und zusammen wurde eine Lösung gefunden.

 

Und warum sind Sie nicht mehr nach Südtirol zurückgekommen?

Ich habe lange überlegt ob ich in Innsbruck leiben soll. Land und Leute, sowie die Arbeitsbedingungen, hätten mehr wie gepasst. Jedoch komme ich aus Taufers im Münstertal. Das heißt ich wohne direkt an der Schweizer Grenze und nachdem ich mich über Arbeit und Gehalt ein wenig informiert habe, war für mich klar wohin ich gehe. Wäre aber die Situation nicht so, das heißt wäre mein Wohnsitz wo anders, wäre ich sicher in Innsbruck geblieben.

 

Warum?

Dort hätte ich nach kurzer Zeit einen unbefristeten Vertrag bekommen aufgrund meiner Leistung und Arbeitsmoral, nicht anhand einer Prüfung wie in Südtirol, die meiner Meinung nach nur nach Sympathie bewertet wird.

 

Welchen Job üben Sie heute aus?

Ich bin jetzt diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester. Arbeite mit Herz in der Langzeitpflege in einem Pflegeheim im Engadin. Werde hier geschätzt und beruflich extrem gefördert. Hatte nach drei Monaten einen unbefristeten Vertrag und bin seit 2016 hier. Ich darf im Mai sogar einen Masterlehrgang besuchen. Diese Erfahrung machte ich in Südtirol leider nicht.

 

Was müsste sich ändern, dass Sie nach Südtirol zurückkommen?

In Südtirol kommt, wie auch sonst überall, der Pflegenotstand. Wenn er nicht schon da ist. Ich kenne viele die in Südtirol arbeiten und wenn die so erzählen, was bei ihnen los ist, und ich mir das vorstelle, fällt es mir schwer daran zu denken zurück zu gehen. Der Pflegeschlüssel stimmt in Südtirol nicht. Gleich wie überall. Es kann nicht sein, dass zwei Pflegekräfte am Nachmittag für über 30 Bewohner zuständig sind und in der Nacht für über 80 Bewohner. Es ist in der Schweiz auch schon spürbar, aber noch nicht so schlimm. Über Gehalt will ich mich nicht äußern, da ich über die Zahlen in Südtirol nicht Bescheid weiß. Aber sicher spielt es für mich eine Rolle warum ich nicht zurückkomme.

 

Geht es anderen Südtirolern ähnlich?

In meinem Umfeld kenne ich viele, die die Ausbildung in Innsbruck gemacht haben und draußen geblieben sind. Auch viele die hier in der Schweiz, aber auch in Österreich arbeiten, weil sie keinen Zweisprachigkeitsnachweis haben und deshalb bei uns keine Anstellung finden. Dass dann das private Umfeld auch außerhalb von Südtirol wächst ist klar. Das Zurückkommen wird immer schwieriger.

 

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